Natürlich sind wir wie immer viel zu früh´an der Fähre.
Um 1830 sollen es mit der Verladung los gehen, um 1500 sind wir da und um 2100 dürfen schließlich auch wir mit KNAUSi auf die Fähre CRUX AUSTRALIS der Reederei TABSA in PUERTO NATALES rollen.
Auf der einen Seite mag man sich über die Behäbigkeit beim Beladen der kleinen Fähre ärgern, auf der anderen Seite hat man sowieso nichts anders zu tun und es ergeben sich einige interessante Beobachtungen. Völlig überladene Fahrradtouristen. Oder die Autofahrkünste anderer, natürlich: So müssen zum Beispiel alle Fahrzeuge rückwärts auf die Fähre fahren, damit es später beim Entladen schneller geht. Bei einigen funktioniert das tadellos, andere schaffen die 100 Meter vom Wendepunkt am Fährbüro bis auf die Fähre mit dem normalen PKW nicht.
So lange das Ladedeck noch nicht völlig zugestellt ist dürfen diese Fahrer ausnahmsweise vorwärts auf den Dampfer fahren und müssen dann auf engstem Raum auf dem Ladedeck wenden. Das alles kostet Zeit. Einer nach dem Anderen.

Macht aber nichts, denn obwohl am Abend vollständig geladen wird, inklusive aller Passagiere, geht die große Reise erst am nächsten Morgen um 0500 los. Für die Nacht vorholt sich die CRUX AUSTRALIS von der Hauptrampe in PUERTO NATALES auf die gegenüberliegende Landseite.
Wie üblich gibt es an Bord eine Zweiklassengesellschaft. Uns Touristen und die Eingeboren Chilenen. Die macht sich im normalen Umgang nicht bemerkbar, wohl aber bei der Buchung: Während wir ca. 140 € pro Person für diese Reise bezahlen, zahlen die Eingeborenen nur ca. 12 €. Ganz schön krass, aber mehr als OK. Der chilenische Staat subventioniert den ganzen Fährbetrieb und spart sich so den Straßenbau.
Tatsächlich dürfen wir im Auto schlafen!
Offiziell ist das wohl nicht, aber es verbietet auch keiner. So bleiben auch viele PKW Fahrer lieber in ihren Autos als in den Pullmannsesseln des Großraumschlafsaals der Fähre.
Pünktlich zur Abfahrt sind wir an Deck und können einen herrlichen Sonnenaufgang über PUERTO NATALES mit erleben. Logisch, echt frisch um die Uhrzeit. Aber klasse! Kommt doch tatsächlich so etwas wie Wehmut auf. Wir verlassen jetzt endgültig den tiefen Süden.

Nur wenig später schlägt das Wetter um und wir bekommen ordentlich Wind auf die Nase. Mit heftigen Regenschauern. Die CRUX AUSTRALIS läuft höchstens 6 Knoten gegen die ruppigen Wellen. Tatsächlich kreuzt sie gegen kabbelige See um die Wellen nicht frontal mit ihrer fest verriegelten Laderampe nehmen zu müssen. Das Wetter schlägt schnell auf die Stimmung. Keine tolle Aussichten, keine tollen Fotos, Aufenthalt nur im Auto und unter Deck in der Messe möglich. Unsere gebuchten Pullmansitze haben wir erst gar nicht in Besitz genommen.

Wie bei YAGHAN nach PUERTO WILLIAMS gibt es auch an Bord der CRUX AUSTRALIS ein Alkoholverbot. Doch diesmal kann es sehr komfortabel umgangen werden, da wir ja jederzeit Zugang zu unserem rollenden Kühlschrank namens KNAUSi haben. Da findet sich immer ein kleiner metallischer Zylinder und kann auch dort, geschützt vor den Blicken der Mannschaft, genussvoll konsumiert werden.
Die erste Nacht auf See fühlt sich im Bett von KNAUSi fast so an wie eine Nacht in der Koje des STORMVOGELS. Draußen heult der Wind, der Regen prasselt laut auf das Dach und es schaukelt sogar ein wenig. Unter der dicken Bettdecke durchaus warum und gemütlich, aber wehe man muss mal raus.
Der nächste Morgen, ein dreizehnter Freitag, bringt keine Wetterbesserung. Gegen Mittag haben wir schon acht Stunden Verspätung. Wie lange kann so ein Sturmtief sich hier denn halten?
Im Laufe des Tages steigen ganz allmählich die dunkeln Wolken höher und man kann die Berggipfel erkennen. Diese unendlich vielen Berge wurden noch nie von Menschen betreten und werden es wohl auch nie. Was für ein Gedanke. Mittlerweile regnet es seltener. Wetterbesserung in Sicht?

Die Verspätung hat auch etwas richtig gutes:
Sollten wir unseren ersten Zwischentop PUERTO EDEN noch am sehr frühen Morgen (0700) erreichen, kommen wir dort ganz komfortabel am späten Nachmittag an. Zur allerbesten Tageszeit, denn mittlerweile hat die Sonne ihren Weg durch die dunklen Wolken gefunden und taucht ganz PUERTO EDEN in grandiose Farben!
Die Begeisterung für die Farbenpracht ist natürlich um so größer als das die Tage vorher so extrem schwarz weiß waren. Alle Passagiere dürfen für dreißig Minuten an Land. Damit die Besatzung auch überprüfen kann, ob später alle zurück an Bord sind werden Nummernkarten ausgegeben. Einfaches System, auch wenn man damit nicht weiß, wer fehlt.
Die knappe Zeit für den Landgang in diesem sehr, sehr einsam liegenden Dorf reicht für ein paar hundert Meter auf einer Steganlage, denn Straßen gibt es hier nicht. Alle Häuser, besser Hütten, schmiegen sich in den Fels. Winzige Grundstücke, die meisten in einem eher verwahrlosten Zustand. Viele Menschen werden hier wohl nicht mehr leben?
In PUERTO EDEN gehen eine ganze Reihe von mitreisenden Franzosen von Bord. Wie sich heraus stellt, ist das eine Forschergruppe, die bereits vor x Jahren einmal eine unbewohnte Insel in der Nähe vollständig untersucht hat und deren Bericht im Fernsehen gezeigt wurde. Nun soll die Insel noch einmal untersucht werden und Veränderungen festgehalten werden. Natürlich auch wieder für das Fernsehen, irgendwann in der Zukunft auf ARTE.

Für die Versorgung der PUERTO EDEN Bewohner ist ein großer LKW mit der Fähre gekommen, der einfach rückwärts auf die Laderampe fährt. Weiter kommt er ja nicht, weil keine Straße. In aller Ruhe wird er dort später entladen und wenn die CRUX AUSTRALIS auf ihrer Rückreise ist, nimmt sie den LKW einfach wieder mit.
Zwölf Stunden später erreichen wir statt mitten in der Nacht (2200) am Vormittag unseren zweiten Zwischentop CALETA TORTEL. Auch hier gibt es keine Straßen und die hölzerne Laderampe ist so klein, das da nicht mal ein kleiner LKW parken könnte.
Also müssen buchstäblich alle Versorgungsgüter mit der Hand aus den großen Containern geholt werden. Längs über das gesamte Ladedeck an den Autos vorbei werden Colaflaschen, Bierdosen, Obst- und Gemüsekisten, 25kg Mehlsäcke und unzählige Kartons geschleppt und dann in eines der wartenden Motorboote verladen werden. Etwa acht der zehn Einwohner sind damit beschäftigt. Vermutlich Betreiber von Mini-Mercardos, also Tante-Emma Läden. Extrem aufwendig und zeitintensiv. Aber auch hier nicht die Spur von Eile oder gar Hektik. Es dauert was es halt dauert.

An Land dürfen wir hier leider nicht, aber fast alle mitreisenden Backpacker verlassen den Dampfer. Entweder ziehen sie hier in eines der zahlreichen HOSTEL´s oder suchen sich einen Zeltplatz. CALETA TORTEL ist auch von der N7, der CARETTERA AUSTRAL her erreichbar. Aber nur der Ortsrand. Wir werden später wohl mit Auto noch mal hier einen Stopp machen.
Nach gut einer Stunde legt die CRUX AUSTRALIS wieder ab und der letzte nur zweistündige Reiseabschnitt nach PUERTO YUNGAY wird in Angriff genommen. Mittlerweile haben wir auch tagsüber schönes Wetter und so verbringen die Meisten der restlichen Passagiere die Zeit an Deck. Statt um 0100 kommen wir gegen 1200 an. Auf der auf einem Fernseher mitlaufenden Navigationssoftware TIMEZERO können wir zeitweise über neun Knoten ablesen. Bringt auf den letzten Seemeilen natürlich auch nicht mehr viel.
Die Software ist uns sehr vertraut. Zehn Jahre an Bord des STORMVOGELS gefahren und jede Insel damit gefunden 😉
Die Fährfahrt von PUERTO NATALES nach PUERTO YUNGAY war bei der Planung unserer Reise zu Hause in ELMSHORN ja eigentlich das Herzstück. Fährfahrt durch die spektakulären patagonischen Kanäle in CHILE, Übernachten im eigenen Auto, drei Mahlzeiten am Tag von der Bordkombüse.
Am Ende war dieses Herzstück leider nur gerade so OK. Gegen das schlechte Wetter kann man nichts einwenden. Es ist wie es ist. Aber die Verpflegung an Bord war diesmal wirklich schlecht. Als Maßstab für dieses harte Urteil nehmen wir natürlich nicht die vortreffliche Gourmetküche auf dem Expeditionsschiff MS SEAVENTURE. Nein, wir haben ja den Vergleich mit der Fähre YAGHAN nach PUERTO WILLIAMS. Da gab es auch nur einfache Hausmannskost vom Blechteller, aber die war immer lecker. Gleiche Reederei, fast gleicher Dampfer, mit Sicherheit gleicher Kostensatz für den Passagierproviant. Muss wohl am Koch gelegen haben?
Wie gut, das sich im rollenden Kühlschrank names KNAUSi auch noch was leckers zu Essen befand. Wäre doch schade um jeglich verlorenes Gramm.

Dadurch, das wir beide große Fährfahrten unternommen haben wird die Sache für uns aber doch noch richtig rund. Kann ja nicht immer und überall nur Licht sein, muss ja auch mal Schatten geben.
Sonst kann man das Licht am Ende auch gar nicht mehr als solches erkennen.
Peter.