SA2223: Bargeld in Argentinien / Western Union

[Bitte nur lesen, wenn einem langweilig ist oder wenn man sich für internationalen Geldtransfer interessiert]

In diesem langen Beitrag geht es nicht um Landschaften oder Menschen.

Es geht ums schnöde Geld!

Um Bargeld, um ganz genau zu sein.

Im Besonderen soll es darum gehen, wie man an sein bereits verdientes und in Deutschland sicher verwahrtes Geld kommt, wenn man im Ausland ist.

Nun, in erster Linie denken da alle, so auch wir, an Kreditkarten. Bisher funktionierten unsere VISA Karten weltweit. Die Nebenkosten bestehend aus einem schlechten oder zumindest nicht wirklich guten Wechselkurs sowie den üppigen Gebühren (z.B. Postbank 1,85% vom jeweiligen Transaktionswert) sind sehr ärgerlich, lassen sich zwar nie ganz vermeiden, aber einige Banken „verzichten“ zumindest auf die Transaktionsgebühren.
Will man über lokales Bargeld verfügen verlangen die Automaten im Ausland zusätzlich ebenfalls eine Gebühr. So kann es leicht passieren, das man 500 € abholt und dafür in Summe 15 oder 20 Euro mehr oder minder verdeckte Nebenkosten bezahlt.
Über die verschiedenen Angebote deutscher Banken soll hier nicht weiter geschrieben werden. Ein wirklich neutraler Vergleich unter Einbeziehung aller Aspekte wäre sehr, sehr aufwendig.
In jedem Fall kann wohl davon ausgehen, dass die Heimatbank immer zu ihrem Geld kommt. „Kostenlos“ kommt im Wortschatz der Banken nur in der Werbung vor.

Bisher hatten wir also nie Probleme mit den (teuren) Kreditkarten und daher haben wir bei der Reiseplanung SÜDAMERIKA 2022/2023 (SA2223) auch nicht die Bohne darüber nachgedacht.

Doch bereits am ersten Tag in ARGENTINIEN stellten wir fest, dass wir ein Problem haben. Ein ernstes, um genau zu sein. Als Reisender kein Geld, kein Bargeld zu haben ist ein echtes Problem. Und löst beim Reiseleiter ein Trauma aus. Musste er doch in jungen Jahren die Erfahrung machen, auf Geschäftsreise in NEW YORK einige Tage völlig mittellos in der Stadt zu sein. Selbst das Hotel sollte er damals verlassen müssen. Das ist aber eine andere erzählenswerte Geschichte und sie wird vielleicht mal in Zukunft hier das Licht der Welt erblicken.

Zurück in die Gegenwart! Am ersten Tag in ARGENTINIEN bekommen wir zwar aus einem Bank-Automaten Geld, aber:

1) Maximal den Gegenwert von 200 €
2) Darauf eine Automatengebühr von 7 €
3) Zu einem Wechselkurs von 1 € = 152 Pesos

Nun haben wir uns in der Vergangenheit auch nie ernsthaft mit Wechselkursen beschäftigt. Ein wenig mal rauf oder runter, aber im Wesentlichen waren die Wechselkurse mit einfachen Faustformeln handhabbar um im Supermarkt die Preise einzuordnen.
Bereits in URUGUAY hatten wir schon vom „DOLLAR BLUE“ in ARGENTINIEN gehört. Eine Art Schattenwechselkurs den man erhalten würde, wenn man auf dem Schwarzmarkt Geld tauschen würde.

Wo ist denn so ein Schwarzmarkt?
Wie kommt man da hin?
Bekommt man da nicht einfach nur Falschgeld?
Ist das überhaupt legal?

In einer Bar in CONCORDIA (ARGENTINIEN) fragen wir einfach und tauschen direkt dort US Dollar zum Kurs von 1 US$ = 280 Pesos. Auf der Straße steht später ein Mann, der für 1 US$ gleich 300 Pesos gibt. Und in einer offiziell aussehenden Wechselstube bekommen wir 290 Pesos für einen US$.

Ein Liter Diesel kostet in ARGENTINIEN im Moment etwa 214 Pesos. 

Also entweder 1,43 Euro oder 0,72 Euro. Oder, damit es beim Nachtankten eines 120 Litertanks (i.d.R. immer um die 100 Liter) dramatischer wird: 143 Euro zu 72 Euro – das ist ja schon mal ein nicht zu ignorierendes Wort.

Das Problem:
Unsere Bargeldreserven in US-Dollar sind endlich und eigentlich nur für echte Notfälle gedacht. Wollen wir diesen Vorsatz bewahren müssen wir also an frisches Geld kommen, ohne die Automaten zu benutzen.

Die Lösung, um nun endlich mal zum eigentlichen Thema zu kommen, heißt WESTERN UNION. Dieser amerikanische Anbieter ist darauf spezialisiert, weltweit Bargeld „in Minuten“ zu versenden.

Im Prinzip funktioniert das so:
Die Eltern brauchen in ARGENTINIEN also Bargeld, die Tochter in Berlin läuft erst zu einem Bankautomaten, hebt da (am richtigen Automaten wirklich kostenlos) fix 500 Euro in bar ab und rennt dann in eine der zahlreichen WESTERN UNION „Filialen“. Teilt dann dort den EXAKTEN Namen des Empfängers mit (genauso, wie er im Reisepass des Empfängers steht, inklusive weiterer Vornamen usw.) und das Land in dem sich der Empfänger aufhält. Dann schiebt die Tochter das Geld über den Tresen und bekommt dafür eine Quittung. Darauf befindet sich ein 10-stelliger Code, den die Tochter den Eltern irgendwie übermittelt.

Als nächstes wackeln die Eltern in eine WESTERN UNION „Filiale“ in ARGENTINIEN, legen ihren Reisepass und den 10-stelligen Code vor und schon bekommen die armen Eltern 170.000 Pesos! Wer jetzt nachrechnet stellt fest, das WESTERN UNION einen noch absurderen Wechselkurs zahlt: 1 € = 340 Pesos. Laut Eigenangaben verdient WESTERN UNION an Wechselkursen und an den Transaktionsgebühren, in diesem Fall 9,90 Euro.

So also läuft die Transaktion ideal ab. Doch wirklich verlässlich ist das nicht, denn in der Realität gibt es nahezu beliebig viele Hürden.

Das Wort „Filiale“ steht in Anführungszeichen, weil WESTERN UNION zwar einige (wenige) Filialen unterhält, im Wesentlichen aber mit „Vertriebspartnern“ arbeitet. So wurde das Geld in Berlin in einer „Filiale“ eingezahlt, die eigentlich eine Trockenreinigung ist. Und abgeholt wurde das Geld in Argentinien in einem Kiosk, voll von Süßigkeiten, Softdrinks und Krims-Krams.
Nun, daran mag man sich stören, oder auch nicht.

Ferner gibt es völlig intransparente interne Sicherheitsprüfungen, auf die man nicht vorbereitet sein kann. So scheint es so zu sein, dass wenn eine Person insgesamt mehr als 1.000 € sendet, der Reisepass zur Bestimmung der absendenden Person selbst in das WESTERN UNION System hochgeladen werden muss. Beispiel: 900 € wurden einfach so versendet, jetzt sollen noch mal 200 € auf die Reise gehen. Das Geld wir eingezahlt, alles sieht normal aus. Doch WESTERN UNION hält die Transaktion an und fordert den Absender via eMail auf, den Reisepass zu fotografieren und hoch zu laden. Passiert das nicht, bleibt das Geld 30 Tage hängen und erst dann kann der Absender sich beim WESTERN UNION Kundenservice darum kümmern, das Geld wieder zu bekommen.

OK, das ist nicht schlimm und man kann das machen.

Versendet der Absender aber „in einem Rutsch“ einen größeren Betrag, sagen wir 1.000 €, dann wird der Empfänger nicht einfach an das Geld kommen. Welcher Kiosk in ARGENTINIEN hat schon 340.000 Pesos in der Kasse? Denn daher nehmen die Vertriebspartner das Geld.

Aus der eigenen Kasse!

Länger darüber nachgedacht, warum die das machen. Damit geben sie WESTERN UNION ja faktisch einen Kredit. Keine Zeit, keine Lust und keine Möglichkeiten, während unserer Reise die genauen Vertriebspartner Bedingungen zu studieren.

Aber einzige logische Möglichkeit:
Die Vertriebspartner schaffen faktisch ihr Bargeld damit außer Landes: Sie zahlen dem WESTERN UNION Kunden den entsprechenden Betrag bar in Pesos aus und bekommen dafür eine Gutschrift auf ihrem WESTERN UNION Vertriebspartner Konto. Wenn das nun außerhalb ARGENTINIENS liegt und in US$ geführt wird, dann sichern sich die Vertriebspartner damit gegen die extreme Inflation im eigenen Land ab. Für einen Anteil an den vom Versender bezahlten Transaktionsgebühren lohnt der ganze Aufwand wohl kaum.

Unendlich viele steuerliche Fragen stellen sich. Ob überhaupt jemand die Antwort kennt?

Damit man also überhaupt an Geld kommt, versendet man am besten Happen von 100 oder 200 Euro. Dafür bezahlt man zwar mehrfach die Transaktionsgebühr, aber immerhin kann man darauf hoffen, im Zielland Vertriebspartner zu finden, die wenigstens einen dieser Happen auszahlen können. Denn eine große Transaktion kann im Nachhinein nicht aufgeteilt werden.

Natürlich befinden sich in Touristengebieten mehr Vertriebspartner, als da, wo niemals Ausländer auftauchen. Das ist das nächste Problem: Wenn der Vertriebspartner kein Bargeld mehr hat, schließt er einfach die Auszahlung und schickt die Wartenden nach Hause. Und an diesem Ort bekommt niemand mehr „Geld in Minuten“.

In ARGENTINIEN gibt es einige große Supermärkte mit westlichen Eignern. Zum Beispiel CARREFOUR. Die haben fast immer eine WESTERN UNION „Filiale“. Macht ja auch wieder Sinn, um die permanent an der Kasse eingenommenen Pesos unmittelbar vor der Inflation in Sicherheit zu bringen.

In BUENOS AIRES unterhält WESTERN UNION tatsächlich eine eigene Filiale mit 10 Schaltern. Dort scheint man in der Tat immer jeden Betrag zu bekommen, allerdings manchmal in kleinen Scheinen. Also muss man große Taschen mitbringen, wenn man zum Beispiel 500 € gleich 170.000 Pesos in 500 Pesos Scheinen bekommt: 340 Scheine. Bündelweise.

Wer bis hierher einigermaßen folgen konnte, dessen Aufmerksamkeit wird nun noch intensiver gefordert:

Denn (natürlich) bietet WESTERN UNION auch eine Handy APP an, mit der man Geld versenden kann. Damit der Absender nicht andauernd in irgendeine „Filiale“ rennen muss. Bezahlt wird online mit Kreditkarte oder Bankeinzug.

Da liegt natürlich der Gedanke nahe, dass man sich darüber einfach selber Geld schicken könnte. Man sitzt also in ARGENTINIEN, installiert sich die WESTERN UNION App und schickt sich selbst Geld von der eigenen Kreditkarte.
Das geht zunächst erstaunlich einfach, wenn man mal von dem irren Häck-Mäck mit dem VISA 3D Secure Verfahren beim Onlinebezahlen mit Kreditkarte absieht. Eine Millionen Sicherheitsabfragen und eine weitere App (die der herausgebenden Bank) provozieren Fehleingaben und Timeouts im Prozess mit dem Risiko das die Kreditkarte auch mal gesperrt wird.

Im Gegensatz zur „Filial“ Einzahlung werden bei APP Einzahlungen zwei zusätzliche Sicherheitsabfragen gestellt. Zum Beispiel „Wofür das Geld“ -> „Reisekasse“, „Woher stammt das Geld“ -> „Ersparnisse“. Die Antworten sollte der Empfänger kennen, denn je nach Tageslaune des Auszahlers werden diese abgefragt. Wenn der Einzahler da nur Nonsens gemacht hat und sich diesen auch nicht gemerkt hat, kann es wieder zu Problemen mit der Auszahlung kommen.

Doch nachdem wir uns selbst dreimal 500 € damit einwandfrei gesendet hatten, bockte das WESTERN UNION System. Erstmal Reisepass hochladen. OK, gemacht. Dann war angeblich die Kreditkartentransaktion nicht in Ordnung (Nonsens, weil 3D Secure erfolgreich absolviert). Dann der Betrag zu hoch (Nonsens, weil ja vorher größere Beträge funktionierten und selbst die Herabsetzung auf 100 € keinen Erfolg brachte).

Nun ist es ja keine Freude in einer anderen Zeitzone den Kundensupport eines Anbieters eines komplexen Systems im Heimatland anzurufen. Erst recht, wenn es sich um ein unfehlbares amerikanisches System handelt.

Bei WESTERN UNION war die Warteschlange erstaunlich kurz. Die fernmündliche Diagnose lautete:
Das könne ja gar nicht funktionieren, weil im Reisepass ein zweiter Vorname angegeben sei, auf der Kreditkarte aber nicht. Schon wieder Nonsens, weil der Bezahlprozess via Kreditkarte inklusive 3D-Secure ja einwandfrei durchgelaufen wurde. Keine Chance das zu ändern. Außer mit einer Kreditkarte, auf der der zweite Vorname stünde. Gibt es das überhaupt? Wie viele Vornamen passen auf eine Kreditkarte? Tolle Wurst.

Später noch mal per eMail den WESTERN UNION Kundenservice mit dem Widerspruch konfrontiert. Deren Geld war ja zu jeder Zeit sicher und das kann nicht der Grund für den Abbruch gewesen sein.

Und eine erstaunliche andere Antwort erhalten:
Die weiteren Transaktionen seinen alle abgebrochen worden, weil der Absender ja im selben Land wie der Empfänger wäre. Demnach könnte sich ja niemand selbst Geld senden – vermutlich werden kleine Transaktionen nicht so genau geprüft und erst wenn man über die 1.000 Euro kommt wird es wirklich ernst? Hört sich auch nach Nonsens an.

Im Übrigen: Damit man mit WESTERN UNION per eMail kommunizieren kann braucht man noch eine weitere Website, auf der das sichere WESTERN UNION Kommunikationssystem betrieben wird. Neuer User, neues Kennwort, neue Fehlerquellen.

Bis heute haben wir keine echte Problemlösung und die Tochter muss uns weiterhin in ARGENTINIEN über WESTERN UNION mit Bargeld versorgen.

Dabei möchte man das doch mal einfach so verstehen, wie es sein soll. Und wo genau das Geschäft vom weltweit agierenden WESTERN UNION Konzern wirklich liegt. Wie können die einen absoluten Fabelkurs „auszahlen“? Was haben die Vertriebspartner mit ihren „Filialen“ wirklich davon?

Als wir auf der MAROKKO 2022 Tour waren, haben wir uns immer über die Menschentrauben vor den WESTERN UNION „Filialen“ gewundert. Jetzt ist das schon mal klar: Die vielen Marokkaner, die z.B. in EUROPA arbeiten, senden zur Unterstützung ihrer Familien über WESTERN UNION Geld nach Hause und die „Filiale“ im Land muss sehen, wie & wann sie das Geld auszahlen kann.
Kann sie offenbar nicht oft, denn woher soll da das Bargeld kommen?

Die Geschichte mit den unterschiedlichen Wechselkursen indes wirft noch eine viel komplexere Frage auf:
Wie entsteht so was und wer zur Hölle verdient daran? Keiner der bisher getroffenen Argentinienfahrer konnte das erklären.

Alles irgendwie merkwürdig, oder?

Und wer jetzt noch ernsthaft über unseren Euro meckert, der hat den Knall wohl nicht gehört, oder?

Peter.

P.S.: Nur am Rande: Wir haben mittlerweile keinen Überblick mehr darüber, wer auf dieser Reise unsere Reisepässe kopiert hat oder wo wir Fotos davon überall hochgeladen haben. Immerhin hat man mit den Reiesepassangaben eine vollständige Identität.

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