Bisher haben wir in diesem Jahr nicht besonders viele Seemeilen zurück gelegt und das wird sich auch erst mal nicht ändern. Die nun endlich geronnene Sommerplanung besagt, das der STORMVOGEL in den kommenden Wochen zum Hotelschiff auf ANHOLT mutiert.
Und weil der erste Besuch auf der Insel nur gerade jetzt Zeit hat, sehen wir am Dienstag zu, irgendwie von BALLEN nach ANHOLT zu kommen. Irgendwie, weil es laut Wetterberichten nur gerade so mit Segelwind klappen soll, Mittwoch wäre als Reisetag besser, Donnerstag sogar noch besser. Doch Freitags müssen die Freunde bereits wieder abreisen, also machen wir das, was wir eigentlich nicht mehr machen wollen:

Wir begeben uns wissentlich auf einen blöden Schlag.
Dabei laufen die ersten drei Stunden überraschend gut. Früh´ am Morgen in BALLEN los, durch das enge Fahrwasser im Norden und dann endlich wieder halbwegs offenes Meer. Doch wie schon bei der Süd-Reise im letzten Jahr ändert sich nördlich von SAMSÖ der Wind schlagartig. Als wenn es da einen festen, aber unsichtbaren Grenzübergang der Wettersysteme des Kattegats und der Belte geben würde. Statt super-schnellem Halbwindkurs mit ordentlich Wind jetzt was Raumes mit zu wenig Wind. Die 7, 8, 9 oder manchmal auch 10 Knoten Wind helfen auf dem Kurs nicht wirklich weiter. Schon gar nicht bei dieser konfusen Welle. 4 Knoten Fahrt, immer wieder heftig flappende Segel. So wird das nichts. Also beide Vorsegel weg und mit Maschine weiter. Spaß macht das nun wirklich nicht.

20 Seemeilen vor Anholt baumen wir das Yankee aus und segeln tatsächlich noch ein Stück vor dem Wind, doch der Skipper muss die Mannschaft immer wieder streng darauf hinweisen, das Blumen pflücken während der Fahrt streng verboten ist. So langsam geht es voran.
Geduld, Geduld!

Der Hafen von ANHOLT ist erstaunlich leer, doch da, wo wir uns hinlegen wollen ist kein Platz. Da liegt ein großer Krieger längsseits und erweckt nicht den Anschein, das er da jemals wieder verschwinden würde. Schon erstaunlich, wie der Kapitän seinen Dampfer in diesen Yachthafen mit den unzähligen Mooringbojen bekommen hat. Also legen wir uns im gebührenden Abstand an sein Heck. Kaum sind wir fest, kommen die Freunde mit der Fähre an und es wird ein kleines Wiedersehen gefeiert.
So endet dieser schlechte Segeltag wenigstens zum Abschluss mit einem gutem Timing und großer Wiedersehensfreude.

Am folgenden Tag sind die Köpfe unerwartet schwer und der Tatendrang dem entsprechend reduziert. Dafür ist das Wetter fantastisch!
ANHOLT ist, wie immer und in jedem Zustand fantastisch!
Zu Fuß einmal in den Ort und zurück, viel mehr ist körperlich nicht drin. Immerhin 7 Kilometer. Not that bad.

Doch am folgenden Mittwoch werden Fahrräder zu Inselpreisen gemietet und selbst wir als „öfters mal auf ANHOLT“ gewesene entdecken noch eine für uns völlig neue Landschaft auf dieser kleinen Insel:

Klar, ein jeder der „WÜSTE“, „INSEL“ und „ANHOLT“ liest denkt sich sicher, klarer Fall von Marketingübertreibung. So auch wir. Der örtliche Fahrradverleiher hat auf den Fahrrädern Aufkleber angebracht, auf denen steht, das man damit nicht am Strand fahren dürfe. Macht Sinn: Salzwasser und Sand kommt bei den ganzen Kugellagern, Zahnrädern und Ketten an so einem Drahtesel nicht gut. Als wir spät am Nachmittag aus der Wüste von ANHOLT zurück kommen und die Fahrränder wieder abgeben, lesen wir mit Schrecken am Haus ein noch viel größeres Schild: In die Wüste von ANHOLT dürfen diese Fahrränder eigentlich auch nicht…

…ja, stimmt. Macht wohl auch Sinn, denn hinter her betrachtet war dieser Ausflug mit Fahrrädern durchaus grenzwertig.
Denn es gibt sie wirklich, die Wüste von ANHOLT!
Etwas anders, als man sich gemeinhin vielleicht so eine Wüste vorstellt. Zu einer echten Wüste gehört ja wohl zu vorderst Sand! Auf jeden Fall Unmengen von Sand. Unglaublich viel Sand ist auf ANHOLT schon mal vorhanden. So viel, das in Zukunft wohl findige Bauunternehmer auf den Gedanken kommen könnten, die Insel komplett abzutragen um an kostbaren Bausand zu kommen. Was wollte Herr Trump eigentlich mit Grönland? Als Bauunternehmer wäre doch ANHOLT als Objekt der Begierde viel schlauer gewesen? Schon klar, echter Wüstensand taugt nicht zum bauen, aber was ist eigentlich mit dem gut verpacken Sand in der Wüste von ANHOLT?

Denn der Sand der Wüste von ANHOLT verbirgt sich unter einer zarten Schicht aus vertrocknetem Moos, Flechten und Heide. Verlässt man den tief sandigen Pfad weil man denkt, auf dieser zarten Pflanzenschicht komme man besser voran, täuscht man sich. Die Pflanzen sind so ausgedörrt, die tragen gar nichts, man sackt ein und steckt wieder im Sand fest.
Aber diese dummen Baugedanken passen ja sowieso nicht in die heutige Zeit. Lassen wir das also.
Der Pfad nahe dem kleinen Flugplatz vom Hauptort der Insel durch die Wüste von ANHOLT bis zum weithin sichtbaren Ziel, dem Leuchtturm von ANHOLT an der Nord-Ost Spitze der Insel, ist immerhin ganze 9 Kilometer lang! Bereits nach wenigen hundert Metern geben wir auf. Das schaffen wir nie! Schon gar nicht wieder zurück.

Wir kehren um und suchen den laut Inselkarte vorhandenen zweiten Pfad, der von der befestigten Inselhauptstrasse abzweigt. Dort sieht es zunächst deutlich besser aus, doch dem erste Anschein, um nicht zu sagen der ersten Verlockung, folgen wirklich schwierige Streckenabschnitte, in denen die Sandpiste völlig zerfahren und breit getreten ist. Selbst zu Fuß und ohne ein Fahrrad als Ballast hätte man da seine Schwierigkeiten, durch zu kommen. Und so dauert es gut drei Stunden, bis wir den Leuchtturm erreichen.
Aber wir erreichen ihn!

Erschöpft, aber in der Gewissheit, das wir einige bestens gekühlte zylindrische Metallcontainer mit uns führen und uns selbst somit eine kleine Belohnung verabreichen können. Natürlich braucht man nicht darüber nachzudenken, ob die darin befindliche Flüssigkeit denn die richtige für einen Ausflug in die Wüste von ANHOLT war. War sie natürlich nicht.




Nun denn. Pause!
Und natürlich durch das dort vorhandene (kostenlose!) Riesenteleskop die weit entfernt auf einer Sandbank liegenden Seehunde beobachten.
Wir sind uns nicht so sicher, was ANHOLT hier eigentlich bezwecken möchte. Zum einen wird das Naturschutzgebiet mit den Seehunden stark als „must see“ beworben und vor Ort am Leuchttrum auch gut dokumentiert. Absperrungen und Tafeln weisen auf das strikte Betretungsverbot hin. Zum anderen führt der Weg dorthin durch die Wüste über zwei Pfade, die ihren Namen nicht verdienen. Weicht man davon ab, um zum Ziel zu kommen, zerstört man unweigerlich die zarte Heidelandschaft. Dann wohl eher auch die Wüste von ANHOLT für Touristen sperren? Oder wenigstens einen Pfad mit Schotter passierbar machen? Wie immer schwierig, dieser Spagat zwischen Naturschutz und Tourismus.

Nun, wir alle wissen um den langen Rückweg. Also los! Da wir die Fahrräder einen Kilometer vor dem Leuchttum zurück gelassen haben, weil der Sand schlicht zu viel wurde, stapfen wir erst mal befreit ein Stück zurück.
Dann wieder im permanenten Wechsel von auf „dem Fahrradsattel sitzend rollen“, „zu Fuß gehen“ und „abspringen“, wenn das Vorderrad im Sand unvermittelt stecken bleibt. Nach weiteren drei Stunden des Weges erreichen wir die befestigte Inselstraße und sind nun völlig erschöpft, weil am Ende unserer Kräfte.
Und sehr zufrieden mit uns!

Eine wirklich tolle Tour. Sehr anstrengend, doch diese menschenleere Landschaft, von der prallen Nachmittagssonne aufgeheizt ist in der Tat einmalig und sehr erlebenswert. In der ganzen Zeit haben wir nur ein junges Paar gesehen, das zu Fuß in der Wüste von ANHOLT unterwegs war. Am Leuchtturm noch ein anderes, aber die wollten auf keinen Fall zurück durch die Wüste von ANHOLT, sondern ihr Glück am Strand versuchen. Wir haben sie nie wieder gesehen…
Heidi, auf dem Hinweg als ehemalige Enduro-Fahrerin noch bemerkenswert vorweg gestürmt, meint später: Seit der Bergbesteigung von MAUPITI habe ich nichts anstrengenderes mehr erlebt. Ups, das ist lange her.
Merke:
Selbst wer nur zur See fährt kann in einer Sandwüste landen!
Unsere Besucher sind erfahrende Sportler und empfehlen zum Abschluss der Wüstentour ein Bad im kalten Meere. Also so was ähnlichem, wie die berühmte Eistonne der Profi-Fußballspieler. Obwohl völlig überhitzt, erschöpft und nach Abkühlung lechzend, kommt der innere Schweinehund ganz schnell wieder nach vorne, als er bemerkt, das es nun nach sehr heiß also sehr kalt werden soll. Bei einer der Mitreisenden obsiegt er völlig und das kalte Wasser wird als gar nicht mehr so attraktiv wahr genommen, zwei stürzen sich beherzt in die Fluten und einer braucht eine ganze Weile, bis der Kopf auch wirklich unter Wasser ist. Nur das zählt.
Logisch, das der nächste Tag ein Ruhetag sein muss. Wir vorholen den STORMVOGEL auf einen besseren Platz, als der Krieger den Hafen verlässt. Das Wetter bleibt perfekt, bis der Besuch am Freitag wieder abreist. Man könnte auch denken, die beiden hätten das gute Wetter mit gebracht…aber dann auch einfach wieder mit genommen.
Unverschämtheit!
Peter.
