Das Wetter für die kommenden Tage wird nicht richtig hilfreich für die weitere Passage Richtung ANHOLT werden.
Warum dann nicht am Sonntag Nachmittag als Kaffeefahrt bei „fast Flaute“ unter Maschine 18 Seemeilen nach BALLEN (SAMSÖ) dampfen?
Ja, ja, schon klar. Da wollten wir eigentlich nicht wieder hin. Liegt aber so schön strategisch für einen langen Schlag nach ANHOLT, da kommt der bekanntlich planerisch versessene Skipper einfach nicht dran vorbei. Und Vergangenheit ist sowieso Vergangenheit.

Das Groß als Stützsegel gesetzt, sieht ja auch besser aus. So ein Segelboot mit Segel dran. Die kurze Reise verläuft völlig ereignislos, der Hafen ist am späten Sonntagnachmittag nicht so leer wie gedacht und so gehen wir wieder auf unseren „Lieblingsplatz“ aus dem vergangenen Jahr. Und lesen tatsächlich im eigenen Blog nach, wie man sich bei diesem digitalisiertem Liegeplatzsystem noch mal anmeldet. Schön das man immer noch vergessen kann, gell?
Sicherheitshalber wollen wir noch mal beim Supermarkt direkt am Hafen bunkern. Auf dem Rückweg muss der Skipper auf die Mannschaft warten, setzt sich bepackt mit seinem soeben erbeuteten vielen kleinen zylindrischen Metallcontainern auf eine Bank am Hafen und fragt sich was für eine Flüssigkeit in diesen kleinen zylindrischen Metallcontainern wohl so stecken mag? Mal ganz in Ruhe eine Probe ziehen…

…während er also da so sitzt und darüber nachdenkt, das man die Flüssigkeit wohl doch besser kühlen sollte, beobachtet er am nahen Sanitärgebäude einen fremden Mann im mittleren Alter. Der Gestik nach zu urteilen irgendwie unzufrieden. Doch erst nach ein paar Minuten realisiert der Skipper, das der fremde Mann offenbar ein Deutscher ist. Doch was gibt es bloß an diesem lauschigen Sonntagabend in BALLEN zu benörgeln?
Die Blicke treffen sich, der Skipper, nach eigener Einschätzung durchaus erfahren in BALLEN-Aufenthalten, fragt ohne seine komfortable Bank zu verlassen den fremden Mann besorgt, was denn wohl los sei?
Der fremde Mann kommt auf ihn zu und klagt sein Leid: Er sei gerade erst angekommen und wolle seinen Liegeplatz bezahlen, bevor der Hafenmeister kommt und Strafgebühren erhebt. Doch da hänge nur so ein komischer C-PAY Automat herum, bei dem man eine Nummer eingeben könne. Eiserne Hafemmeister kenne er ja durchaus, aber dieses Modell sei ihm noch nie untergekommen.

Der Skipper grinst still in sich hinein und drückt dem fremden Mann erst mal einen seiner kleinen zylindrischen Metallcontainer in die Hand, bittet ihn Platz zu nehmen und prostet ihm beruhigend zu.
Immer hübsch der Reihe nach.
Da, wo das schicke Stahlboot des fremden Mannes liegt, sind die Liegeplätze ja noch gar nicht digitalisiert. Keine kaum lesbaren LED Anzeigetafeln, also kein C-PAY Liegeplatz. Freundlich weist der Skipper mit dem Arm auf das am Hafenende gelegene Büro des Hafenmeisters. Dort werde der fremde Mann die Sorte von eisernen Hafenmeistern finden, die er bisher aus Dänemark kenne. Der fremde Mann ist zunächst irritiert ob der vielen freundlich vorgetragenen Detailinformation, doch dann ist er fast spürbar erleichtert, beruhigt und dem Ankommen in einem fremden Hafen gebührend endlich entspannt.
Mittlerweile ist die Mannschaft des Skippers wieder aufgetaucht, gesellt sich zu der kleinen Herrenrunde am Hafen, verzichtet auf einen eigenen kleinen zylindrischen Metallcontainer, interessiert sich für den fremden Mann und erfährt: Er sei im Vorruhestand, vor einigen Jahren aus den Ruhrgebiet an die Schlei gezogen, kurz bevor die Immobilienpreise auch dort explodierten. Im letzten Jahr habe er sich dann seinen Dampfer gekauft und beschlossen, auf dem Meere zu reisen.
Gute Idee!

Nun, ob der fortgeschrittenen Stunde und der immer noch währenden Sorge des fremden Mannes vor einem echten und womöglich kontrollierenden Hafenmeister möchte der nun nicht mehr so fremde Mann seine Pflicht als Neuankömmling endlich erfüllen, verabschiedet sich und bricht auf.
Der Skipper rafft seine verbliebenen kleinen zylindrischen Metallcontainer zusammen und trottet der Mannschaft hinterher zurück zum Boot.
Der STORMVOGEL ist an diesem Steg momentan das Einzige Boot.
Stehen auf dem Steg zwei uns den Rücken zukehrende Eis schleckende Menschen und betrachten unseren Dampfer. Erst als wir in ihrer unmittelbaren Nähe sind bemerken sie uns. Ist ja eigentlich auch keine Art, sich so von hinten anzuschleichen?
Was für ein wunderschönes Boot der STORMVOGEL denn wohl sei! Bis vor zwei Jahren hätten sie eine 40iger KOOPMANNS gesegelt, doch jetzt seien sie zu alt dafür und hätten sich, sie trauten es sich kaum zu sagen, ein Motorboot gekauft.
Wie jetzt, zu alt?

Mann und Frau sehen zwar älter aus als wir, aber doch nicht so alt?
Es stellt sich heraus, das die Frau gerade 80 Jahre alt geworden ist und der Mann zwei Jahre davor steht. Unglaublich und nur damit zu erklären, das sie zum einen sicherlich auf ihren Körper geachtet haben, zum anderen aber wohl auch, weil das Leben an Bord deutlich fitter hält als ein Leben auf dem heimischen Sofa.
Da Skipper und Mannschaft bekanntlich zu der Sorte der sehr toleranten Seglern gehören, die auch mit netten Motorbootfahrern gut klar kommen, ergibt sich ein weiterer kleiner Steg-Schnack. Der Mann ist Bestens informiert und hat unser Boot bereits geGOOGLEt. Steht schon länger zu Verkauf?
Ja, ach, was man dazu sagen?
Nun, der Mann gibt ernsthaft zu bedenken, das es kein zweites Leben gebe und man, so lange man könne, sein Leben auf dem Wasser verbringen solle. Genau aus diesem Grund hätten sie nicht einfach ihre KOOPMANS verkauft und sich auf ihr Sofa zurück gezogen, sondern einen brandneuen Motorkreuzer gekauft. Einfacher in der Handhabung und wohl auch in Verdrängerfahrt mit 6 Knoten brauchbar.
Soweit, so sympathisch und der Skipper steht kurz davor, eine Einladung zum Sundowner auszusprechen. Heute oder Morgen?
Doch dann erfahren wir von staatlich gelenkten Medien, die den Auftrag haben eine massive Coronapanik zu schüren, damit die Mächtigen der Welt ihre perfiden Pläne leichter umsetzten können. Dazu gebe es sogar ein offizielles, aber geheimes Strategiepapier der Bundesregierung, das nun im Internet verfügbar sei. Ob wir das wohl schon gelesen hätten?
Äh, nö?
Es mag am Inhalt der kleinen zylindrischen Metallcontainer gelegen haben oder an der späten Stunde. Doch mit einem Male werden Mannschaft und Skipper etwas einsilbig, verzichten auf Gegenrede und sehen zu, das sie ihre sieben Sachen an Bord bekommen. So verabschiedet man sich freundlich und jeder geht seiner Wege.
Ist es nicht beängstigend, das gut gebildete, gut situierte, gut alt gewordene Menschen absurde Verschwörungstheorien folgen? Vermutlich weil es so schön einfach ist?

BALLEN ist ein Ort, an dem man viele Menschen treffen kann!
Zumindest einen noch.
Tags darauf. Wir kommen gerade von einem ausgiebigen Spaziergang zurück und setzten uns auf die gastlichen Stühle des Hafenimbisses, der sich geschickt zwischen Strand und Hafen platziert hat. Die große Kamera liegt auf dem Tisch, damit sie nicht im Dreck liegen muss. Die Mannschaft hat Kaffee und Bier besorgt und wir bemitleiden unsere Füße.
Es erscheint Jens. Hagerer Däne mit wenig Zähnen, bestimmt über 60 Jahre alt, leicht zerlumpt, ein wenig mehr nur, als es der Skipper zu sein pflegt. Sein Aufreißerspruch: Was das denn wohl für eine verdammt große Kamera sei? Doch in Wahrheit hat er es wohl nur auf die Mannschaft ab gesehen, wie sich wenig später heraus stellt.
Zunächst verschwindet Jens am Tresen, Cola und Hot Dog organisieren. Er setzt sich an den Nebentisch und es entspinnt sich ein kleiner Schnack in einer radebrechenden Mixtur aus Dänisch, Englisch und sogar ein wenig Deutsch.
Schon nach dem zweiten Schluck Cola kommt Jens darauf, das ich ja wohl eine sehr schöne Frau hätte. Er habe keine. Es gab mal eine, früher, aber die sei schon lange weg. Wir verstehen, das es aus dieser Zeit wohl eine Tochter (oder war es ein Sohn?) gibt und er vor kurzem Opa geworden sei. Aber die würden alle auf dem Festland leben, kein Kontakt. Er suche noch nach einer neuen Frau, alleine sein wäre nicht so schön. Doch auf der Insel sei das alles nicht so einfach. Wir finden nicht heraus, was „das alles“ wohl sein könnte. Denn kaum ist die Cola alle und der Hot Dog vertilgt, springt Jens mit einem Male auf, schnappt sich sein E-Bike und radelt los. Kein Tschüß, kein Auf Wiedersehen. Nix. Und wech.
Nun, die Idee mit dem Hot Dog war eine gute, die der Skipper nun nur zu gerne übernimmt. Kaum ist auch dieser Heiße Hund Geschichte verlassen wir unseren Rastplatz und pilgern zum Boot zurück. Mit einem Male sehen wir wieder Jens auf seinem E-Bike. Aber er uns nicht.
Sucht wohl immer noch am Hafen nach einer neuen Frau.
Ob das wohl der richtige Ort ist?
Peter.