SA2223: LAGUNA VERDE, ein anderes

Ein LAGUNA VERDE hatten wir ja schon auf Meereshöhe in der Nähe von VALPARAISO besucht.

Dieses LAGUNA VERDE hier liegt auch in CHILE, aber mitten in den ANDEN, 4.300 Meter über dem Meeresspiegel. Gar nicht so einfach da hin zu kommen. Denn so ein normales Stück Mensch ist ja nicht dafür gemacht, in große Höhen vorzudringen. Und so wie es die Seekrankheit auf dem Meer, mithin Null Höhenmeter, gibt, gibt es die Höhenkrankheit deren erste Symptome je nach Körper so um und bei 2.000 Höhenmeter anschlagen. Doch so ein normales Stück Mensch ist unglaublich anpassungsfähig.

Wie bei der Seekrankheit auch stumpft einfach alles ab, wenn man sich denn genügend Zeit lässt.

Nur manchmal wird es eng

Das ist in Zeiten, in denen man mit dem Auto 4.000 oder gar 5.000 Höhenmeter mühelos in wenigen Stunden erreichen kann aber leichter gesagt als getan.

Theoretisches Standardverfahren:
Von Meereshöhe auf maximal 2.500 Meter aufsteigen, ein paar Stunden dort verbringen und auf 2.000 Meter absteigen. Dort übernachten und am nächsten Tag auf 3.500 Meter aufsteigen, gleiches Muster, wieder etwas absteigen, dort schlafen und am dritten Tag wieder etwas höher.
Oder aber am zweiten Tag auf 4.500 Meter für ein paar Stunden und dann aber auf jeden Fall wieder unter 2.500 Meter absteigen und dort schlafen.

In der Praxis ist es viel einfacher:
Denn der Körper eines normalen Stück Mensch weiß sich zu wehren. Extreme Kurzatmigkeit, selbst in Ruhepostion. Nasenbluten. Heftige Kopfschmerzen. Alles Zeichen des eigenen Körpers, sich bitte unverzüglich an den Abstieg zu machen.

Geplantes Nachlager in den ANDEN auf 2.950 Höhenmetern

Nun, als wir über die RUTA DE DISERTIO, der C-31, den kleinen Parkplatz bei SAN ANDREAS auf 2.400 Metern Höhe erreichen geht es der Fahrerin sehr gut, der ehemalige Fahrer verspürt leichte aber noch durchaus erträgliche Kopfschmerzen in der linken Kopfhälfte. Es ist noch früh´ am Nachmittag und der einsame kleine Parkplatz lädt nicht wirklich zum Übernachten ein. Mal sehen, ob da noch was besseres kommt?

Bei 2.800 Metern verlassen wir die Straße und fahren nun vollends in die menschenleere Einöde. Hinter einem kleinen Hügel wollen wir das Nachtlager aufschlagen, mittlerweile allerdings auf 2.950 Höhenmetern. Einrichten, Essen, Trinken.

Die Kopfschmerzen des ehemaligen Fahrers werden immer heftiger.

Mal lang machen, hilft doch immer!

Bringt auch nichts. So langsam bekommt die rechte Gehirnhälfte des ehemaligen Fahrers kalte Füße. Die linke Gehirnhälfte ist damit beschäftigt, gegen die Schädeldecke zu schlagen und zu nichts zu gebrauchen.
Im dunklen kommen wir hier auf keinen Fall mehr weg. Der Fahrerin geht es weiterhin gut. Wie immer. Von wegen starkes Geschlecht und so. Auf Wunsch der rechten Gehirnhälfte des ehemaligen Fahrers wird das frisch errichtete Lager am frühen Abend wieder abgebrochen und es geht dreißig Kilometer zurück, talwärts. Das heftige Pochen in der linken Kopfhälfte des ehemaligen Fahrers lässt tatsächlich etwas nach, die rechte Kopfhälfte fühlt sich durch den Abstieg bestätigt.

Tatsächliches Nachtlager auf 2.100 Höhenmetern

Die Nacht auf dem zuvor verschmähten kleinen einsamen Parkplatz bei SAN ANDREAS verläuft sehr ruhig, denn niemand fährt diese Passstraße in der Dunkelheit. Selbst tagsüber hat man es hier vielleicht mit nur zwanzig PKW´s, zehn Reisebussen und dreißig LKW´s zu tun, die über den PASO SAN FRANCISCO (4.788 Höhenmeter) nach ARGENTINIEN wollen.

Der ehemalige Fahrer ist sich nicht mehr sicher, ob man wirklich am Plan LAGUNA VERDE, ANDEN, 4.300 Höhenmeter fest halten sollte?

Die Fahrerin möchte aber schon gerne da hin fahren. Sowieso. Sie fährt viel zu gerne.

Also los.

Genau hinsehen – wo fängt der Spiegel an?

Eine Art von Anpassung stellt der ehemalige Fahrer durchaus an sich fest. Die Kopfschmerzen kommen zwar wieder, langsam, aber heftiger werden sie erst, als wir kurzzeitig mal 4.600 Meter überqueren müssen. Da wir ja nur mal den See LAGUNA VERDE besuchen wollen und danach sofort wieder absteigen werden, wird das wohl klappen?

Gut neunzig Kilometer vor LAGUNA VERDE ist die chilenische Grenzstation. Denn direkt hinter dem See fängt ARGENTINIEN an. Wenn man nur zum See will, muss man nicht ausreisen, sondern sich nur bei der Polizei abmelden. Das machen wir natürlich, der Polizist fotografiert das Auto und unsere Pässe und will genau wissen, wann wir wieder kommen.

Die Fahrerin spult die vielen Kilometer auf durchschnittlich über 4.000 Höhenmetern gekonnt ab und dann sind wir gegen Mittag auf einmal da. Eigentlich zur falschen Tageszeit, denn Morgens und Abends soll der See aufgrund des Sonnenlichts und der vielen gelösten Mineralien im Seewasser besonders leuchten.
Es gibt in der Tat Menschen, die hier oben im Zelt übernachten. Aber das ist auf keinen Fall was für uns. Spätes Frühstück am See, ein paar durchaus gute Bilder im spiegelglatten See und dann auf gleichem Wege wieder zurück.

Denkt der ehemalige Fahrer.

Hier geht es runter, ganz weit runter

Vermutlich durch die körperliche Bewegung inklusive unsinniger Kopfbewegungen beim Herrichten des Frühstückplatzes zischt es auf einmal im Kopf des ehemaligen Fahrers und die Kopfschmerzen sind schlagartig weg. Klarer Fall von Druckausgleich in den zahlreichen Hohlräumen des Dickkopfes.

Derweil schaut die Fahrerin selbst mal auf die Landkarte und stellt fest, das man ab der Grenzstation einen anderen Weg in das Tal nehmen könnte. Ein Rundkurs durch die Anden! Das ist ja nun noch nicht direkt Meuterei, aber schon recht nahe daran, gell?

Und so fahren wir mit der C-13 eine Strecke, die der ehemalige Fahrer niemals genommen hätte. Um es vorweg zu nehmen: SPEKTAKULÄR!

Klarer Fall von Anfängerglück. Will die Fahrerin aber nicht glauben und besteht auf Instinkt.

Straßenbau am Abgund

Die RUTA C-13 könnte unterschiedlicher nicht sein. Anfangs sehr guter Asphalt, dann Schotter, Waschbrett, Schlaglochpiste, Sand. Echt anstrengend, aber grandios. Die wenigen in iOVERLANDER markierten Übernachtungsplätze funktionieren nicht mehr, weil die Straße immer mal verlegt wurde und die Zufahrten nicht mehr existieren. Gegen 1700 finden wir eine ebene Fläche gleich neben der Straße. Ehemaliger Bauplatz für die Straßenbaumaschinen oder so. Etwas öde hier, aber die Fahrerin kann auch nicht mehr. Kopfschmerzen. Kaum steht das Auto, legt sie sich hin.

Was soll denn das bitte schön?

Die Frau, die sonst nie was hat legt sich einfach so ins Bett?

Der ehemalige Fahrer will wissen, was los ist. Und eine Entscheidung. Wir können in weniger als fünfzig Kilometern auf unter 2.000 Höhenmeter kommen. Dann müssen wir aber los fahren.
Und weil kleine Frauen die sonst nie was haben so sind wie sie sind: Wegen mir nicht! Wir können ruhig hier bleiben.

Als nach dreißig Minuten auch noch leichtes Nasenbluten ins Spiel kommt, entscheidet, mal wieder, der ehemalige Fahrer: Abstieg, und zwar zack zack!

Da diese unfreiwillige Ergänzungsetappe als Sonderfahrt einzustufen ist, übernimmt der ehemalige Fahrer das Lenkrad und bringt sich selbstsüchtig so in den Genuss einer der spektakulärsten Abfahrten aller Zeiten! Während die reguläre Fahrerin auf dem Beihafersitz still leidet und sich zu allem Überfluss auch noch übergibt. Durchs Fenster, selbstverständlich. Danach geht es ihr etwas besser.

Bahnhof von MONTANDON

Der erhoffte Stellplatz am verlassenen Bahnhof von MONTANDON taugt erst auf den zweiten Blick. Vor gar nicht allzu langer Zeit muss hier eine größere Schlamm und Geröllwelle das Tal hinab gefegt sein. Doch der trockene Schlammboden ist tragfähig und so stellen wir uns zwar von der Straße aus sichtbar, aber doch gut davon entfernt an den klasse in der Abendsonne schimmernden verlassenen Bahnhof auf 2.200 Höhenmetern.

Der Fahrerin geht es noch etwas besser, aber Appetit hat sie leider nicht. Muss der ehemalige Fahrer also sehen, wo er bleibt. Fertig angerichteter Krautsalat vom Vortag ist noch da, Würstchen auf den Grill und den Inhalt kleine metallische Zylinder in den Rachen. Warum selber darben, wenn es doch nur der Fahrerin schlecht geht?

In der Abendsonne kommen noch ein paar LKW´s den Berg hinauf gekrochen und hupen freudig zum Gruß. Ansonsten gehört der Bahnhof, ach was, das ganze Tal uns! Einmal mehr spielt KNAUSi seine stärken in absoluter Wildniss aus, liefert wie nebenbei heißes Duschwasser und gemütliche Sitzplätze am Abend, eine neue Folge von KALK & WELK aus der ARD Audiothek.

Als schließlich kurz vor Sonnenuntergang die Fahrerin nach GRETEL Schokokeksen verlangt ist der ehemaliger Fahrer sehr gewiss:

Diese kleinen körperlichen Krisen sind überstanden!

Glück gehabt!

Peter.

P.S.: In der Tat haben wir das Thema Höhenkrankheit bisher viel zu locker gesehen. Die Tour nach LAGUNA VERDE und zurück hätten wir auf vier oder fünf Tage anlegen müssen. Dann hätte man wohl auch am See übernachten können. Verdient hätte er es. Und wir auch.

Hätte, Hätte, Fahrradkette.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert