Wir bleiben einen Tag länger in der DADES Schlucht und vorholen uns dann in die Nachbarschlucht, nach TODRA.
Völlig irre, der Tourismus in der TODRA Schlucht! In der DADES Schlucht schlicht nicht existent, ist hier entlang der Felsseite ein Verkaufsstand nach dem nächsten aufgereiht. Dazwischen viele Touristenjeeps mit weißen Gästen und landestypisch gekleideten Führern, hier und da ein kleiner Bus, weil man darin mehr Menschen je Fahrer unterbringen kann.
Wir durchfahren die TODRA Schlucht und stellen uns an deren Ende auf den Parkplatz zum Frühstücken. Neben der notwendigen mittäglichen Nahrungsaufnahme müssen wir uns mal wieder entscheiden:
Jetzt weiter in den HOHEN ATLAS fahren oder 6 Kilometer zurück auf einen als sehr gut eingestuften Campingplatz. Am Ende ist es mal wieder der, der den Zündschlüssel bewacht, der die Entscheidung fällen muss. Und das ist wohl auch das Besondere an dieser kleinen Reisegruppe. Nicht lange rumlabern und der kontroversen Meinung wegen das Wort ergreifen, sondern einfach mal machen.
Also zurück, in das CAMP ATLAS.
Der kleine Campingplatz als Ergänzung zu einem kleinen Hotel ist wirklich sehr gut. Qualitativ vielleicht sogar unser Bester bisher in MAROKKO. Aber eine solche Einordnung ist am Ende auch banal, denn die Umgebung, das Erlebte wiegt wohl viel schwerer als ein ordentliches Klo, oder?
Wir bleiben diesmal nicht alleine auf dem Platz. Am späten Nachmittag kommen junge Leute, die unsere Kinder hätten sein können. Und so verbringen wir endlich einmal (!) einen langen Abend in der milden Abendkühle von MAROKKO in guter Gesellschaft.
Zum einen ist es sicher ein unfassbares Privileg, nahezu alleine mit dem Wohnmobil 2022 in MAROKKO unterwegs zu sein. Nix ist überlaufen. Keiner ist genervt. Alle freuen sich, das wir Touris in unserer weißen Ware wieder da sind.
Doch zum anderen laufen wir Gefahr zu vereinsamen. Zu einem guten Camperleben gehört eben auch ein vernünftiger Schnack, ganz so wie Yachties vom Stegschnack zehren. Es ist wirklich (noch) kaum jemand unterwegs. Hoffentlich ändert sich das bald, denn den vielen Campingplätzen im Land sind viele gut zahlende Gäste zu wünschen. Wäre schlau, wenn die Campingplatzbetreiber sich auf mindestens 10 € die Nacht einschießen würden und nicht nicht teilweise weit darunter blieben. Nur wer hier Geld einnimmt, kann investieren.
Tags darauf also nochmal durch die TODRA Schlucht, aber ohne Pause direkt in den HOHEN ATLAS!
Und wie es so kommt:
Der TIZI ´N TEST verliert mal eben und einfach so seinen hart erarbeiteten Status als Beste Wegstrecke in MAROKKO 2022. Die heutige Tour, ausgehend von der TODRA Schlucht über AGOUDAL zum pulsierenden IMILCHIL mit dem Bergsee LAC DE TISLIT nach KASBA TADLA ist an Dramatik, an Schönheit, an spektakulären Aus- und Ansichten wohl nicht zu überbieten!
Dabei muss das Auto bis auf 2.700 Meter Höhe natürlich zur Höchstform auflaufen, doch auch der, der den Zündschlüssel bewacht bekommt Schwierigkeiten ob der Höhe. Kurzatmigkeit, viel schneller als sonst schon erschöpft. Der Beifahrerin geht die ungewohnte Höhe am Hintern vorbei. Mrs. Cool in Person.
Der Plan war ein guter, doch er ging nicht auf:
Auf der Hälfte des Weges, am LAC DE TISLIT wollten wir in der AUBERGE TISLITE übernachten, doch das Camp scheint aufgegeben worden zu sein. Alle Zufahrten mit Steinen versperrt, das Haus verrammelt, kein Mensch weit und breit zu sehen.
Das Problem: Von hier bis zum nächsten Übernachtungsplatz sind des 100 bzw. 160 Kilometer. Das hört sich lächerlich an, dauert aber locker drei bis vier Stunden. Und es ist schon 1400.
Also kurven wir noch mal in das verrückt pulsierende IMILCHIL zurück um einen Not-Übernachtunsplatz zu erkunden. Der Bestimmer des Tages, also der mit dem beknackt zu bewachendem Zündschlüssel, macht im Nachhinein betrachtet einen echten Fehler. Statt hier und jetzt einen überschaubaren Kompromiss bezüglich des Stellplatzes zu machen und wenigstens eine Stunde auf den Straßen im Herzen dieser sehr kleinen aber hyperaktiven Bergmetropole zu verbringen, entscheidet er sich für das Weiterfahren. Ein echter Fehler. Und jetzt schon ein Grund, noch mal nach MAROKKO zurück zu kommen!
Überhaupt diese Bergdörfer in MAROKKO oberhalb 2.000 Meter.
Nicht das die offenkundige Armut anziehend wirkt. Nein, es ist die Einfachheit, die Bescheidenheit und die trotzdem glücklichen Gesichter. Der vielen jungen Leute, der Alten, die uns zuwinken. Und natürlich auch der kleinen verrückten Jungs, die todesmutig mitten auf der Straße stehend versuchen uns zu stoppen um Geld zu erbetteln.
Während die Straße außerhalb der Ortschaften halbwegs OK sind, sind sie in den Orten katastrophal. Reine Schotterpisten mit tiefsten Schlaglöchern. Und eng! Verdammt, als Fahrer muss man wirklich aufpassen. Die GOPRO Kamera läuft immer mit und irgendwann wird es auch ein KNAUSi MAROKKO 2022 Video geben, das diese Straßendurchfahrten zeigt.
Doch was viel wichtiger ist, sind die bleibenden Eindrücke bei der kleinen Reisegruppe! Schon klar, hier oben, im HOCH ATLAS, wo MAROKKO zwar unglaublich spektakulär schön aber auch eben bettelarm ist, da sind keine Touristenjeeps. Keine Minibusse mit 20 weißen, die mehr Kohle in der Tasche haben als die Bewohner im ganzen Ort das ganze Jahr übersehen.
Es bleibt das ungelöste Problem:
Wie kann man bloß Tourismus vernünftig und nachhaltig organisieren? So, dass die Menschen vor Ort die Profiteure sind und niemand anders. Wir jedenfalls würden freiwillig eine Maut von 20 € für diese Strecke bezahlen, wenn wir wüssten, dass die Kohle bei den Menschen in den Dörfern entlang der Strecke ankommt.
So rollen wir durch deren Straßen, winken, verbreiten Abgase und Straßenstaub und wissen genau, wir können nicht allen Geld geben. Das wäre auch wohl völlig falsch: Dann würden wir alle zu Bettlern erziehen. Eher indirekt, eher eine Straßenmaut für gute Bildung, gute Infrastruktur und gegen Altersarmut. Wir sind sicher: Hier möchten wir nicht geboren sein, unseren Kindern und Enkeln wünschen wir das auch nicht.
Trotz der wohl einmaligen Berge, der betörenden grünen Plantagen und Gärten inmitten dieser grandiosen, durchaus nicht menschenleeren Ödnis.
Die nächste Übernachtungsmöglichkeit laut Törnführer entpuppt sich als Scherz.
Ein kleiner Parkplatz in einem stark besuchten Vergnügungspark. Hier kann man unmöglich übernachten. Also weiter zur nächst schlechten Station nach BENI MELLAL. Auf einem Hotelparkplatz. Es ist ebenso, dass es hier weit und breit nichts gibt. Merkwürdig, denn auf der Südseite des ATLAS gab es Übernachtunmöglichkeiten im 5 Kilometer Abstand.
Als wir endlich dort ankommen ist es kurz vor 1800 und der Fahrer ist nach bummelig 250 gefahrenen Kilometern völlig fertig. Doch bringt er noch die Energie auf, mit dem Parkwächter und der Hotelrezeption über den ursprünglich zugewiesenen Parkplatz zu verhandeln. Denn ein wenig, ein ganz klein wenig Privatsphäre möchten Camper auch haben. Bekommen wir auch, mit Ausnahme von 0000 bis 0400, da kommen westdeutsche Edelkarossen mit todschicken jungen Menschen, die die Disco des Hotels besuchen. OK, man wird mal kurz wach, aber am Ende ist das auch OK.
Nach so einem grandiosen Tag ist einfach alles OK!
Peter.