[Vorab: In Wirklichkeit sind wir schon vier Tage weiter und „unten in der Wüste“ bei MERZOUGA, wie man auf dem GPS Tracker sehen kann. Alles ist gut und wir gehen gleich auf Wüstentour mit Jeep und Camp für einen Tag&Nacht. Eigentlich ist gar keine Zeit für Blog schreiben – so viele neue, tolle Eindrücke. Kommt alles noch, hier schon mal der erste Tag der Anreise in die Wüste von MAROKKO]
Da ist er also, der lang erwartete Tag!
TARIFA:
Mit dem Wohnmobil per Fähre von TARIFA nach TANGER Vile. Über zwei Jahre waren sämtliche Fährverbindungen zwischen SPANIEN und MAROKKO für privat reisende ausgesetzt, doch seit heute, Montag den 18. April 2022 können alle Personen mit ihren Autos wieder reisen. Wie schön!
Die tatsächlich allererste Fähre ab TARFIA wäre allerdings schon um 0900 gegangen, das war uns dann doch zu früh´. Qualitätsreisende wie wir nun mal sind. Mit Einchecken und so. Hätte in Hektik ausarten können. Aber die um 1100, die war dann die unsere!
Im kleinen Hafen von TARIFA geht alles recht beschaulich zu. Viel Personal auf den Beinen, zwei Kamerateams vom lokalen Fernsehen. Nur beim Check-In wird der Impfpass und die von MAROKKO geforderte COVID-Erklärung geprüft, dann erhalten wir ohne Probleme die Bordkarten. Die spanische Polizei macht mittels Stichprobe eine Ausweiskontrolle und schon stehen wir mit unserem Wohnmobil in der Warteschlange im gesicherten Hafenbereich. Aber nur kurz. Denn der TARIFA JET ist fast fertig mit entladen und direkt im Anschluss werden wir verladen. Wie schnell das geht! OK, es sind ja auch keine LKW´s dabei. Genau betrachtet ist heute unser KNAUSi das größte aller Fahrzeuge!
Leinen los, eine Wende im Hafen, vor dem Hafenbecken noch kurz den Lotsen los werden (wofür der hier bloß gebraucht wird?) und dann mit angezogener Handbremse aufs Meer. Bis weit hinter die ISLA DE PALOMAS geht das so, erst dann wird auf der Brücke sachte der Hebel auf den Tisch gelegt und wir brausen mit 27 Knoten parallel zur marokkanischen Küste. 27 Knoten, das ist echt ein Ding. Es gibt Parallelen: Der TARIFA JET ist komplett aus Aluminium gebaut. Der STORMVOGEL auch, aber da waren 8 Knoten schon außergewöhnlich schnell. Einmal, zwischen den Inseln in INDONESIEN mit 12 Knoten dank der reißenden Strömung wurde es sogar unheimlich. Jetzt mehr als doppelt so schnell. Nichts ist unheimlich. Ganz entspannt, so scheint es.
Die marokkanische Grenzpolizei hat zwei Beamte in einem winzigen Schalter an Bord untergebracht. Da müssen nun alle Passagiere anstehen und faktisch bereits auf See einreisen. Zack, nach gut 35 Minuten der Warteschlange hat man den Einreisestempel im Reisepass.
Es geht erstaunlicherweise nicht auf direktem Kurs nach TANGER Vile. Erst als der Ort schon fast an Backbord querab liegt dreht unser unser Dampfer um 90° darauf zu. In voller Fahrt. Die wird erst heraus genommen, als wir kurz vor der Hafeneinfahrt sind.
Eine Wende über Steuerbord und langsam längsseits an die Pier. Hatte der Hafen von TARIFA noch eine sehr breite Heckpier auf der die beiden Laderampen des TARIFA JET zu liegen kamen, gibt es hier nur ein Ponton für eine Rampe. Durch Zufall sind wir die ersten, die das Schiff verlassen dürfen und somit auch die Ersten, die nach kurzer Fahrt durch den Hafen beim Zoll von TANGER Vile landen.
TANGER Vile:
Hier sind alle uniformiert und sehen sehr ernst aus. Klar, nach zwei Jahren ohne Reiseverkehr mag es Kollegen geben, die erst eingearbeitet werden müssen. Kurzer Blick in die Pässe, dann Fahrzeugpapiere und den Ausweis des Fahrers eingesammelt und weg gerbacht. Werden wir ja wohl wieder bekommen?
Während unsere Papiere auf Dienstreise gehen durchschnüffelt ein Drogenhund an der Leine eines Zollbeamten unser Auto und ein weiterer Beamter öffnet Türen und Schubladen. Sichtkontrolle im Wohnbereich. Den Kofferraum will keiner sehen. Ob wir Drohnen und/oder Pfefferspray dabei hätten? Nein, natürlich nicht. Denn beides ist ja in MAROKKO verboten.
Irgendwann kommt ein Beamter mit unseren Papieren zurück und gibt zu verstehen, das unser Auto ja gar nicht auf den Fahrer zugelassen sei. Wer ist denn der Halter? Na´ die Beifahrerin, natürlich! Also geht ihr Pass auch noch auf Reisen. Wir stehen noch mal dumm in der Gegend rum und beobachten das Treiben auf den anderen beiden Fahrzeugspuren. Mit einem Male tauchen unsere Papiere wieder auf und wir bekommen eine klitzekleine Karte, kleiner als eine Viristenkarte, auf der unsere Fahrzeugdaten vermerkt sind. Die mögen wir jetzt bitte immer mit uns führen. Aber jetzt sollen wir mal schleunigst die Spur frei machen und den Hafen verlassen! Zack, zack alle Türen zu und weg!
Wie erwartet befindet sich im Hafen von TANGER Vile keine Wechselstube und auch kein Laden von MAROC TELEKOM. Bargeld in Landeswährung und lokale SIM Karten fürs Handy besorgen ist nun oberstes Gebot vor der Weiterreise ins Land!
Doch der Journalist Stefan Ehlert des ARD Hörfunks, Studio RABAT steht mit seinem Mikrofon entlang des Weges und winkt uns zu sich. Die Beifahrerin nötigt den, der den Zündschlüssel bewacht zum Gespräch, obwohl der Journalist viel lieber eine Frauenstimme auf Band hätte.
Im freundlichen Plauderton wird der, der den Zündschlüssel bewacht vom Profi ausgefragt und später fein säuberlich die Namen und Herkunft notiert. Muss ja alles seine Ordnung haben. Als das Mikrofon aus ist erwähnt der, der den Zündschlüssel bewacht keck seine aufwendig in TARIFA über Wochen angelesene Lernkurve: Die Situation in MAROKKO sei doch der in RUSSLAND gar nicht so unähnlich. Modell: Reicher Machthaber erhebt mal eben Anspruch auf das Gebiet anderer.
Daraufhin dreht sich der Herr Journalist zur Seite und raunt, dazu sage er mal lieber gar nichts. Das mag an dem Mann neben ihm liegen, der die ganze Zeit völlig stumm und tatenlos da steht. Offenbar ein Beobachter Marokkos?
Nun denn. Wir fahren nun aber endgültig los und der, der den Zündschlüssel ärgert sich über zwei Dinge:
Wieso musste er so neunmalklug mit seiner Lernkurve angeben und wieso traut sich der von uns bezahlte Journalist nicht darüber zu reden? Wollte wohl nur eine kleine Happieness-Story über deutsche Touristen bringen?
Um hier schnell diese kleine Episode zum Abschluss zu bringen:
Der Beitrag wurde unter anderem auf NDR INFO am darauf folgenden Tag gebracht und unsere kleine Einreisegeschichte war nur der Aufhänger, um auf den Konflikt zwischen SPANIEN und MAROKKO bezüglich der WEST SAHARA ausführlich einzugehen. Seht gut gemacht, kompakt, verständlich. Alles wieder gut. Wenn uns mal wieder einer über angepasste Medien oder Mainstreammedien einen Vortrag halten will, dann halten wir mit dieser Episode dagegen. Klug und ohne Aufsehen zu erregen im Land recherchiert und dann die richtige Geschichte gebracht. Dafür zahlen wir gerne unsere öffentlich rechtlichen Rundfunkgebühren.
Die Jagd nach Wechselstube und SIM Karte verdrängt die komischen Gedanken von dem, der den Zündschlüssel bewacht, denn bekannter Maßen können männliche Zündschlüsselbewacher ja nur eine Sache zu Zeit. Geld in Hafennähe umgetauscht, der zu merkende Wechselkurs ist einfach: Bummelig 1:10. Für einen Euro bekommt man 10 Dirham.
Um an lokale SIM Karten für die Handys zu kommen (…und damit INTERNET und internationale Telefongespräche) brauchen wir einen MAROC TELECOM Laden und einer Parkmöglichkeit davor. Denn im Unterschied zu einem Segler, dessen Gefährt weit entfernt in einem Hafen vor sich hin dümpelt müssen Wohnmobilfahrer ihr Gefährt irgendwo sicher lassen, wollen sie shoppen.
Zu diesem Zweck noch in TARIFA per GOOGLE MAPS / GOOGLE EARTH einen MAROC TELECOM Laden gescoutet, vier Kilometer vom Hafen entfernt (GOOGLE MAPS PLUS CODE: Q655+65H). Die Autofahrt quer durch die Stadt dorthin ist schon mal eine Herausforderung. Wir kennen ja Verkehre aller Art, aber die arabische Methode des Autofahrens kommt uns doch sehr ungewohnt vor.
Wie erhofft können wir fast direkt vor dem Laden parken. Während die Beifahrerin eingeschlossen im Auto, ausnahmsweise mit Zündschlüssel eben jenes bewacht entert der, der im Normalfall diesen Zündschlüssel bewacht den Laden. Der ist so völlig anders als ein Telefonladen in Europa: Wachmann an der Tür, keine Geräte/Produkte in der Auslage sondern nur ein rechteckiger Tresen mit vier durch Plexiglas vom Kunden getrennte Arbeitsplätzen. Zwei davon sind mit kopftuchtragen Frauen besetzt. Es geht sofort los. Ob wir wohl Englisch sprechen könnten? Ja, „a little“.
Pures Understatement: Die junge Frau spricht zwar leise, aber perfektes englisch. So versteht sie schnell das Begehren des offenkundigen Touristen und verlangt neben dem Ausweis auch gleich die beiden zu versorgenden Telefone, damit sie diese direkt an Ort und Stelle einrichten kann.
Was nun folgt ist an Geschwindigkeit nicht zu überbieten, aber durchaus an Prozesseffizienz. Denn statt die SIM Karten per Computer entsprechend aufzuladen muss die arme Frau gefühlt eine Millionen Rubbelkarten auspacken, aufrubbeln und per Kurzwahlcode aufladen um das gewünschte Daten- und Telefonkontingent zu erreichen. Und obwohl ihre Finger rasend schnell über die Telefontastatur fliegen, vergeht doch fast eine halbe Stunde, bis alles erledigt ist. Bezahlen kann man nur mit Bargeld. Wie gut, das wir Reihenfolgen einhalten.
Diese beiden Links haben uns in der Vorbereitung geholfen: KASTENINBLAU (Wohnmobil) und LAGERTHA (Segelboot)
Zurück ins Auto. Es ist unglaublich heiß, 32°C Außentemperatur, laut und stickig. Aber die Beifahrerin im Auto hat überlebt und musste auch nicht umparken. Zum Glück öffnet sie die Türen und der Fahrer darf wieder einsteigen. Nun nur noch schnell und sicher aus der Stadt heraus, nach CHEFCHAOUEN, 120 Kilometer weiter im Süden!
Die Fahrt ist anstrengend, man muss doch ganz schön auf den Verkehr aufpassen. Also wenn hier unter diesen Bedigungen ein TESLA des Herrn Musk autonom ohne Unfall durch käme, dann könnte man wohl seinem Braten trauen. Aber so ist doch wohl reines Marketinggeschwafel.
CHEFCHAOUEN:
Das TOM TOM Navi macht einen guten Job, nur in CHEFCHAOUEN landen wir einmal auf einer Baustelle mit einer Piste von über 10% Steigung. Keine Chance, da durch zu kommen. Wende, nächste Straße und gut ist.
Doch wir stehen vor einem verschlossene Tor, als wir den Campingplatz erreichen. So ein Mist! Unsere Ankunft haben wir uns so schön ausgemalt. Am sehr frühen Nachmittag (denn MAROKKO ist während des RAMADAN zwei Stunden vor der spanischen Zeit) in der geschützten Umgebung eines Campingplatzes ankommen, sich einrichten und mal ganz langsam anfangen, das neue Land zu lernen.
Wir luschern über den Zaun, strolchen ein wenig herum und sehen keinen Menschen. Doch mit einem Male geht das Tor auf! Herzlich Willkommen! Woher? Aus TARIFA? Wie, fahren die Fähren denn wieder? Tourismusbeauftragter wird dieser Mensch wohl nicht werden.
Der Platz ist bis auf einen Allradpickup mit lokalem Nummernschild absolut leer. Und, ganz entsprechend der Beschreibung in PARK4NIGHT auch durchaus herunter gekommen. Das soll uns aber nicht stören, schließlich sind wir in unserem KNAUSi im wesentlichen autark.
Kurze Pause, Wanderschuhe an und ab in die Stadt. Der Weg dorthin soll nur 15 Minuten dauern! Was in der Beschreibung unerwähnt blieb ist der Umstand, das dabei geschätzt 5.500 Höhenmeter zu überwinden sind. Der Campingplatz liegt auf dem Berg, die Stadt im weiter unten, also geht es 15 Minuten auf einem sehr gut befestigten Weg mit Stufen steil bergab.
Die ersten Häuser die wir von der Stadt sehen sind alle blau. Ein sehr schönes blau, will man meinen. Auf den Straßen ist der Bär los. Ein Gewusel von Menschen und Autos. Hier sind keine Touristen und daher auch keine Touristenjäger.
Die hängen uns erst an den Hacken, als wir die kleinen Gassen der MEDINA durchstreifen. Logisch, denn da sehen wir doch einige der weißen Flugtouristen, die mit irgendwelchen Bussen hierher gebracht wurden. Muss man sich ja wirklich erst mal dran gewöhnen, an diese aufdringlichen Verkaufsgespräche. Doch nicht jeder, der uns anspricht will verkaufen. Auf dem Marktstraßen abseits der Medina sprechen uns zwei ältere Herren an, die einfach nur wissen wollen, woher & wohin. Durch ein Kauderwelsch von Deutsch und Englisch gelingt ein echtes Gespräch.
Später, auf dem Rückweg zum Campingplatz auf dem hohen Berg brauchen wir oft eine Pause und ruhen aus. Da kommt noch ein Mann vorbei und redet freundlich mit uns. Bloß über was bleibt offen – wir verstehen wirklich nichts. War aber auch nett.
Vom Markt in CHEFCHAOUEN haben wir uns ein Monstersteak, handgepulte Erbsen und ein Fladenbrot mit gebracht. Wir sind sicher: RAMANDAN trifft nur die Gläubigen und niemand stört sich daran, wenn wir doofen weißen Touristen auf dem Campingplatz weit vor Sonnenuntergang unser Abendbrot kochen….
Was für ein erster Tag!
Vielleicht sollten wir die drei nutzlosen Wochen des Ab- & Durchhängens in TARIFA als Ozeanüberquerung verstehen?
Denn jetzt sind wir tatsächlich bereit für ein neues Land, für neue Menschen und neue Erlebnisse!
Peter.