Wie immer.
Wenn man einen Plan hat, ist alles gut.
Wenn man einen Plan hat, fühlt man sich gut.
Wenn man einen Plan hat, gibt der Orientierung, auch wenn man sich nicht daran hält.
Wer keinen Plan hat, droht im Chaos zu versinken. Der droht die Orientierung zu verlieren. Der droht (mindestens) sinnlos Diesel zu verschwenden.
Das geht ja wohl gar nicht!
Nun, wir haben, wie eigentlich immer, einen Plan:

Die Fähre von TARIFA nach TANGER geht am Montag, den 18. April 2022 um 1100. Jetzt, wo dieser Meilenstein fest steht, können wir doch mal eben ohne Probleme 400 Kilometer nach Osten brettern und auf dem Weg da hin noch mal kurz bei der Familie in TOROX Station machen. Weil es so schön war. Und immer schön sein wird.
Das eigentliche Ziel ist allerdings TABERNAS, in der spanischen Wüste DESIERTO DE TABERNAS, PARAJE NATURAL SIERRA ALHAMILLA gelegen. Filmkulisse für unzählige Western und Kriegsfilme. Aber Wüste zählt mehr als Movie Location.

Und um noch genauer zu sein, ist das Ziel ein Camperstop mit dem deutschen Namen „DAS TOR ZUR WÜSTE„. Logisch: Wenn ein Ort mitten in der spanischen Wildniss einen deutschen Namen trägt, dann sind die Besitzer wohl auch zumindest der deutschen Sprache mächtig. Vielleicht sind sie sogar deutsche? Nun, laut PARK4NIGHT wird um Voranmeldung gebeten, also mal eben zwei Tage vorher eine kurze eMail geschickt. In Englisch. Bloß nicht von deutschen Attitüden blenden lassen. Ob denn da wohl Platz für uns sei? Ja, gerne, kommt schnell die Antwort auf deutsch. Das wäre dann ja schon mal geklärt.

Die Mittelmeer-Küstenautobahn A7 schlängelt sich mit vielen Brücken und Tunneln durch das spanische Hinterland. Eine wahre Freude zu fahren! Leider fehlen vollständig Rastplätze oder gar Aussichtspunkte entlang der Strecke. Das legt die Vermutung nahe, das Touristen nicht der wahre Grund für den Bau dieser Autobahn gewesen sein werden. Aber immerhin, so stellen wir fest, ist man nicht auf die idiotische Idee gekommen und hat die kleine zweispurige Küstenstraße einfach ausgebaut. Die gibt es auch noch und wenn man mal was für eine Pause sucht, fährt man von der Autobahn ab und kurvt ein paar Kilometer direkt am Mittelmeer. Da findet sich immer ein schöner Rastplatz.

Von ALMERIA aus dann geradewegs nach Norden in die Berge. Nur 30, 40 Kilometer und man ist in einer anderen Welt.
Das „TOR ZUR WÜSTE“ ist ein echtes Bushcamp inmitten der steinigen Wüste und aufgegebenen Olivenbaumplantagen. Platz für vielleicht 6 oder 8 Autos, großzügige Stellplätze, Strom, für den, der ihn braucht und eine rustikale Dusche, Klo und Geschirrspülbecken. Genau eines von jedem. Für alle. Ganz so, wie wir solche Plätze von ganz anderen Orten der Welt kennen. Bestimmt gar nicht so einfach, Wasser und Strom an solch entlegene Orte zu bekommen. Gar nicht so einfach, Abwasser und Fäkalien an solch abgelegen Orten fachgerecht zu entsorgen.
Wer so was für schnöde Touristen anbietet, der muss schon ganz schön viel Liebe für sein Schaffen aufbringen. Sein Geld kann man mit Sicherheit leichter verdienen.

Bereits unmittelbar nach Ankunft fühlen wir uns, was wirklich nur sehr selten passiert, sehr wohl an diesem ausgezeichnet entlegenen Ort. Am späten Nachmittag erkunden wir zu Fuß die nähere Umgebung und freuen uns schon auf den großen Ausflug am nächsten Tag. Zu Fuß nach TABERNAS. An der Straße wären das knapp 4 Kilometer, doch der Besitzer erklärt uns in einfachen Worten einen viel spannenderen Weg:

„Ihr verlasst den Platz gleich hinten unter dem alten Aquadukt hindurch. Dann lauft ihr quer durch die Wüste parallel zu der großen Bergkette, die in Richtung TABERNAS liegt. Irgendwann, nach einen Kilometer oder so kommt ein Feldweg. Den überquert ihr und geht in gleicher Richtung weiter. Als nächstes seht ihr einen großen namenlosen Canyon und seht zu, das ihr da ohne euch die Knochen zu brechen runter kommt. Wenn das geklappt hat dreht ihr links und lauft einfach den Canyon weiter herunter direkt auf die Bergkette direkt. Zum Schluss müsst ihr nur noch durch einen der drei kleinen Tunnel die Landstraße N340a queren und dann seid ihr schon in TABERNAS.“
Das hört sich doch selbst für Navigationssystem hörige machbar an!

Also brechen wir frohen Mutes gegen 1000 auf und stapfen durch die Wüste. Natürlich sehr ungewohnt, so ganz ohne Weg, so ganz ohne Trampelpfad. Der Boden besteht aus Erde, durchsetzt mit Milliarden von kleinen Steinen, spärlich bewachsen mit Bodengewächsen unbekannter Bauart. Wir kommen gut voran, müssen aber schon auch mal schauen, wo wir hin treten. Denn manchmal gibt es Löcher oder Überreste einer Oberirdischen Wasserleitung längst vergangener Tage.

Später als erwartet treffen wir auf den angekündigten Feldweg, kurz darauf auf den Canyon und stellen fest: Ach nö, die steile Böschung kraxeln wir lieber nicht runter! Sind ja schließlich keine erfahrene Bergziegen. Und auch keine Bergziegen in der Ausbildung.
Es wird doch hier sicher irgendwo wohl auch den Luxus-Abstieg geben? Wir folgen einfach dem Feldweg Richtung Bergkette und finden tatsächlich eine Abzweigung, die uns sicher hinunter führt.
Eine wirklich grandiose Kulisse!
Vielleicht einmal mehr, weil man so was einfach nicht vermutet. Erst wenn man davor steht, erkennt man die Felsformationen, Schluchten und Abgründe.

Einige gute Bilder gelingen, doch ist das Tageslicht nicht nach Geschmack des fotografierenden Wandermannes. Fast eine geschlossene Wolkendecke, nur selten dringen ein paar Sonnenstrahlen bis zur Erde vor und tauchen die Felsen in ein satt strahlendes goldgelbes Licht. Klarer Fall von: Man kann nicht alles haben.
Der Canyon zieht sich deutlich länger als erwartet hin und neben den Füßen beginnt sich der Magen zu melden. So ganz ohne Proviant ist so eine Tour wohl auch nicht besonders schlau?
Der Ort TABERNAS ist sicher kein Ort, zu dem man pilgern muss. Modell Provinznest. Allerdings gibt es hier und da auch was zu Essen und somit entkommen wir nach Erreichen des Orts knapp dem Hungertot.

Nach einer ausgiebigen Stärkung machen wir uns auf einen etwas kürzen Rückweg, abseits der Straße, in einem alten Flußbett. Wie immer mit Anlaufschwierigkeiten, dachten doch die geschundenen Knochen während der Pause, sie könnten sich den Rest des Tages erholen.
Am Abend schmeißt der Platzwirt den Grill an. Zusammen mit den anderen Gästen verbringen wir einen außerordentlich schönen Abend. Sicher liegt das auch am Platzwirt, denn sein bisher unveröffentlichtes Bühnenprogramm „Aus dem Leben eines Platzwirtes“ enthält durchaus den ein oder anderen aktiven Schenkelklopfer. Natürlich hofft ein jeder der lauschenden Gäste, später nicht auch einmal als Anekdote im niemals zu veröffentlichenden Programm zu landen.
Der nächste Tag ist vordergründig dem Ausruhen vorbehalten, doch auch die weitere MAROKKO Planung muss voran getrieben werden. Schließlich benötigt man ja in diesen Zeiten durchaus eine gute Internetverbindung für die Erstellung eines guten Plans.
Da ist er ja endlich wieder, der Plan!
Peter.
P.S.:
Nur, um abzukürzen: Nach drei Tagen auf dem wohl bemerkenswertesten Stellplatz auf unser bisherigen Reise sind wir am Samstag zurück nach TARIFA gefahren. Einkaufen, tanken, spanische Gasflasche tauschen und vor allem alle Klamotten, die wir mit uns führen einmal waschen. Das sind so die Deals, die man machen muss, wenn man der ist, der den Zündschlüssel bewacht.
Zugegeben, 800 Straßenkilometer für den TABERNAS Ausflug waren eine Menge, aber es hat sich wirklich gelohnt und auf dem Rückweg im Mai hätte das zeitlich nicht mehr gepasst.
Alles ist gut so wie es ist.
Wer kann das schon von sich sagen?