Dieses Geheule der Masten im Wind in einen Yachthafen geht einem irgendwann unglaublich auf den Keks. Wer das verneint, muss taub sein. Oder permanent betrunken. Oder unglaublich abgestumpft.
Die Wettervorhersage verspricht einen leichten Wechsel von Nord-West (NW) auf West (W) bei abnehmenden Wind, aber ob das wirklich so kommt? Daher laufen wir aus und gehen unter Maschine außerhalb des Fahrwassers gut 10 Seemeilen nach Nordwest zum Ausgang des Öresunds. Erst hier setzten wir Segel, Vollzeug, und stellen den Brüllaffen im Keller ab. Am Wind, gemäßigt, direkter Kurs. Läuft gut, aber noch jede Menge Meilen vor uns. 40 oder so?
Die Mannschaft macht Frühstück. Das hat sich so in den letzten Wochen eingependelt. Nach dem Aufstehen einen Kaffee, das Ablegemanöver besprechen, die Navigation klar machen und natürlich das Deck Seeklar. Dann ein Blick in den Maschinenraum. Rational völlig überflüssig, dieser tägliche Blick nach dem Brüllaffen. Der kann da ja nicht weg. Aber diesen Kuddel, diese Umarmung, diese Anerkenntnis von täglichen Respekt über die Leistung, die der Brüllaffe in völliger Dunkelheit und Einsamkeit da erbringen muss, hilft. Maschinen wollen geliebt werden. Dann funktionieren sie. Ignoriert man sie, sind sie beleidigt und verweigern ihren Dienst. Meist ohne Ankündigung. Woher ich solche Weisheiten habe? Von Robbie, den australischen Motorbootfahrer und wohl Besten Maschinenflüsterer weltweit (Entschuldige Wolfgang!). Auch nach vielen Jahren halte ich seine Ratschläge in Ehren. Und folge ihnen unbedingt, ohne Zweifel.
Nun, wir segeln also so dahin, irgendwann wird es dem Skipper langweilig. Der Mannschaft wird nie langweilig. Wir haben ca. 1.000 Bücher (mehr oder weniger) an Bord und nach getaner Versorgungsarbeit wird gelesen, was das Zeug hält. Der Skipper bildet sich ein, das Boot fahren zu müssen. Schiffsverkehr, Segeltrimm, Navigation. Da kommt keine Lust nach Buch auf. Aber Musik. Musik geht immer!
Bald haben wir den Radarturm von Anholt am Horizont, dann schält sich langsam der kleine Westhügel vom Horizont, man erkennt ganz im Osten den dortigen Leuchtturm. Nach gut 4 Stunden überholen wir endlich eine 11 Meter Yacht, an der wir ewig dran sind. Segelt verdammt gut, das Teil. Andere Boote kommen in Sicht, die meisten aus Richtung Grena. Die Mannschaft wird unruhig. Bekommen wir noch einen Platz in dem in der Regel im Sommer übervollen Hafen? Der Skipper ist sicher: Klar, irgendwas geht immer.
Nun, wir tricksen. Wir umfahren nicht die weiträumigen Flachs, wir gehen mit direktem Zielkurs auf die Hafeneinfahrt darüber. Als wir das Groß bergen sehen wir mal kurz 2,60 Meter auf dem Lot. Na ja, das ist wirklich wenig. Aber unter uns. Stehen könnte man immer noch nicht. Alle anderen gehen weit umzu und so laufen wir alleine in den Hafen ein. Sieht nicht wirklich voll aus. Die Mannschaft ist erleichtert.
Der Skipper auch, hat man doch mittlerweile Schilder angebracht, welche Bootslänge wo hin soll. Da, wo wir hin sollen ist Platz, eine Heckboje schwimmt da auch noch rum und los gehts. Wie immer bisher, mit dem Heck an Land. So wird die Heckboje zur Bugboje. Das Manöver klappt exzellent und in einer Art Großzügigkeit lasse ich den herbei geeilten Helfer die Luv-Heckleine um den Poller legen. Hätte ich auch selbst hin bekommen. Aber, na ja. Bei allem Vorsatz zum selber können muss man ja die Helfer nicht vor dem Kopf stoßen.
Wir sind fest und das erste Anlegerbier ist schon im Hals, da kommt eine 55 Fuß Halberg Rassy aus Norwegen. Auch zwei Personen an Bord. Sondiert die Lage, will neben uns. Viel Platz und gleich noch zwei Bojen frei. Doch schon beim ersten Anlauf wird klar, das die beiden neu im Geschäft sind. Der Skipper peilt zwar eine Boje an, seine Mannschaft soll den Riesendampfer mit dem Bootshaken dran fest halten. Nun, wer außer dem unheimlichen Hulk hält schon geschätzet 25 Tonnen mit der Hand fest? Im zweiten Anlauf werden mehrere male die Bojen überfahren und ich rufe den Norweger, hoch oben über allem sitzend und nichts ahnenden, an und teile ihm meine Sorge um seinen Propeller mit. Er gibt zu verstehen, das er dieses Mooringsystem nicht kenne und ich rufe zurück: Kein Problem: Platz genug, Zeit genug, kann nix passieren.
Anlauf drei und vier misslingen auch. Kommt ein Dingi vorbei, fädelt die Leinen in die Bojen ein und spielt auch noch Bugsierschlepper, um den Dampfer in Position zu halten. Die Heckleinen gehen an Land und eigentlich ist alles klar. Doch dann fällt dem Skipper auf, das sie so nicht an Land kommen können: In den riesigen Davits am Heck hängt ein riesiges Dingi, voll Wasser gelaufen im übrigen. Also helfen wir auch noch beim zu Wasser lassen des Dingis und nun endlich ist auch dieser Supertanker fest.
Der Norweger berichtet, er sei früh´ am Morgen aus Kopenhagen aufgebrochen und habe uns lange auf AIS verfolgt. Wollte uns überholen, hätte es wohl auch fast geschafft, wenn er über die Flachs hätte gehen können. Kopenhagen – Anholt in one go. Not bad, not bad!
Und weil wir Deutschen ja so gerne in Misserfolgen baden, Dinge schlechter machen als sie eigentlich sind, endlos klagen auf dem höchsten aller Nivaus bespreche ich in aller Ruhe mit meiner Mannschaft, was aus meiner Sicht bei dem Norweger alles schief gegangen ist und weise eindringlich darauf hin, das meine Mannschaft im ersten Anlauf die Leine selbst an die Boje bekommen hat und wir völlig ohne Probleme, 30 Minuten zuvor, das Boot fest bekommen haben. Wir können das. Wenn wir uns konzentrieren, mitdenken und aufpassen.
Der Abend ist malerisch schön, jedenfalls wenn der Wind auf der Hafenmeile ein wenig von den Gebäuden abgedeckt wird.
Der folgende Tag besteht aus Schrauben, Schrauben und nochmals Schrauben. Kann man im aktuellen Lagebericht nachlesen. Ferner bietet die Außenwelt Starkwind, Regenschauer und Nieselregen. Erst am frühen Abend klart es etwas auf, die Schrauberei hat ein Ende und flanieren wieder am Fähranleger. Schon schön hier, auch wenn es sich schwer nach Herbst anfühlt.
Die Vorhersage für den folgenden Tag verspricht optimalen Wind für den Schlag nach Laesö. Wieder viel Wind, aber was soll das?
Es ist in Wirklichkeit doch so: Der viele Wind macht dem Stormvogel nichts aus. Entsprechend gerefft und getrimmt läuft er beruhigend stabil. Nur die Hafenmanöver in den engen Boxengassen und Fahrwassern machen bei viel Wind Streß.
Aber da kann das Boot nix dafür.
Das gehört ja auch nicht hier hin.
Peter.
P.S.: Keine Bilder. War irgendwie nix mit fotografieren. Noch nicht mal ein Liegeplatzbild. Wie doof. Entschuldigung.