Lohals, Tag 11 um und bei

Lohals.

Ganz im Nordosten von LANGELAND. Eigentlich ganz nah´, doch weiter weg von allem geht im zentralen Nordeuropa wohl kaum.

Insellage.

Zufall. Lag irgendwie mal wieder auf dem Weg. Mal wieder, weil wir im fantastischen Segelsommer 2005 mit unserem ersten Boot Hägar („…das schreckliche“) und den Jungs schon mal hier waren. Ganz schön beschaulich. Die Ansteuerung nicht. Die betonnte Passage führt durch Untiefen von 40 cm Wasser. Bei Niedrigwasser auch weniger. Scarry, aber problemlos machbar.

Eigentlich wollten wir gar nicht los. Oder besser: Der Skipper wollte nicht los. Wettervorhersage: Zunächst kaum Wind, hier und da mal Regen. Doch die Mannschaft meinte so gegen 10:00 Uhr, also weit jenseits einer normalen Startzeit, warum noch länger in SONDERBURG bleiben? Selbst wenn wir Anfangs motoren müssten, weil Wind erst später am Tag einsetzten sollte:

Warum nicht los?
Ja, warum eigentlich nicht?

Mal kurz den Dampfer Seeklar gemacht und los. Erstaunlich: Segelwind ohne Ende, direkt am Anfang. Angenehm zu ertragen im dicken Rollkragenpullover der Marke RYMHART. Der wolkenverhangene Himmel erschreckt uns nicht: Vollzeug, von Anfang an!

Der STORMVOGEL schießt bei gutem Halbwind nur so durch das Wasser, 7, 8 Knoten Fahrt erfreuen Skipper und Mannschaft. Wenn bloß nicht so viel Schiffsverkehr auf der Flensburger Förde wäre. Müssen wir hier doch tatsächlich Ausschau gehen? Watn Schiet! Wer hat jetzt noch mal genau Vorfahrt?

Endlich offene See. Jetzt fast alleine. Die vielen dunklen Wolken bringen Wind, viel Wind. In Böen auch noch mehr. Aber keine Welle. Und vor allem keinen Regen!

Nach ein paar Stunden erreichen wir das Fahrwasser von MARSTAL. Kennen wir schon. Selbst in diesem Jahr vor kurzem schon einmal befahren. Allerdings unter Maschine.

Aber diesmal nicht. Diesmal unter Vollzeug den Ansteuerungskanal hochgebrettert, den verführerisch leeren Hafen an Backbord liegen lassend, die kurze Leeabschattung der großen Halle elegant mit Restfahrt passiert und dann weiter Ost im Fahrwasser an der Nordwest Seite von Langeland. Wenig Boote unterwegs. Wetter? Corona?

Etikettenschwindel. Nix Lohals. Rudköbing mit Bus.

Die Brückenpassage von RUDKÖBING wie immer tricky, aber auch hier unter Vollzeug. Wind und Strom sind mit uns. Glück wohl auch. Ein mitlaufender kleiner Dampfer macht freiwillig platz Platz damit wir einem Entgengenkommer unter Maschine im engen Fahrwasser ausweichen können. Wie freundlich!

Dann endlich wieder offenes Wasser zwischen FÜNEN und LANGELAND. Starker achterlicher Wind. Das seit langem wieder erstmalige setzten des Spinackerbaums dauert ungewöhnlich lange und muss zweimal erfolgen. Die Mannschaft weist weise lächelnd den Skipper darauf hin, das er vergessen hat, die Yankeeschoot in den Baum einzuscheeren. Wat? Kann ja wohl nicht wahr sein! So ein Schiet. Nochmal den Baum reinkurbeln, Schoot rein und wieder raus! Wie gut das bei dieser praktischen Übung keine Welle läuft und wir alle Zeit der Welt dafür haben.

Yachthafgenprommenande

Der STORMVOGEL fliegt nach Norden, eine wahre Freude. Jetzt, nach mehr als acht Stunden erreicht uns doch noch ganz leichter Nieselregen, die Regenklamotten bleiben trotzdem unter Deck. Zu wenig von oben und wir sind sowieso fast da.

An der Ansteuerungstonne bergen wir die Segel. Wir könnten bei dem Wind die knapp zwei Meilen der Passage auch durchsegeln, wollen aber unser Glück nicht unnötig herausfordern. Und die Mannschaft besteht seit geraumer Zeit auf immer mehr Vorlauf zum Klarmachen des Dampfers zum Einlaufen.

Wir gehen in den nördlichen alten Fischereihafen. Dort sollen die Liegeplätze größer sein als im jüngeren Yachthafen. Unser Dampfer ist einfach zu groß für die Ostsee. Verdammt eng, als wir durch den kurzen Kanal das innere Becken erreichen. Windig ist es ja sowieso. Zwei Yachties zeigen auf eine Ecke und meinen, da sei noch eine Box frei. Das Glück ist mit dem Mutigen, das Bugstrahlruder mit dem Skipper und so gelingt es auf Anhieb den Dampfer rückwärts in die Box zu bringen. Die Mannschaft ist ob des Knieschonendes Manövers zufrieden, der Skipper auch.

„Neuer“ Yachthafen Lohals

Mittlerweile ist es kurz nach halb acht. Das Anlegerbier ist schneller offen, als der Regen einsetzten kann, da ertönt Gitarrenmusik über den kleinen Hafenplatz.

Musik. Neben Sex und Drugs ist Rock’n Roll ganz klar das Ding des Skippers. Schon immer.

Etwas ermattet ob des langen Segeltages pilgern Skipper und Mannschaft über den leeren Platz, ca. 50 Schritte zum Atrium des Hafenhaus zu LOHALS als Quelle der akustischen Überraschung.

„Fischereihafen“ Lohals

Da steht ein einsamer Musiker.

Akustische Gitarre am Verstärker, Mikrofon. Kein Publikum.

Der in der Zwischenzeit einsetzende Nieselregen, die späte Stunde, der Wind, Corona. Alles keine ernsthafte Ausrede, diesem Herren älteren Semesters nicht in körperlicher Präsenz zu lauschen!

Da steht er also nun. Allein auf weiter Flur.

Kurzes, sogar sehr kurzes graues Haar. Brille, natürlich.

Cooles schwarzes Hemd, leger über der Hose getragen. Die Blue Jeans hat wohl auch schon mal bessere Tage gesehen, doch anstatt an den Vorderseiten der Knien aufgeschubbert zu sein, sind Schadstellen ganz klar an den Seiten eben jener Kniegelenke zu erkennen. Also entweder der Mann hat ganz abstruse Gymnastikübungen in Blue Jeans auf Lager, oder die Fabrik in Indien hat beim künstlichen Voraltern der Hose irgendwie Murks gemacht.

Der eigentliche Hingucker sind aber die Schuhe. Oder besser: Die Sandalen. Irgendwelche Keans Immitate. Oder doch original? Man müsste näher ran um das zu erkennen. Klettverschlüsse überall. Immerhin mit ohne Socken.

Barfuß in den Sandeln steckende im Rythmus der Musik wippenden nackte Füße eines älteren Mannes.

Worauf man so alles achtet? Jetzt bloß nicht zum Fußfetischesten werden!

Er steht im Atrium, wir sitzen Corona Respekt zollend draußen und trinken Bier vom Faß aus schnöden Plastikbechern. Ein paar Menschen kommen noch dazu. Wirklich nur ein paar. Wie schade für den Künstler! Doch wer hier am Ende der Welt auftritt, der weiß wohl worauf er sich einlässt. Hoffentlich, sonst wird er sich wohl in den den Schlaf weinen müssen.

Tags darauf, wir hängen wegen viel zu viel Wind und Regen weiter in Lohals fest, gastiert sogar eine richtige Band im Atrium des Hafenhauses.

Eintritt schon wieder frei. Trinkt Bier und die Musiker können bezahlt werden! Oh, da können wir helfen. Und wie!

Die Band in klassischer Besetzung. Gitarre und Gesang, Schlagzeug, Bass und eine weitere Gitarre. Der Typ an Mikrofon ist OK, aber seine Stimme ist doch recht dünn. Da konnte der gestern besser singen. Aber der hatte keine Band. Der am kleinen Schlagzeug werkelnde Kerl wirkt irgendwie abgedreht. Scheinbar völlig mühelos hat er sein Instrument im Griff, doch sein sehr oft verklärter Blick auf den Sänger lassen tiefste Dänische Niederungen männlicher Beziehungen erahnen. Vorurteile?
Die Dame am Bass zupft zunehmend souverän an den Saiten ihres Instruments und liefert wo nötig die zweite Stimme. Inmitten der durchaus grau mellierten Herren gehobenen Alters ist die nordische Blondine durchaus sehenswert. Jedenfalls für einfältige, männliche deutsche Skipper.
Jedoch, und das ist schwer zuzugeben, der Typ des Abends ist einmal mehr der Gitarrist. Ganz rechts stehend scheinen ihm Anfangs noch kalte Hände Schwierigkeiten zu bereiten. Doch der Abend wird lang und der nach nettem Onkel aussehende Typ hat es schlicht faustdick hinter den Ohren. Etwas zu laut abgemischt, des Sängers Stimme geht manchmal unter. Wirklich cool, wirklich gut. Leicht verschmitzt, wenn er ein Solo gut hin bekommen hat, danach immer auf den Herrn Sänger blickend, ob er wohl zufrieden sei? Elvis, Beatles, irgendwas rockiges dänisches. Gute Laune. Summer of 69, mit ordentlich Schwung.

Es ist ja wohl so:
Wenn man ohne jede Erwartung an einem toten Ende der Welt fest macht und dann zwei Nächte in Folge tolle Live Musik geboten bekommt, dann kann man mal durchaus zufrieden sein. Hochzufrieden sogar.

Da spielt es keine Rolle, das Böen von 39 Knoten durch den Hafen brettern!

Da spielt es keine Rolle, das der Mief im Boot dem eines U-Bootes gleicht, weil es bei dem Regen schlicht unmöglich ist, zu lüften, ohne zu fluten!

Da spielt es keine Rolle, das man am Ende der Welt fest hängt, auch wenn am Sonntag keine Musik erklingt!

Peter.

P.S.: Die machen noch den ganzen Juli am Wochenende Musik im Hafen von Lohals. Kannst Du gucken hier.

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