TREN A LA NUBES steht für „Zug in den Wolken“.
Mit diesem poetischen Namen wird darauf angespielt, das es einen Zug gibt, der sehr, sehr hoch in den Bergen fährt. Sozusagen in den Wolken. Wenn es denn eine Wetterlage in den ANDEN gibt, die in über 4.000 Metern ernsthaft für Wolken sorgt. Das wäre allerdings ganz schön doof, denn dann könnte man ja auf der Zugfahrt in den Wolken gar nichts sehen!
Früher einmal ist dieser Touristenzug tatsächlich vom Bahnhof in SALTA abgefahren. Doch dann gab es einen Unfall, der damalige Betreiber verlor seine Betriebserlaubnis und der neue Betreiber hat sich ein anderes Konzept überlegt:

Mit Reisebussen werden die Fahrgäste vom Bahnhof in SALTA zum Bergbahnhof in SAN ANTONIO DE LOS COBRES gebracht. Einhundertsiebzig Kilometer bergauf. Dort wartet dann der abfahrbereite TREN A LA NUBES, die Fahrgäste steigen um und fahren gute elf Bahnkilometer bis zum Reisehöhepunkt (wie passend!): Eine genietete Stahlbrücke, 4.270 Meter über dem Meeresspiegel mit den hübschen Namen VIADUCTO LA POLVORILLA.
Nun liegt SALTA nur auf knapp 1.200 Höhenmetern und so ein schneller Aufstieg in große Höhen kann durchaus auf die Gesundheit der Reisenden schlagen. Keine Theorie, das hat die kleine Reisegruppe in eigener Anschauung gelernt. Das weiß selbstverständlich auch der Reiseveranstalter und daher wird dieser lange Tagesausflug wie eine Expedition organisiert:
Fünf Reisebusse nehmen Morgens um 0630 die Gäste in SALTA in Empfang, diese sowieso schon lange Buskolonne wird ergänzt um einen PickUp Truck an der Spitze und und einem am Ende. Ferner fährt ein normaler Krankenwagen mit. So gesichert nimmt die nun aus acht Fahrzeugen bestehende Karawane über die eigentlich asphaltierte RUTA 51 ihren Weg in die Berge. An selbst gezählten zehn Stellen ist die Fahrbahndecke durch Erdrutsche weggeschwemmt und die Busse kriechen über eine notdürftig hergestellte Piste.
Dadurch, das die ganze Tour von 0700 bis 2100 dauert, kann auf der RUTA 51 natürlich jederzeit etwas passieren und die Straße wird im schlimmsten Fall unpassierbar. Das alles hat der Betreiber im Blick. Selbst wenn ein Bus technisch ausfallen würde, gibt es in den anderen vier Bussen genügend Reserveplätze, um alle Fahrgäste wieder zurück nach SALTA zu bringen. In jedem Bus fährt eine Krankenschwester und ein Tourguide mit, später im TREN A LAS NUBES natürlich auch, da gibt es dann zusätzlich auch noch Plätze mit Sauerstoffflaschen, denn der Krankenwagen kann ja nicht weiter mit kommen.
Man merkt es schon.
Ein Mörderaufwand für eine relativ kurze Zugfahrt.

Aber was ganz besonderes ist es ja dann doch!
Und so beschließt die kleine Reisegruppe, das volle Programm, d.h. inklusive der Busfahrt nach SAN ANTONIO DE LOS COBRES zu buchen. Denn man kann auch nur die Zugfahrt buchen, wenn man mit eigenem Auto auf die Bergstation anreist. Das ist natürlich billiger.
Vom Campingplatz im Süden der Stadt bis zum Bahnhof im Norden der Stadt sind es über fünf Kilometer, unmöglich am sehr frühen Morgen zu Fuß zu gehen. Es dauert ein wenig, bis die kleine Reisegruppe mit den Damen der Campingplatzrezeption ein Taxi für den frühen Samstagmorgen organisiert bekommt. Die ganze Nacht über regnet es, das kann ja heiter werden?
Entgegen der o.g. Damen, den Leuten im Touristenbüro und der eigenen Meinung sieht die kleine Reisegruppe um 0530 jede Menge Busse und Taxis an der Haltestelle am Campingplatz vorbei fahren. Da wäre man sicher auch so irgendwie mit gekommen. Der gebuchte Taxifahrer kommt tatsächlich wie verabredet, entschuldigt sich tausendmal für fünf Minuten Verspätung und brettert dann durch das gerade erwachende SALTA am Morgen. Der ehemalige Fahrer inhaliert die feuchte Kühle Luft bei offenen Autofenstern mit Freuden! Wie aufregend!

Am Bahnhof von SALTA angekommen schüttet es wieder wie aus Eimern. Das ist nicht wirklich unangenehm, denn es ist schon recht warm. Das Einchecken im Bahnhofsgebäude dauert nur Minuten und wenig später sitzt die kleine Reisegruppe im „grünen Bus“ in der ersten Reihe. Wie schön. Jeder Bus hat so seine eigene Farbe, damit die Fahrgäste immer schön wissen, wo sie hin gehören. Im spanischen heißt „grün“ „verde“.
Noch im dunklen setzt sich die Karawane in Bewegung, es regnet weiter wie verrückt. Selbst die Straßen in der Stadt stehen unter Wasser. Man sieht nichts. Gar nichts. Nach einer guten Stunde Fahrt erfolgt der erste Stopp an einer Eisenbahnstation außerhalb der Stadt. Eigentlich soll man hier unter dem Dach der Wartehalle wohl Souvenirs kaufen, jedenfalls hoffen das die fünfzehn, zwanzig Händler, die hier ihre Stände aufgebaut haben. Doch der Regen prasselt so laut auf das Dach und der Wind peitscht den Regen darunter, da kommt bei niemanden so richtig Einkaufslust auf. Schon nach zwanzig Minuten geht es weiter.
Der zweite Stopp dient dem Fotografieren farbiger Berge. Doch ist das trübe Dämmerlicht und der gerade abziehende Regen natürlich nicht besonders hilfreich für das Gelingen guter Fotos. Da muss schon ordentlich nachbearbeitet werden.
Dieser Halt auf offener Landstraße wird natürlich entsprechend abgesichert, mit Sicherheit kennt sich der Betreiber offenbar aus.

Der nächste Halt findet bei einer christlichen Dorfschule statt, die der Pater CHIFRI ALFARCITO gegründet hat. Ihm war wichtig, das die alten Traditionen der Bergbewohner bewahrt werden und nicht in den Schulen der großen Städte unter die Räder kommen. Ein aufregend kurzes Leben hat der Pater da geführt, doch seine Idee lebt hier lange über seinen Tot hinaus. Unter freiem Himmel gibt es hier ein sehr einfaches Frühstück als Bestandteil der Tour: Zwei süße und zwei salzige kleine Brötchen sowie Kaffee oder Tee. Besser das als nichts!
Derweil die Karawane sich immer höher in die Berge schraubt, lässt sie das schlechte Wetter hinter sich und der gewohnt strahlend blaue Himmel kehrt zurück. Das ist gut. Weniger gut ist es, das man nicht im eigenen Auto sitzt und anhalten kann, wo man will um schöne Bilder zu machen. Ist halt so.
Der Tourguide im grünen Bus hat offenbar Spaß am Sprechen. So redet er über Mikrofon und Lautsprecher in einer Tour und erklärt den Fahrgästen Land und Leute. In Spanisch und in Englisch. Unmöglich, sich das alles zu merken!

Endlich in SAN ANTONIO DE LOS COBRES angekommen mahnt der Tourguide zu einem schnellen Umstieg in den Zug. Auf den Fahrscheinen ist der Buchstabe des Waggons sowie die Platznummern vermerkt. Unerwarteter Weise wird der Zug proppevoll, denn neben den Reisebussen sind auch unzählige Mietwagen und privat PKW´s hier eingetroffen. Am Bergbahnhof wird gebaut, eine große Tafel liefert ein Bild davon, wie es hier einmal aussehen soll. Sieht auf den ersten Blick aus wie eine Raumstation, passt das wirklich zu einer historischen Eisenbahnlinie?
Rechnet man über den Dicken Daumen kurz nach, so ist der TREN A LA NUBES durchaus Big Business. Diese Tour findet jeden Tag statt.
Passenderweise sind die Waggons in Himmelblau gehalten. Eine gar nicht so alt aussehende Diesellok quält sich an der Zugspitze den Berg auf der einspurigen Schiene hinauf. Bei jeder Linkskurve kann man vom ganzen Zug Bilder machen, einen Aussichtswaggon wie der Zug damals in NEUSEELAND hat dieser Zug leider nicht.

Spektakulär farbige Berge umgeben die verlassene Mine CONCORDIA, kurz darauf wird die Lokomotive an das Zugende umgespannt und nun schiebt sie die vielen Waggons das letzte Stück bis zur großen stählernen Brücke LA POLVORILLA. Damit alle an Bord befindlichen Fotografen auf ihren Kosten kommen hat sich der Betreiber ein ganz besonderes Brückenmanöver ausgedacht:
Zunächst schiebt die Lokomotive alle Waggons ganz langsam auf die Brücke.
Dann müssen alle Fahrgäste die Plätze tauschen: Die, die vorher in Fahrtrichtung links saßen (und so die Besten Bilder von der Brückenpassage machen konnten weil die Brücke eine lange Linkskurve macht) wechseln auf die rechte Seite und deren Fahrgäste wechseln nach links. Erst dann zieht die Lokomotive die Waggons wieder langsam von der Brücke und alle fotografierenden haben dank der offenen Fenster ihre Chance auf gute Bilder bekommen.
Dann hält der Zug inmitten der Felsen nahe der Brücke, alle dürfen aussteigen und zwischen Zug und Fels zu einer kleinen Aussichtsplattform pilgern. Dort warten, oh Wunder, wieder eine Reihe von Souvenirhändlern. Diesmal auf über 4.200 Meter! Unklar, wie die alle ihr Zeug hier hoch gebracht haben. Die Tourguides und weitere Helfer wachen streng darauf, das sich die Fahrgäste nur in den erlaubten Zonen aufhalten. Für eine bessere Fotoperspektive würde sicher so mancher dem steilen Abgrund zu nahe kommen. Ein älterer Herr wird unter freiem Himmel mit Sauerstoff versorgt, der kleinen Reisegruppe hingegen geht es gut.
Viel zu spät begreift der ehemalige Fahrer, das unmittelbar nach Ankunft eine kleine Flaggenzeremonie durchgeführt wird, bei der die argentinische Nationalhymne gesungen wird. Zu sehr ist er auf das Bild des Tages fixiert. Als ihm sein Treiben bewusst wird, hält er selbstverständlich inne, bis die Zeremonie vorbei ist. Peinlich, peinlich.

Auf der Rückfahrt entsteht ein kurzes Gespräch mit einem jungen argentinischen Paar. Völlig resigniert halten sie ihr Land für einfach nur schlecht. Sie geben jeden verdienten Peso lieber sofort aus, denn Morgen ist er schon wieder weniger wert. Am Anfang glauben sie der kleinen Reisegruppe nicht, wie toll sie ARGENTINIEN findet. Erst nach und nach können sie verstehen, das die tollen Landschaften, die freundlichen Menschen und das gute Essen für ausländische Touristen sehr attraktiv sind. Sie denken, die meisten Ausländer seien nur da, weil ihr Land aufgrund des Schwarzmarkt-Wechselkurses gerade so billig ist. Kann sein, aber die kleine Reisegruppe nicht. Sie hätte auch in jedes andere Land auf dem Kontinent weiter fahren können. Und hat doch noch mal ARGENTINIEN gewählt.
Die Tourguides treiben beim Umsteigen vom Zug in den Bus mal wieder ordentlich an. Man habe beschlossen, in einem durch zu fahren da für den Abend wieder viel Regen angesagt sei und man nicht sicher sein könne, wie sich die Situation auf der Straße entwickeln würde. Nun, der kleinen Reisegruppe soll es recht sein.
Was folgt ist eine rauschende Bergabfahrt mit dem Bus im Schweinsgalopp:
Alle Busse sind über Funk miteinander verbunden. Alle Busse bleiben in einer festen Reihenfolge. Der Busfahrer im ersten Bus gibt die hohe Geschwindigkeit vor, alle anderen müssen sehen, das sie irgendwie dran bleiben. Gibt es auf den Weg einen langsam fahrenden LKW oder PKW zu überholen, fragen die Busfahrer die voraus fahrenden Busse, ob jemand den Berg hoch kommt, denn auf Sicht kann man vermutlich an keiner Stelle der kurvenreichen Strecke überholen.
Immer dann, wenn die Busse eine der zehn kaputten Straßenstellen passieren müssen, wird die Brausefahrt unterbrochen. Über die Niveauregulierung pumpen sich die Busse hoch, damit sie mehr Bodenfreiheit bekommen und watschlen dann in Schrittgeschwindigkeit durch die unter Wasser stehenden Schlaglöcher. Natürlich ist der Blick voraus hilfreich: Kämpft sich der voraus fahrende Bus durch ein besonders tiefes Schlagloch oder steckt im Matsch fest, fährt man da wohl besser nicht vorbei.

Der Fahrer und der ehemalige Fahrer der kleinen Reisegruppe sind sich einig. Neun der kaputten Straßenstellen hätte man mit KNAUSi auch schaffen können, doch eine wäre vielleicht unmöglich gewesen: Über die gesamte Straßenbreite ein großes tiefes Loch, voller Wasser. Die Busse nehmen die Außenkante am Abgrund, rechte Reifen fast im Abgrund, linke Reifen im tiefen Loch. Hinterradantrieb ist in solchen Fällen wohl besonders schlau. Hat KNAUSi nicht. Sacken die Vorderräder irgendwo ein, bleiben sie da, bis ihn jemand heraus zieht.
Nun denn, gegen 1830 ist die Karawane ohne ernste Zwischenfälle wieder zurück in SALTA und die kleine Reisegruppe glücklich, diese Tour gemacht zu haben.
Standesgemäß mit dem Taxi nach Hause, noch schnell was fürs Abendessen einkaufen und in vertrauter Umgebung den ereignisreichen Tag beschließen.
Sehr schön!
Peter.