SA2223: Pisco Elqui

Von Tongoy nach Pisco Elqui.

Von der Küste in die Berge.

Von Meereshöhe Null auf Eintausendzweihundertsiebzig Höhenmeter.

Von Lufttemperatur dreiundzwanzig Grad Celsius auf vierunddreißig Grad Celsius.

In nur einhundertsechzig Straßenkilometern.

Aber in über vier Stunden Fahrzeit. Denn so einfach wie das auf der Landkarte aussieht ist das natürlich nicht. Die Autobahn Ruta 5 führt als normale große Straße mitten durch die Großstadt LA SERENA. Der langweilige Abzweig nach Osten über die Ruta 41, deren Straßenname RUTA DE LAS ESTRELLAS („Route der Sterne“) noch das schönste daran ist, ist extrem dicht befahren. Erst wenn man dann später wieder nach Süden auf die Ruta D485 abbiegt und in das ELQUI Tal hinein fährt, wird es wirklich schön. Eigentlich baut man die vielen Höhenmeter schleichend bereits seit LA SERENA auf. Auch später kaum wilde Serpentinen, die einen sonst kühn in die Höhe schrauben. Eher Straßen, die einen langsam aber sicher bergauf führen.

Auf dem Weg nah PISCO ELQUI

Im ELQUI Tal wird die Straße im Berghang geführt. Im Tal selbst ist nämlich kein Platz für eine Straße. Da befinden sich riesige Wein-, ja was eigentlich? Es sind eben keine Weinberge, denn die Berge ringsum sind viel zu steil und zu steinig. Sagen wir mal unwissend einfach Weinanbaugebiete. Viele davon unter einem beigen Sonnenschutznetz. Zweimal muss man hinsehen, um sie zu erkennen. Alles und alle künstlich bewässert.
Hier und da sieht man mal jemanden darin / daran arbeiten, aber das ELQUI Tal wirkt in dieser Jahreszeit eher gespenstisch still. In den vielen kleinen Dörfern entlang der D485 hingegen tobt das Leben. Oder besser die vielen Touristen.

Unser Tagesziel ist PISCO ELQUI, denn wir wollen den Hauptbestandteil von „PISCO SOUR„, unserem aktuellen Lieblingsdrink, mal genauer unter die Lupe nehmen. In jedem Fall ist PISCO Alkohol, wenn man also eine Besichtigungstour einer entsprechenden Destillerie machen möchte bietet es sich an, einen Campingplatz in der Nähe zu haben. Nur für den Fall, das man den dort hergestellten Stoff auch hingebungsvoll probieren möchte.

Sonnenschutzhütten auf dem Campingplatz

Je weiter wir in den Norden von CHILE kommen, um so mehr erreichen wir die Grenzen von iOVERLANDER. Längst nicht mehr jeder offizielle Campingplatz ist nun noch in iOVERLANDER vermerkt und man tut gut daran, GOOGLE MAPS zusätzlich zu konsultieren. So auch in PISCO ELQUI. Den dortigen großen Campingplatz RANCHO RODRIGUEZ konnte nun die KNAUSi Mannschaft stolz für iOVERLANDER in Besitz nehmen. Den grandiosen dortigen Swimmingpool im übrigen auch. Und ein allabendliches Lagerfeuer, das seines gleichen sucht.

Scheiterhaufen zur rechten, DJ Bühne zur linken

Bereits am Ankunftstag konnten wir beobachten, wie vier junge Männer, offenbar Platzwarte, alte Weinstöcke und eine große Wurzel zu einem riesigen Scheiterhaufen aufbauten. Nun, an diesem ersten Abend wurde es dunkel, es wurde still, es wurde Nacht.
Also ab ins Bett und gegen Mitternacht fast aus eben jenen gefallen, weil super laute Jungendmusik erschallte. Blick aus dem Fenster: Alles hell rötlich erleuchtet, der Scheiterhaufen in Brand gesetzt. Wie jetzt, feiern die hier Open Air Mitternachtsdisko und tanzen um den Scheiterhaufen?

Was soll denn der Scheiß???

Eher sehr verärgert als fragend das Kopfkissen über den Kopf gezogen, um den Schall zu dämmen. Unverschämtheit. Folter durch Schlafentzug. Was denken die sich dabei? Gegen 0200 wird es wieder still, das Feuer ist fast aus. Schlechter Spuk. Nur geträumt?

Klarer Fall von Feuer. Es brennt.

Als die vier Jungs am nächsten Nachmittag in Bester Laune wieder einen Scheiterhaufen aus alten Rebstöcken aufschichten und auch noch ein LKW eine große Baumwurzel mit seinem Kran darauf drapiert, treffen wir die einzig richtige Entscheidung:

Wenn Du es nicht verhindern kannst, reise ab oder mache mit.

Am zweiten Abend wird zu ähnlich nachtschlafender Uhrzeit das Feuer erneut entzündet, die stumpfe Jungendmusik erschallt wieder und wir ziehen etwas über, greifen die Kamera und gesellen uns einfach dazu. If you can´t beat them, join them.

Schon etwas bizarr, in einer knochentrockenen Umgebung so ein riesiges offenes Feuer zu entzünden. Scheinen die hier aber jeden Abend zu machen, offenbar müssen die alten Weinstöcke auch mal weg. Liegen wohl nur im Weg rum. Echten Brennwert haben die nicht und daher brennt auch dieses Feuer recht schnell herunter.

Sonnenschutz für die Weinstöcke

Lagerfeuerromantik.

Wir machten Freundschaft mit einem sehr frisch verliebten jungen chilenischen Paar aus SANTIAGO, die hier als kleine Stadtflucht zelten. Und uns mit einer Mischung aus PISCO und SPRITE abfüllen wollen. Zum Glück ist das Zeug so süß, das man sehr schnell weiß, wann Schluss ist. Oder besser sein sollte. Jedenfalls im fortgeschrittenen Alter. Der junge, frisch verliebte Mann muss das noch lernen. Aber sein Englisch wird immer besser! Wir lernen, das die beiden sich auf der Arbeit kennen gelernt haben und dort niemand etwas von ihrer jungen Liebe erfahren dürfe, denn Liebelei am Arbeitsplatz, das sei verboten.
Er ist frisch gebackener Anwalt, sie frisch gebackene Ingenieurin. Schönes junges Paar, aber wann kommen denn Kinder? Oh Gott, bloß jetzt keine Kinder! Erst mal das Leben genießen, Feiern, Reisen, so wie ihr!

Auch das müssen junge Erwachsene heutzutage offenbar erst noch lernen. Kinder zu bekommen bedeutet genau nicht zu verzichten. Wer Kinder bekommt und diese angemessen groß zieht, der gewinnt unermesslichen emotionalen Reichtum, ein Leben lang!

Hoffentlich bleibt außer einem heftigen Kater ein klein wenig von dem in der Nacht gesagten bei dem jungen Mann hängen.

Kleines Detail der Gebr. Herrmann aus Köln-Ehrenfeld

Vor einigen Jahren hatten wir das große Glück, an einer privaten Führung durch die Ciderfabrik von THATCHER´s im Süden von England teilnehmen zu können. Segelfreund Graham von MAUNIE OF ARDWALL arbeitete zu dieser Zeit dort und nahm uns mit auf die Reise eines Apfels, der veredelt als köstliches alkoholisches Getränk endet.

Hier, in der Destillerie von PISCO MISTRAL im kleinen Bergdorf PISCO ELQUI, genau hier würde sich dieser stets freundliche Engländer mit Sicherheit auch sehr wohl fühlen. Natürlich, die Temperaturen sind völlig andere als die in seinem Heimatland. Aber die vielen Rohleitungen, die vielen Fermentiertürme, die Destilierungskübel, das wäre durchaus seine Welt!

Mit Sicherheit ist es völlig unzulässig, die Herstellungsprozesse von CIDER und PISCO gleich zu setzten. Geht ja schon mal damit los, das die einen Äpfel und die anderen Weintrauben brauchen. Da aber beide Führungen in Fremdsprachen abgehalten wurden, von denen wir die eine so gerade eben verstehen, die andere hingegen gar nicht, verlassen wir uns einfach auf das mit eigenen Augen gesehene und das lässt sich wohl durchaus vergleichen.

Selbst die obligatorische Verkostung am Ende der Tour hat große Ähnlichkeiten. Allerdings ist PISCO ganz klar von der Sorte Schnapps und nicht in größeren Mengen konsumierbar. Jedenfalls nicht unverdünnt.

Obwohl, wie bereits beschrieben, der frisch verliebte junge Mann am Lagerfeuer sprach mit jedem Schluck seiner besonderen PISCO/SPRITE Mischung besseres Englisch.

Grandios!

Zulauf einer recht leeren Talsperre

Wenn wir jetzt nur noch genau wüssten, wie man PISCO SOUR auf chilenische Art und Weise anrührt und wenn dann wenigstens der ehemalige Fahrer hinreichende Mengen davon zu sich nehmen würde, dann könnte er, eventuell, vielleicht, mit Chance, sogar spanisch sprechen?

Oder käme das vermutliche Gebrabbel den anderen nur schlicht spanisch vor?

Peter.

2 Kommentare

  1. Ihr erlebt wirklich tolle Sachen. Es macht Spaß darüber zu lesen. Wir sind nach 123 Tagen wieder zu Hause und freuen uns auf ein Wiedersehen.
    Frank

    1. Danke, Frank. 123 Tage sind ja auch schon mal eine Nummer. Ihr habt bestimmt auch eine Menge erlebt! Freuen uns schon auf MAROKKO News! Wir sind jetzt im Norden von CHILE und fühlen uns doch sehr an den Süden von MAROKKO erinnert. Nur sind die Berge größer 😉
      Viele liebe Grüße, bis zum Sommer,

      Heidi und Peter.

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