SA2223: To The West!

Schon klar, das eigentliche Ziel USHUAIA liegt von VALDES aus betrachtet stramm im Süden, doch die kommenden Tage schlagen wir einen Haken und gehen nach Westen, Richtung ANDEN.

Die gewählten Stationen sind PUERTO MADRYN und LOS ALTARES, unfreiwillig landen wir schließlich nach drei Tagen in ESQUEL.

PUERTO MADRYN liegt nur 100 Kilometer entfernt von unserem letzten Standort, doch brauchen wir mal wieder einen echten Logistiktag. Im Wesentlichen Einkaufen, Wäsche waschen (lassen) und auch Motoröl besorgen, denn KNAUSi zeigt jeden Morgen an, das dieses Lebenselixier (ganz allmählich) weniger wird. Doch das gewünschte 0W30 ist längst nicht überall erhältlich, in einer größeren Stadt wie PUERTO MADRYN ist das aber kein Problem, nur teuer. Logisch, wer was Besonderes hat, zahlt halt mehr. Klassiker. Kommen wir bei Gelegenheit noch drauf zurück…

Anfahrt PORT MADRYN, Argentinien

Die Wäsche geben wir auf der Durchfahrt durch die Stadt zum Campingplatz früh´ ab, damit wir sie Abends auf dem Rückweg der obligatorischen Stadterkundung zu Fuß wieder abholen können. Der Campingplatz selbst ist mit Abstand der teuerste bisher besuchte, klarer Fall von Touristenhochburg.
PUERTO MADRYN überrascht uns angenehm, längst nicht so langweilig wie gedacht. Zwei riesige zur See offene Piers ragen in die Bucht, auf Fotos sehen wir, das große Kreuzfahrtschiffe daran fest machen. Heute nicht, nur die Coastguard und ganz weit draußen ein Großsegler aus den Niederlanden ist zu sehen. Und ein einsamer Ankerlieger stampft in der sich aufbauenden Welle.

Alles wird wie gewünscht erledigt und abends tun mal wieder die Füße weh, ob der vielen Kilometer.

Tags darauf also nach Westen.

Staudamm DIQUE FLORENTINO AMEGHINO, Argentinien

Über die landschaftlich sehr schöne RT25. Viel weniger Verkehr auf der RT3, dafür viel mehr Landschaft zu sehen! Zunächst gestaltet sich die Suche nach einem guten Platz fürs Frühstück allerdings schwierig. Wie üblich in ARGENTINIEN kaum Abzweigungen oder Einbuchtungen entlang der Straße, an denen man gut parken könnte. Gegen Mittag wird die Beifahrerin ungehalten, der Fahrer schiebt jede Verantwortung von sich und beschließt, einfach an der nächsten Straße abzubiegen und zu nehmen, was da kommen möge.

Und so landet die kleine Reisegruppe an einem mittelgroßen Staudamm mit spektakulären Tunneln durch die Felsen und grandiosen Aussichten. DIQUE FLORENTINO AMEGHINO heißt dieses Bauwerk und wir lernen geschwind, DIQUE kann nur Staudamm bedeuten.
Während die Beifahrerin aufwendig das Frühstück bereitet, strolcht der Fahrer ein wenig in der Gegend herum und macht Fotos. Kommt ein Reisebus mit 40, 50 Touristen, hält an entlässt seine menschliche Fracht auf dem Staudamm, über den die Fahrbahn führt. Erst da fällt dem Fahrer auf, dass er KNAUSi unmittelbar vor einem Felsen geparkt hat, der in Blau-Weiß-Blau angemalt ist. Davor machen die eingeborenen Touristen fleißig Fotos und es wird so sein, dass an diesem Tage KNAUSi das meist fotografierte Wohnmobil in Argentinien sein wird.

Argentinien, nicht Marokko

Ein Mann aus der Reisegruppe spricht den Fahrer an und will wissen, wie er denn sein Land finden? Und die Einwohner? Auch wenn die Sprache immer noch ein großes Problem ist gelingt es dem Fahrer mit Englisch, spanisch (einzelne Worte) und Gesten dem fragenden klar zu machen, dass er doch sehr begeistert ist. Der Mann freut sich sichtbar und erklärt, dass er stolz darauf ist das Ausländer wie wir, selbst ohne Sprachkenntnisse in sein Land kommen würden und sich dabei sogar wohl fühlten.
Ja, sicher. Darauf kann er auch mal einfach so stolz sein! Denn nach nun vier Wochen wächst in der kleinen Reisegruppe ein Grundvertrauen in die Sicherheit, in die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft in Argentinien.

Am Nachmittag erreichen wir das kleine Dorf LOS ALTARES „in the middle of nowhere“. Hier gibt es den einzigen offiziellen Campingplatz weit und breit, allerdings mit durchwachsenen Bewertungen bei iOVERLANDER. Wir finden den Platz jedoch auf Anhieb toll und fühlen uns sofort wohl. Wie verschieden doch die Wahrnehmung eines Einzelnen ist?

Feuer, der Fahrer hat Feuer gemacht!

Hier könnte man tatsächlich das erste Campfire seit AUSTRALIEN 2019 machen! Doch wie bekommen wir bloß das trockene Holz an? Alleine mit dem Feuerzeug ja wohl nicht. Also stapfen wir zu Fuß zur YPF Tankstelle, die hier gleichbedeutend mit dem Nabel der Welt ist. Der junge Mann hinter dem Tresen versteht zunächst nicht, was wir wollen, kann aber GOOGLE und versteht dann erst Recht nicht, was wir wollen. Also eigentlich wollen wir ja nur eine brennbare Flüssigkeit, mit der wir ein Holzfeuer entzünden können?

Auf einer Tankstelle.

Nach einigem Hin&Her stellt sich heraus, das der Anspruch des Amateur-Feuermachers völlig Banane ist. Der junge Mann meint: Hä? Was für eine „Flüssigkeit“? Wir nehmen dafür immer etwas Diesel als Brandbeschleuniger.

Ach so ja, Diesel.

Brennt wohl auch.

Können wir davon vielleicht einen halben Liter bekommen? Leere Wasserflasche gesucht, standesgemäß durch den Tankwart an der Zapfsäule befüllt, bezahlt und los gehts!

Reisig, Blätter und Äste liegen reichlich herum, die dicken Äste müssen zunächst mit der mitgeführten Axt in handlichere Stücke zerlegt werden, etwas Diesel darauf, das brennende Feuerzeug dran gehalten und schon brennt es!

Es brennt, es brennt!

Ah, sehet her, ich Fahrer, ich habe Feuer gemacht!

Die Beifahrerin verweigert wie üblich den erwarteten Respekt, erkennt aber an das durch den ganzen Qualm sämtliche Fliegen, Mücken und sonstiges stechendes Gesockse schlagartig den Luftraum um unser Wohnmobil verlassen haben. Besser nach Qualm stinken als mal wieder völlig zerstochen werden.

Was für ein toller Abend am RIO CHUBUT. Zwei Wasserlaster betanken sich hier direkt aus dem Fluss und parken zum Feierabend auch dort. Der eine LKW-Fahrer fährt mit einem schnieken PKW nach Hause, der andere schläft in seinem LKW. Scheinen wohl unterschiedliche Arbeitsverträge zu haben?

Argentinien, nicht Marokko

Feststellung: Saubere Duschen sind keine Frage des Preises: Alles sehr gut in Schuss und mit 800 Pesos, also 3 € spottbillig.

Der nächste Morgen wird gefühlt noch besser!

Strahlend blauer Himmel, unglaublich erfrischende Luft, ländliche Stille und kostenloses WIFI von der Tankstelle für das tägliche Telefonat nach Deutschland. Ein Handynetz gibt es LOS ALTARES nicht. Strom eigentlich auch nicht. Der Strom kommt hier nicht über endlos lange Überlandleitungen, sondern aus einem (wenn man daran vorbei geht) laut dröhnenden Generatorhaus. Ganz wie auf einer Insel in der Südsee. Und das ist LOS ALTARES wohl auch. Eine Insel im argentinischen Nirgendwo.

Wir tanken noch mal voll, wer weiß wann es Nachschub gibt, und starten. Die Landschaft bleibt grandios, die Straße ist mal gut, mal schlecht, mal wird gebaut, dann führt eine Behelfspiste neben der Baustelle vorbei.

Nach gut 100 Kilometern schlingert der Bus mit einem Male merklich, ein hektischer Blick in den Rückspiegel zeigt einen völlig zerfetzten Hinterreifen auf der Beifahrerseite. Bremsen, so schnell es geht, aber in der Hektik völlig übersehen, dabei das Auto wenigstens ein wenig von der Straße auf den Mini-Seitenstreifen zu lenken. Der Reifen hängt als Ganzes zwar immer noch an der Felge, doch dieses ehemals schön anzusehende Stück Aluminium und der Kunststoff bewährte Radkasten haben in den wenigen Sekunden sehr gelitten.

Ja, OK.

Ehemals Reifen, jetzt nur ein Haufen Gummi und Metall

Das ist also jetzt eine echte Reifenpanne.

Suchen wir zunächst wie immer das Positive: Es ist nichts weiter passiert.

Nun hätte der Fahrer in Vorbereitung der Südamerikareise ja durchaus mal einen Radwechsel simulieren (besser: üben!) können, doch in seiner allgegenwärtigen Überheblichkeit war er immer fest davon überzeugt, das er einen Radwechsel am eigenen Fahrzeug ja wohl jederzeit allein hin bekommen werde.

Hallo? Erfahrener Fahrer?

Feststellung: Erfahrung kommt von ER FÄHRT.

Also am besten erst mal das Fahrzeug absichern?

Die Beifahrerin bekommt die gelbe Warnweste an und fungiert fortan als laufender Leuchtturm. Warndreieck mit Steinen gesichert aufgestellt, Warnblinklicht an und Kofferraum leergeräumt, denn der eigens für MAROKKO angeschaffte Wagenheber ist an der am schwersten zugänglichen Stelle verstaut. Logisch, das Teil braucht man ja nie.

Was man aber in jedem Fall braucht ist ein 18er Steckschlüssel. Das ist nicht FIAT Standard. Doch in der eigenen mitgeführten Werkzeugkiste findet sich eine entsprechende Nuss, nur ist der Hebel der Ratsche viel zu klein, um waschechte Radmuttern damit zu lösen….tja, hätte mal der Fahrer geübt, dann wäre ihm das in behüteter Umgebung aufgefallen und nicht erst mitten in der Einsamkeit Argentiniens auf der RN25.

OK, jetzt ist improvisieren angesagt.

Sägen wir doch einfach die Kunststoffummantelung des Griffes der Ratsche ab. Dadurch wird das Teil schmaler und wir können den originalen FIAT Steckschlüssel als Hebelverlängerung verwenden. Gesagt, getan, ein wenig geflucht, weil die Säge nicht sägt und dann das blöde Plastikteil einfach brutal abgemeißelt. Schwups, der Hebel reicht und die Felge samt zerstörtem Reifen ist in wenigen Minuten herunter. Gutes Werkzeug muss man haben, gutes Werkzeug! (Frei nach „Das Boot“: Da waren es gute Männer, die ein KaLeu auf einem U-Boot haben muss, um nicht abzusaufen. Hier, auf der trockenen Straße reicht ein einfacher Fahrer und gutes Werkzeug)

Es bleibt dabei: Egal ob zu Land oder Wasser: Reisende reaprieren sich um die Welt

Äh, wie kommt man jetzt noch mal an das Reserverad? Wo ist das überhaupt? Will die Leuchtturm-Beifahrerin neugierig wissen.

Also wo es ist, das weiß der Fahrer ganz genau, aber wie man da drankommt, natürlich nicht. Denn es ist mit einem cleveren italienischen Klapperatismus unter das Heck des Fahrzeugs geschnallt. Aber auch diese Herausforderung wird wie selbstverständlich gelöst und die ganze Aktion hätte in weniger als einer Stunde erledigt sein können.

Würden nicht zwischendurch so viele (gefühlt 4 von vielleicht 10 vorbeifahrenden Fahrzeugen) hilfsbereite Argentinier anhalten und ihre Hilfe anbieten. Einer suchte sogar seinen Werkzeugkoffer, als der Fahrer noch um die selbst gebaute Hebelverlängerung rang. Ein anderer will unbedingt das Reserverad montieren und der Fahrer hätte ihn derb aus dem Weg schubsen müssen, um selbiges zu verhindern.

Steht man mit einer Reifenpanne in der argentinischen Wildnis auf der Straße, kann man was erleben.

Schließlich packen wir unsere sieben Sachen, wuchten das Trümmerteil in den Kofferraum und kriechen sicherheitshalber mit max. 70 km/h wie ein angeschossener Tiger über die Straße. Alle Helfenden meinen unabhängig voneinander, wir müssen nach ESQUEL. Nur dort gäbe es größere Reifenhändler, die uns helfen könnten.

Es ist Freitag, der 18. November 2022.

Ein besonderer Tag im gemeinsamen Leben der kleinen Reisegruppe.

Er begann ganz außerordentlich gut auf einer Tankstelle.

Auch wenn ein gewisser W. aus HH ganz offensichtlich übersehen hat, den Fahrer wie sonst auch üblich auf seinen Hochzeitstag hinzuweisen. Bereits NENA wusste in „99 Luftballons“ davon zu singen, das „so was immer von so was kommt“. (Bitte PS2 beachten!)

Nun, kann es denn tatsächlich sein das irgendeine übersinnliche Kraft den fast nagelneuen Hinterreifen absichtlich zerfetzt hat, nur damit der Fahrer der Beifahrerin am Hochzeitstag gleich zwei neue Reifen schenkt?

Statt Blumen, Konfekt, Gold oder Edelsteinen?

Kann das wirklich sein?

Der hier in Argentinien allgegenwärtige Fußballer MARADONNA sprach mal von Hand Gottes. Der Fahrer, auf der Suche nach dem Grund für den kläglichen Reifenversager denkt da eher an einen Wink mit dem Zaunpfahl. Dem Auto vielleicht doch zu viel zugemutet?

Wer weiß das schon?

Doch der Fahrer hat ja jetzt viel Zeit zum Nachdenken.

Bis Dienstag. Da sollen „ähnliche“ Reifen in ESQUEL eintreffen und sogar die arg aus dem Rund laufende ALU Felge soll repariert sein. Wie auch immer das gehen mag?

Gestrandet in ESQUEL.

Wo es nachts sch…. kalt wird.

5°C.

Peter.

P.S.: Über die Reifen schreibe ich noch mal mehr, denn merkwürdig ist das schon.

P.S.2: Während dieser Text entstand hat sich Herr W. aus HH gemeldet und von wesentlich wichtigeren Dingen als den hier geschilderten berichtet. Sein Versäumnis sei hiermit für immer und ewig vergeben.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert