Ach, wie aufregend ist es dieser Tage!
Logisch, der Mist mit der CORONA Infektion zieht uns beide runter. Ganz schön beknackter Reisebeginn.
Auf der anderen Seite:
Wir haben eigenhändig unser Auto aus dem Hafen von MONTEVIDEO befreien können! OK, für die ganz genauen unter den lesenden sei das verallgemeinernde „wir“ hier unverzüglich spezifiziert: „WIR“ bezieht sich im konkreten ausschließlich auf den Frauenanteil der kleinen Reisegruppe.

Und das nicht etwa, weil der Frauenanteil zu diesem Zeitpunkt noch sehr gesund durch die Gegend wandelte, während der männliche Teil eher völlig desolat über die Bürgersteige von MONTEVIDEO kroch.
Nein, weder die körperliche Verfassung noch das Geschlecht spielte bei der Befreiungsaktion eine Rolle. Schlicht die Tatsache, auf wen denn wohl das Wohnmobil KNAUSi tatsächlich zugelassen ist. Und während offenbar alle anderen zu befreienden Wohnmobilen im Hafen von MONTEVIDEO (an diesem Vormittag vier an der Zahl) auf Männer (im Allgemeinen) zugelassen waren, ist unser Auto auf eine Frau (im speziellen) angemeldet. Das war schon immer so, daher für uns kein klarer Fall von Verwirrung.

Und während der auf einer steinernen Sitzbank vor dem Hafeneingang vor sich hin siechende designierte Fahrer auf baldige Erlösung hofft, offenbart sich die designierte Beifahrerin als stolze Besitzerin eines Wohnmobils im südamerikanischen Hafengelände. Umringt von einer Horde ebensolcher. Und weil sie die einzige Frau auf diesem riesigen Gelände weit und breit ist, rückt sie in der Reihenfolge der zu bearbeitenden Fälle immer weiter vor. Ladies First.
Ein besonderes Selbstwertgefühl kann man von dem schnaufenden Haufen Elend am Hafeneingang nicht erkennen. Allein unter Frauen wartend. Doch der Respekt vor der Krankheit sichert Abstand und damit angenehme Sprachlosigkeit.
Nach geschlagenen drei Stunden kutschiert die designierte Beifahrerin KNAUSi wie selbstverständlich durch das zentrale Gate, pickt völlig entspannt und in bester Laune ihren kranken und mittlerweile sehr mürrischen designierten Fahrer auf und fährt mit ihm zur nächsten Tankstelle.

Erst dort werden ohne jegliche Feierlichkeiten die seit Urzeiten fest verbrieften gesellschaftlichen Positionen wieder eingenommen und aus den gemeinsam designierten werden die gemeinsam faktischen.
Tanken nur mit Service. Coole Typen, die sich tierisch über ein kleines Trinkgeld freuen. Später die mitgeführte leere deutsche 11kg Gasflasche bei ACODIKE gefüllt. Aber nicht, wie geplant eine lokale Gasflasche zusätzlich erworben. Für die kleine 3kg Flasche gibt es offenbar keinen Regulator und/oder Adapter, um ihn irgendwie an das Bordnetz von unserem Wohnmobil anzuschließen. Für die großen Flaschen (10 od. 15 kg?) gibt es die zwar, aber diese Gasflaschen sind so unglaublich dick, das sie nicht in unser Gasfach passen. Die Höhe wäre OK. Im Eifer des Gefechts leider verpennt, die Flasche zu vermessen.
Da aber in ARGENTINIEN sowieso wieder andere Flaschen verwendet werden und Flaschen aus URUGUAY angeblich nicht gefüllt werden, laufen wir erst mal weiter mit unserer deutschen Lösung.
Zurück zum Hotel.
Sagenhafte 160 Meter entfernt davon hat der (jetzt wieder!) Fahrer vorher schon die bewachte Parkgarage YACAR mit 3,5 Meter Einfahrthöhe ausgekundschaftet. Feierabend am späten Nachmittag. Letzter Abend in der Altstadt von MONTEVIDEO, letzter Abend im Hotel. Scheiß Fieber!
Am nächsten Morgen gießt es wie aus Eimern. Das erste Mal, seit wir in URUGUAY sind. Dem Fahrer geht es dank Tabletten besser, die Beifahrerin ist weiterhin putzmunter. Überschwänglicher Abschied von Jeronimo, dem jederzeit 150% dem Gast zugewandten Betreiber des FAUNA. Seine Tochter feiert heute ihren zweiten Geburtstag. Eine normale Geburtstagstorte ist heutzutage nicht mehr standesgemäß. Es muss eine Torte in der Form einer bekannten Zeichentrickfigur (so was wie ein Gorilla?) sein. Jeronimos Sorge: Hoffentlich erkennt die Tochter die Figur überhaupt. Alles andere wäre eine Enttäuschung!
Das allerdings werden wir nicht mehr erfahren. Denn kurz vor 10 hat der Regen endlich etwas nachgelassen und wir eilen schwer bepackt ganze 160 Meter zu unserem Auto.
Es folgt der bisher peinlichste Moment in Südamerika. Sicher, weitere werden folgen, aber das Ding in der Parkgarage war schon echt peinlich:
Chef und Gehilfe begrüßen uns freundlich und helfen uns, unser Gepäck in das Auto zu bringen. Der Fahrer bittet die Beifahrerin, die Rechnung zu begleichen. Diese versteht, sie solle 90 Pesos (was in etwa 2,10 € wären) bezahlen und denkt sich, wie, so wenig? Dann gebe ich doch lieber 150 Pesos.
Alle im Auto, der Fahrer startet den Motor und will die Halle verlassen, doch der Chef steht mit völlig entgeisterter Miene vor der Windschutzscheibe.
Hä? Was will er denn nun noch?
Schön blöd, wenn man wirklich kein Wort versteht. GOOGLE Translate hilft einmal mehr. Wir könnten jetzt nicht fahren, wir hätten doch gar nicht bezahlt! Die Rate wäre 900 Pesos die Nacht!
Wie, wir haben nicht bezahlt?
Coole Typen würden jetzt behaupten, das war der Versuch eines Scherzes. Oder der Versuch, ein besonderes Schnäppchen zu schlagen. Doch uns beiden ist das so was von peinlich und nur mit Stress, Regen und Corona zu entschuldigen. Selbstverständlich begleichen wir unsere Schuld unverzüglich und die 150 Pesos bleiben zur Entschuldigung.
Nun könnte man natürlich über den Preis von 21 € / Nacht für eine bewachte, überdachte Parkgarage für große Autos in der Altstadt von MONTEVIDEO philosophieren. Aber für uns, die das Preisniveau von Hamburg schon längst hier akzeptiert haben, erübrigen sich solche Gedanken.
Wir sind nur einfach froh´ dass es dem Auto gut geht, wir mit Sack und Pack darin sitzen und unsere Reise endlich beginnen kann!

Mit einer unfreiwilligen Stadtrundfahrt durch MONTEVIDEO, zum Beispiel!
Die Eierlegende Wollmilchsau ist hier natürlich genauso nutzlos wie in MAROKKO. Doch das für den AFRIKA Abstecher angeschafft TOMTOM GO ist mit den Karten für URUGUAY, ARGENTINIEN und CHILE ausgerüstet und so haben wir die gewünschte elektronische Assistenz. Aber irgendwie schafft es der Fahrer nicht dann abzubiegen, wenn Herr TOMTOM das verlangt.
Kann am Regen liegen, am vielen Verkehr oder, ach ja, an CORONA!
Na ja, und dann gibt es da noch Baustellen und Verkehrsschilder, die ein Abbiegen verhindern und die Herrn TOMTOM offenbar unbekannt sind.
OK, kurz mal die Fassung über das eigene Unvermögen verlieren, dann der Versuch sich wirklich zu konzentrieren nur um dabei ein bremsendes Fahrzeug vor uns fast zu übersehen. Die bremsen hier allen Ernstes bei einer gelben Ampel? Unfassbar! Vollbremsung bei 40+ km/h mit geschätzten 3,8 Tonnen. Das erste Mal in KNAUSi´s Leben ABS dank regennasser Straße aktiviert. OK, das Teil funktioniert also auch! Sehr schön! Weiterfahren, bitte!
Dies sei nur erwähnt, um das einzig Positive an dieser bekloppten Irrfahrt durch MONTEVIDEO heraus zu stellen.
Doch wie immer, wenn es gefühlt dicke kommt. Es wird besser! Immer! Weil, so die klare Definition: Es kann nur besser werden!
Je weiter wir aus der Innenstadt heraus kommen wird die unübersichtliche Bebauung und der Verkehr auf der Straße weniger.
Was für eine Entspannung!
Was für eine Erleichterung!

Unser Zwischenziel ist der Supermarkt TIENDA INGLESA in ATLANTIDA, direkt am Highway. Eine unbedingte Empfehlung von Jeronimo für einen umfänglichen Ersteinkauf. Denn Lebensmittel, gleich in welcher Verpackung, dürfen in URUGUAY nicht eingeführt werden. Entsprechend Nährstofflos präsentiert sich unser KNAUSi vor der Shopping Attacke.
OK, so ein Großeinkauf in URUGUAY tut an der Kasse wirklich weh. Aber ernsthaft darben will ja auch keiner.
Jetzt aber endlich zum Campingplatz mit dem sonderlichen Namen UY STORAGE. Der liegt abseits der Straße im Hinterland und ist in erster Linie eine aufgegebene Farm, die jetzt mit drei Hallen und einem Bungalow bebaut ist. In den Hallen stehen große Wohnmobile, oder von mir aus auch Expeditionsfahrzeuge. Wenn es denn sein muss. Zum einen von Touristen (oder sind das dann in Wirklichkeit Expeditionnisten?) hier Langzeit untergestellt, zum anderen werden hier auch welche unter dem Markennamen TERRA VENTURA gebaut.
Oberhalb der Hallen, gleich hinter dem verschlossenen Tor gibt es ein Duschhaus mit Toilette, Spüle und Wasser. Um das Tor zu öffnen soll man klingen. Wenn man tatsächlich klingelt, bekommt man einen Herzinfarkt, denn die Klingel hier besteht aus einem 12 Bar LKW Horn, das halb URUGUAY zu beschallen scheint. Wenige Minuten später kommt Felix, einer der deutsch stämmigen Betreiber mit einer Enduro angebraust und öffnet das Tor. Sehr locker hier, Papiere braucht er nicht. Vier andere Fahrzeuge sind hier, drei aus Deutschland, einer aus der Schweiz.
Ein Deutscher und der Schweizer schrauben unentwegt an ihren Expeditionsmobilen. Merke: Auch mit einem Auto kann man sich um die Welt reparieren. Braucht man kein Boot zu.

Bei dem deutschem MERCEDES L710 kann man das wohl noch nachvollziehen, der Fahrerkabine nach zu urteilen stammt das Teil bestimmt aus einem Museum. Doch das Teil aus der Schweiz auf IVECO Basis sieht so was nagelneu aus, was kann man denn daran bloß schrauben?
Anyhow.
Wir haben CORONA und halten uns extrem mit Kontakten zurück. Mittlerweile liegt die Beifahrerin wirklich flach, während der Fahrer ganz klar das Licht am Ende des Coronatunnels in Form von deutlichem Rückgang der Beschwerden sieht.
Am Folgetag ist vormittags Waschtag. Alte Camperregel: Wenn Du eine Waschmaschine siehst, wasche, was Du an schmutziger Wäsche hast.

Nachmittags pilgert der Fahrer in praller Sonne alleine los, um endlich mal ein wenig die Umgebung zu erkunden, während die Beifahrerin intensiv ihrer Krankheit fröhnt. Während die Beifahrerin also sicher im Bett so vor sich hin liegt, wird der Fahrer auf seinem ursprünglich als kleinen Spaziergang in Gummilatschen angelegten Erkundungsgang Opfer der prallen südamerikanischen Sonne und kurz nach Verlassen des Campingplatzes von gleich fünf wütend bellenden und hinterher laufenden Wachhunden darauf hingewiesen, dass er hier nichts zu suchen habe.
Na ja, ihr lieben vierbeinigen Freunde, der Feldweg hier sieht durchaus öffentlich aus, aber wer könnte euch aufgebrachten Hunden das bloß erklären?
Logisch, deren Frauchen!
Die kommt geschwind aus ihrem sehr einfachen Bungalow heraus um nachzusehen, was da wohl auf dem Feldweg los ist, pfeift gekonnt die Tiere zurück und verhindert so, dass der Fahrer unbemerkt zu einem üppigen Hundefuttermahl verkommt.
Schlau wie er, der Fahrer (!) nun mal ist, beschließt er, nicht auf dem gleichen Weg zurück zu gehen. Es wird sich schon die Möglichkeit eines ungeplant größeren Rundweges ergeben. Richtige Schuhe wären jetzt echt nicht schlecht. Oder ein Telefon, um Bescheid zu sagen?
Und so entstehen die in diesem Beitrag verwendeten Bilder bei bestem Wetter und in aller Ruhe, denn ein weiterer Hundeüberfall bleibt dem Fahrer erspart.
Niemand wundert sich, wo der Fahrer wohl die ganze Zeit steckt. Vielleicht, mit viel Glück, hätte die Beifahrerin nach drei Tagen mal einen Suchtrupp organisiert.
Vielleicht.
Wer weiß das schon genau?
So als wieder erstarkte stolze Wohnmobilbesitzerin in Südamerika findet sie, sobald wieder gesund, mit Sicherheit viel schneller einen neuen Fahrer als das der Bisherige seine Gummilatschen gegen echte Schuhe tauschen kann.
Peter.
Das ist ja blöd mit Corona. Aber jetzt seid ihr erst mal Save.
Alles Gute und Gute Fahrt.
Frank