Da sind wir also endlich wieder in HESNAES, diesmal mit mehr Zeit, gutem Wetter und vollem Kühlschrank.
Aber im weiteren Gegensatz zum Vorjahr sind wir nicht alleine. OK, ein paar andere Boote wird man sicher in jedem Hafen in dieser Ecke der Ostsee erwarten müssen. Neuerdings auch ein paar Wohnmobile, und sei der Stellplatz am Hafen dafür auch noch so abweisend.
Aber so viele Menschen haben wir hier in HESNAES niemals, also wirklich noch nie, erlebt.

Auf den ersten Blick wirkt der sehr kleine Hafen wie immer. Alles so, wie es sein soll. Erst bei der kurzen Pilgerreise zum Waschhaus fällt auf, das auf der Wiese bestimmt zwanzig oder mehr Autos stehen und das ehemalige Fischfabrikgebäude in pastellrot seine großen schwarzen Tore geöffnet hat. Was ist denn da wohl jetzt drin?
Im Eingangsbereich ein paar Tische mit abgegriffenen Büchern darauf. Aha, wohl wieder so ein typisch dänischer Garagenflohmarkt? Nur langsam gewöhnen sich die Augen nach dem prallen Sonnenschein draußen an die relative Dunkelheit in der linken Halle der ehemaligen Fischfabrik zu HESNAES. Und wir erkennen: Nix Gragenflohmarkt!

Im hinteren Teil sind die Öfen und Arbeitstische samt Roll-Regalwagen mit Brot darauf zu erkennen, etwa in der Mitte der Halle steht eine große Theke die den Publikumsbereich vom Arbeitsbereich trennt. Links sind ein paar einfache Kisten aufgebaut, in denen allerlei Backkram (Zutaten, einfache Küchengeräte) zum Kauf angeboten werden. Auf der rechten Seite stehen große Kühlschränke mit Softdrinks. Und Weißwein, Sekt und lokalem FALSTER Bier.
In der rechten Halle sind Esstische und ein Tresen aufgebaut, aber dort sitzen keine Menschen. Die Gäste habe es sich vor den beiden Hallen in der Sonne gemütlich gemacht und vernaschen super entspannt aussehend alles, was hier so angeboten wird.

Nun, heute werden wir hier nichts probieren. Aber Morgen! Bestimmt.
Was folgt sind drei Nachmittage im Café von HESNAES.
Die Leute kommen aus der Umgebung tatsächlich hier her, um Kaffee zu trinken oder einfach nur vorzügliches Brot zum mitnehmen zu kaufen. Wer hätte das gedacht? Ein einfach gehaltenes Lokal bringt am Ende der (dänischen) Welt zu FALSTER das Leben in fast ein verlassenes Dorf zurück? Mehr braucht es scheinbar nicht.

Gehen wir erst mal wandern.
Die Nordtour. Wie mittlerweile üblich finden wir den Anfang des Rundweges nicht und laufen daher am Wasser zum Fuße der brüchigen Steilküste über allerhand Steine und Seegras. Mühsam. Tritt man in Seegras, scheucht man Millionen von Ostseefliegen auf. Ab und zu hängt von der Oberkante der Steilküste eine alte Festmacherleine herunter, die ganz verwegene wohl für einen Aufstieg verwenden könnten. Doch nicht wir.

Irgendwann finden wir einen Aufstieg ganz ohne Leine und landen prompt auf den zuvor gesuchten Wanderweg. Von hier oben ist die Kulisse doch etwas eindrucksvoller, als der von Seglern gewohnte Blick von der Wasseroberfläche. Herrlich gerade gewachsene, riesige Buchen stehen an der Kante. Bei genauerer Überlegung sind sie dem Tode geweiht, denn anders als in HERR DER RINGE können sie ja nicht wandern sondern nur geduldig darauf warten, das die Erdkante abbricht und sie in den Abgrund gerissen werden. Was für ein bestimmtes Schicksal!


Wir finden zwei kleine Ferienhäuser mit Seeblick auf Lichtungen im Wald. So schön der Anblick auch ist, so bitter ist wohl der Gedanke, das die Bewohner hier wohl niemals schwimmen gehen können. Kein Weg führt nach unten zum Wasser. Und selbst wenn, die Küste und das braune Wasser davor sieht hier nicht besonders badefreundlich aus.


Der Rundweg wäre noch viel länger, wir gehen jedoch ins Landesinnere auf großen Forstwegen zurück zum Hafen von HESNAES. Was für ein riesiger Wald. Die Reifenspuren von großem Arbeitsgerät und die vielen Holzstapel lassen auf eine intensive Waldbewirtschaftung schließen. Doch wir hören nichts. Absolut nichts. Keine Maschinen, aber auch keine Vögel. Kein rascheln um Gehölz. Schon etwas merkwürdig?


Zurück im Hafen wird im Café das FALSTER Bier, Kaffee und Kuchen getestet. Köstlich, alles samt.
Irgendwann stehen mehr Wohnmobile neben dem Café als Boote im Hafen liegen. Den Betreibern wird es egal sein, woher ihre Kunden kommen.
Anderntags machen wir uns auf den Südweg, der letzten Endes wohl bis GEDSER führen würde, würde man ihn denn vollständig abwandern. Daran ist natürlich nicht zu denken. Schließlich sind wir offizielle Segler, die sich nur mal ordentlich die Beine vertreten wollen.
Auf diesem Weg trifft man sogar Menschen! Das mag daran liegen, das hier noch ein weiteres, viel länger existierendes Lokal mit Namen POMLE NAKKE mitten im Wald, nahe der Steilküste gibt. Treue Gesellen, wie wir nun mal sind, kehren wir aber dort nicht ein, sondern freuen uns wieder auf „unser“ HESNAES Café bei unserer Rückkehr.

Auch am dritten Tag sind wir unterwegs. Trotz der gut geplanten und auch durchgeführten Bunkeraktion in RÖDVIG hat sich unerwartet Mangel an Traubensaft ergeben. Das Wetter ist zunächst lausig, also mit dem Bus nach Stubbekøbing.
Der fährt fast jede Stunde einmal. So weit so gut. Nur kann man keine Fahrscheine kaufen. Dafür bräuchte man mal wieder eine HANDY APP mit einem besonderen Zahlungsmittel und so bleibt nur die an den Busfahrer gerichtete Bitte, uns auch ohne Fahrschein mit zu nehmen. Geht klar. Besser zwei nicht zahlende Fahrgäste in dem großen Bus als gar keine Fahrgäste.

Sollte eine Fernsehproduktionsgesellschaft eine Kulisse für einen Endzeitfilm suchen, in Stubbekøbing würde sie wohl fündig werden. Natürlich, der Ort kann nichts für das trübe Nieselregenwetter, aber so sterbend haben wir noch keine dänische Stadt gesehen. In der „Innenstadt“ steht mindestens jeder zweite Laden leer. Viele auch schon länger. Außer einer Döner und einer Pizzabude gibt es kein Lokal. Der einzige Bäcker hat zwei Tische mit vier Stühlen im Regen stehen. Kaum ein Mensch auf der Straße. Wir besinnen uns auf den Anlass der heutigen Mission, besorgen den Traubensaft aus einem der beiden Discounter und sind in weniger als einer Stunde wieder mit dem Bus auf dem Rückweg nach HESNAES. Wieder erbettelt, denn auch in Stubbekøbing gibt es keine Automaten, an denen man einen Fahrschein käuflich erwerben könnte.

So oder so. Wir werden weiterreisen. Das Wetter scheint am nächsten Tag eine Weiterreise in den Großraum FEHMARN zu ermöglichen.
Mit Wind, mit Starkwind zwar, aber besser Starkwind als kein Wind.
So denken wir jedenfalls am Vorabend eines ungewollt anstrengenden Segeltages.
Peter.

