Bin ich der Einzige?

Bin ich eigentlich der Einzige, der im Fernsehen die geraden und ehrlichen Ermittler früherer Tage vermisst?

Heute, auf den Tag genau ist der Schauspieler Uwe Friedrichsen vor fünf Jahren am 30. April 2016 in Hamburg gestorben. Und just heute, durch absoluten Zufall, habe ich mir die letzte Folge der ARD Serie „Schwarz Rot Gold“ auf DVD angesehen. Das war der Abschluss der diesjährigen Sichtung. Seit Anfang April habe ich nahezu täglich eine der 17 Folgen davor am Nachmittag genossen und so meine im allgemeinen mittelprächtige Laune erheblich verbessert. Denn es macht Freude, ehrliche Menschen zu sehen.

Sicher, diese Wirtschaftskrimis wirken dreißig Jahre später ein wenig aus der Zeit gefallen. In 18 Folgen sind nur sehr wenige Tote zu beklagen – in Erinnerung bleibt ein namenloser Drogentoter der sich gleich zu Anfang der Folge „Stoff“ (1991) auf einer Bahnhofstoilette selbst zu Grunde gerichtet hat. In über 1.600 Serienminuten wird in Deutschland tatsächlich nur einmal scharf geschossen und der Held der Serie, Zollamtsrat Hans Zaluskowski in Folge „Nicht Schießen“ (1985) verletzt. In „Nicht Schießen“ geht es um den Schmuggel von Hochleistungscomputern aus den USA in die Sowjetunion, die heute nicht mal mehr als Taschenrechner für Grundschüler taugen würden.

Aber sonst tatsächlich keine Gewalt.

Dafür in jeder Folge gewaltige Dialoge bei denen es sich wirklich lohnt, genau zu zu hören. Ganz deutlich spürt man, das der Autor aller Folgen, Dieter Meichsner, von Hause aus ein echter Dramaturg war und es ganz hervorragend verstand, eine komplexe Geschichte für jeden nachvollziehbar zu erzählen.

Die Europäische Union war in den 80igern und 90igern des letzten Jahrhunderts längst noch nicht so integriert und vernetzt wie heute und Dieter Meichsner sind vermutlich die Geschichten zu Kaffeeschmuggel, leeren Videocassetten oder Schafsmilch einfach so in den Schoß gefallen. Um aus solchen Aufhängern aus dem wahren Leben eine gute Geschichte zu machen, war sicher eine aufwendige Recherche notwendig. Das würde die „nur zwei Folgen“ pro Jahr erklären.

In fast jeder Folge windet sich ein Übeltäter mit der Phrase, „wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer“. Und in jeder Folge wird dem Übeltäter – und damit auch mir Zuschauer aber klar gemacht, das diese Logik nicht stimmen kann: Wenn alle betrügen, hat keiner mehr einen Wettbewerbsvorteil durch Betrug.

Diese wunderbare Hilfestellung für den eigenen moralischen Kompass findet man im Fernsehen meines Wissens nur noch bei Eva Prohacek, gespielt von Senta Berger in der ZDF Serie „Unter Verdacht„. Doch auch diese ist mittlerweile eingestellt, wenn auch deutlich eleganter durch Ruhestand der Fernsehermittlerin und nicht so völlig fadenlos wie Zaluskowski in der letzten „Schwarz Rot Gold“ Folge „Im Sumpf“ (1995). Vielleicht hatte man ja gar nicht vor, aufzuhören und eine Fortsetzung hat sich einfach nicht ergeben?

Gleich die Auftaktfolge aus Mai 1982 ist besonders Erwähnenswert: In „Unser Land“ geht es um Steuerhinterziehung im Ölgeschäft. Der Titelsong „Unser Land“ (vorgetragen von Hans Hartz) hat unter anderem die hervorragende Textzeile „Dies ist unser Land, doch es gehört nicht Dir und mir…“ und spiegelt so das ewige Gefühl von „den Bonzen da oben“ und „wir hier unten“ wieder. Doch die Grenzen zwischen oben und unten verlaufen wie immer schwimmend, damals und jetzt.

Manchmal kommt eine Folge fast wie eine „Sendung mit der Maus“ für wirtschaftlich interessierte Erwachsene daher. Durch ein Rollenspiel der Zollfahnder in der Folge „Schwarzer Kaffee“ (1988) lernt man erstaunlich schnell, wie unfassbar reglementiert der damalige weltweite Kaffeehandel war und wie Gauner daraus Profit schlagen konnten.

Wenn man fast täglich eine Folge „Schwarz Rot Gold“ sieht beschleicht einem das Gefühl, dass Globalisierung und Freihandelsabkommen eigentlich nur als Kapitulation verstanden werden kann, weil eine faire Regelung des weltweiten Handels gescheitert ist.

Ich bin sicher, auch heute gäbe es genug spannende Wirtschaftsgeschichten die man als Krimi im Fernsehen erzählen könnte. Doch solche Geschichten sind natürlich aufwendig in der Erstellung eines glaubwürdigen Drehbuches für einfache Fernsehzuschauer wie mich. Einfacher ist es da wohl, mit Schlägereien, Mördern und Toten zu hantieren. Und mit Ermittlern, die allesamt auch Dreck am Stecken haben und schlicht nicht als Vorbild taugen.

Obwohl jede Folge so bummelig 90 Minuten läuft und nicht geschossen wird, wird nicht die ganze Zeit geredet. Lange Kamerafahrten gleich zu Anfang bringen den Zuschauer erst mal in aller Ruhe an den Ort des Geschehens und auch mitten im Film kann es mal sein, das ein, zwei, drei Minuten „nur“ Landschaft, Städte oder Fabriken zu sehen sind. Undenkbar in der heutigen Zeit der absurd schnellen Schnitte.

In der Folge „Der Rubel rollt“ (1992) ist es Dieter Meichsner perfekt gelungen, die großen und kleinen Betrügereien im Zusammenhang mit der Deutsche Wiedervereinigung zu thematisieren. Die katastrophalen Arbeitsbedingungen der damaligen Beamten sind hoffentlich überzeichnet, doch man muss wohl befürchten, das die dargestellten Szenen nahe an der Wahrheit waren.

In dem kleinen Booklet der ersten DVD Box wird Uwe Friedrichsen wie folgt zitiert:

„Das öffentliche Bild eines Beamten ist gemeinhin kein gutes. Aus dieser Tatsache heraus entwickelte ich den Ehrgeiz, einmal einen Beamten zu spielen, der Lust hat an seinem Beruf. Also keinen Schreibtischmenschen, sondern einen Mann der in seinem Job ´aufgeht´, um das Bild dieser oft gescholtenen Berufsgruppe wieder ein wenig gerade zu rücken. Und das ist mir, wie ich finde, ganz anständig gelungen.“

Ja, in der Tat!

Vielen Dank dafür.

Peter.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert