Mark Kellys Marathon

Es geht um Musik, nicht um Sport.

Schon gar nicht um Laufsport. Und doch, Mark Kelly ist auch ein Sportler. Läufer. Sogar Langläufer.

Aber nur, wenn er keine Musik macht. Seit gut 40 Jahren haut er bei MARILLION als Keyboarder in die Tasten. In all den Jahren war ihm der Sport als Ausgleich offenbar genug. Doch im vergangenen Jahr hat er die scheinbar länger gehegte Idee eines Soloprojekts in die Tat umgesetzt. Und so entwickelt sich MARILLION wie GENESIS. Langsam aber sicher starten alle ihre Soloprojekte, das Mutterschiff segelt noch eine Zeit weiter, doch wehe wenn einer der Solotänzer richtig Erfolg abseits des Mutterschiffes damit hat.

Mark Kelly (Marillion, Royal Albert Hall)

Das kann man so sehen, muss man aber nicht.

Denn die Soloprojekte der drei verbliebenen GENESIS Musiker Phil Collins, Tony Banks und Mike Rutherford sind eine musikalische Bereicherung sondergleichen und das das Mutterschiff GENESIS nicht weiter kommt, kann man daher verschmerzen. Erst recht, wenn man die musikalischen Werke von Peter Gabriel und Steve Hacket dazu zählt. Fünf Weltklassemusiker in einer Band können wohl nicht existieren.

Mark Kelly (Marillion, Royal Albert Hall)

Nun, bei MARILLLION ist es sicher noch nicht so weit, obwohl alle bis auf den Schlagzeuger Ian Mosley nun auch Soloprojekte am Start haben. Der Sänger Steve Hogarth wird wegen seiner Soloprojekte wohl nicht so verrückt sein, MARILLION den Rücken zu kehren. Beim Gitarristen Steve Rothery könnte es wohl schon gefährlicher werden. Ob er standhaft wäre, wenn sich eine Supergroup formieren würde? Richtig problematisch ist es beim unscheinbaren Pete Trewavas. Mit EDION´S CHILDREN und TRANSATLANIC zupft er gleich in zwei weiteren Bands sein Bass – TRANSATLANTIC ist schon recht erfolgreich.

Nun also auch noch Mark Kelly. Das gute daran ist ja, das man mehr neue Musik bekommen kann. Denn wie bei den Musikern von GENESIS ist es auch bei den Künstlern von MARILLION nicht so, das sich die Soloprojekte alle ähnlich anhören. Das sind durchaus eigenständige Werke und ich freue mich über diese wachsende Vielfalt.

Mark Kelly (Marillion, Royal Albert Hall)

Das Debütalbum „Mark Kelly´s Marathon“ wurde im letzten Jahr in Peter Gabriels Real World Studios unter Coronabedingungen eingespielt. Wie auch schon eine MARILLION Platte und „The Ghosts of Pripyat“ von Steve Rothery. Peter Gabriel sollte mal besser auf sein Studio aufpassen – nicht das es einfach von den MARILLION Leuten besetzt wird?

Mit gut 45 Minuten ist das Album kurz. Dadurch, das die einzelnen Tracks auch noch sehr kurzweilig rüber kommen, ist es schlicht und ergreifend zu kurz. Bereits nach einem Monat des täglichen hörens verlange ich nach Nachschlag! Legt man den Maßstab der anderen Marillos an, kann das aber noch vier oder fünf Jahre dauern…

Die CD gibt es in einer Version mit einer zusätzlicher DVD zu kaufen. Darauf findet man eine einfache Aufzeichnung der Aufnahmesession in den Real World Studios und ein paar erhellende Interviews aller beteiligten Musiker.

Wie so oft: Gibt es im bestehenden Musikerumfeld einen absoluten Übervater, wird dieser in eigenen Soloprojekten durch mindestens zwei Musiker vom gleichen Fach ersetzt. Als Beispiel möchte ich die Auftritte von Roger Waters Pink Floyd nennen, bei denen er seinen Ex-Kumpel David Gilmour mit mindestens zwei Gitarristen ersetzt. Oder das letzte Studioalbum von GENESIS („Calling All Stations„), auf dem Phil Collins durch zwei wahnsinnig junge und extrem talentierte Schlagzeuger sowie einem Sänger ersetzt wurde.

Mark Kelly (Marillion, Royal Albert Hall)

So auch bei Mark Kellys Marathon:
Die Gitarre wird von John Cordy und Pete Woody Wood gespielt. Erster ist recht jung und sehr flink mit den Fingern, Pete Wood ein besonnener, echter Routinier. Zusammen eine sehr gelungene Besetzung mit ihrem eigenen Stil. Das Synchronspiel von zwei Elektrogitarren kommt offenbar wieder in Mode.

Eine echte Wucht ist Oliver M Smith als Sänger. Ebenfalls deutlich jünger als Mark Kelly, mit einer wahnsinnig guten Stimme. Mit zunehmenden Alter wird sie vermutlich noch besser werden? Eigentlich hat Mark Kelly wohl jemanden gesucht, der sich wie Peter Gabriel anhören sollte, ich finde Oliver M Smith hört sich eher wie der junge Tony Hadley von SPANDAU BALLET. Passt super zur Musik. Volumen, klar, charmant.

Am Schlagzeug werkelt Henry Rogers ebenso unscheinbar wie alle anderen Schlagzeuger (mit Ausnahme von von Phil Collins) – sorgt aber für jede Menge Druck.

Dann gibt es da noch den jungen Bassisten Conal Kelly. Nicht der Sohn sondern der Neffe.

Und so schafft Mark Kelly etwas, was einen schon länger umtreibt: Wie schafft man es als Pop/Rock Musiker, das die eigene Musik weiter lebt wenn man selbst in die schwarze Kiste springen musste? Von den sechs MARATHON Musikern sind vier deutlich unter 40 Jahren. Das ist clever und hilft bestimmt dabei, die Musik jung und frisch zu halten. Und am Leben.

Sehr gelungen ist auch der Umstand, das Mark Kelly keine Keyboard-Soloorgien veranstaltet, sondern wie bei MARILLION wahrnehmbarer Teil des Ganzen ist. Na ja, auf dem Intro zu „Twenty Fifty One“ („Search“) vielleicht nicht – ist aber kurz und klasse und somit wohl erlaubt 😉
Später im gleichen Stück („Trail Of Tears“) muss ich immer kurz grinsen, wenn Mark sich wie Tony Banks und John sich wie Daryl Stuermer (beide GENESIS) anhöhren. Vermutlich als Ovation gemeint?

Das Stück „Puppets“ ist mein derzeitiger Ohrwurm. Locker, flockig und voller überspringender Spielfreude. Wenn man den auf Endloswiederholung stellt, merkt die lebenslange Begleitung erst nach Stunden, das es immer das gleiche Lied ist 😉

Also denn. Was zu dieser tollen neuen Platte gesagt werden musste ist nun gesagt.

Mark Kelly (Marillion, Royal Albert Hall)

Ich würde mich sehr freuen, wenn bei den vielen Soloprojekten die neue MARILLION Platte (Arbeitstitel „The Light At The End Of The Tunnel„) nicht leiden muss und das vor allem genug gute Ideen dafür übrig bleiben. Obwohl, bei den Marillos habe ich eigentlich keine Angst um Einfallslosigkeit.

Eher bedrückt mich die Situation bei GENESIS. Seit 24 Jahren (!) keine neue Platte mehr veröffentlicht. Das ist schade, sehr sehr schade.

Doch warum trübsal blasen?

Für den Moment habe ich ja MARK KELLYS MARATHON und demnächst landet auch die neue Scheibe von TRANSATLANTIC in meinen Ohren.

Hurra!

Peter.

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