Tag 24

Der Plan war:

Nachmittags Stralsund verlassen und auf das Ankerfeld vor Barhöft zu gehen, dort grillen, übernachten und am frühen Sonntag Morgen die gut 50 Meilen nach Rödvig überzusetzten, da ab Mittags der Wind einschlafen solle.

Man achte auf den Bootsnamen!

Guten Ankerplatz gefunden, der Haken direkt drin, Grill an und den ersten ruhigen Abend seit einer guten Woche eingeläutet. Wie schön!

Ein Blick aufs Wetter. Muss sein, wenn man auf einem Boot lebt: Huch, jetzt ist für Sonntag gar kein Wind mehr angesagt, aber in dieser Nacht sähe es noch gerade so gut aus. Das passiert bei der Wettervorhersage ja oft: Zeitliche Verschiebung, früher oder später.

Der Plan beginnt zu bröckeln.

Erst mal Essen. Herrlich. Die Abendsonne im Westen klar im Blick, eine leichte Ostbriese, Ruhe und Geborgenheit. Während wir essen kommen noch ein paar mehr Ankerlieger und einige legen sich verdächtig nahe an andere, aber uns geht es gut. Auch nach dem Essen. Beim Spülen dann:

Was wäre denn, wenn wir einen Übernachter aus dem anstehenden Schlag machen? Wetter optimal. In dieser Nacht nur. Tagsüber nicht mehr. Bleibt lange hell und wird früh hell.

Na ja. Man müsste mal ´ne Kanne Kaffee kochen, Nachtfutter in Form von Schokolade und Keksen ist genug an Bord und bis auf die Überquerung des östlichen Endes der Kadetrinne auch kein Hauptschiffahrtsweg zu queren.

Na denn.

Neuer Plan.

Seeklar machen und los gehts. Direkt nach Anker auf setzen wir im Fahrwasser Vollzeug und verlassen den Bodden gegen 20:30 Uhr. Ein paar andere Boote haben offenbar den gleichen Gedanken und so sind wir vier oder fünf Dampfer im Fahrwasser nach Norden. Der Skipper gibt sich Mühe mit der Segelstellung und wir überholen alle im absolut ungewohnt spiegelglatten Wasser der Ostsse. Alle. Also wirklich alle. Alle alle. Auch den riesen-Charter-Dampfer mit 6 Kerlen an Bord die ihre Segel viel zu dicht getrimmt haben und die ewig lange in Stralsund beim Hafenmeisterbüro lagen. Auch die. Man lernt nie aus und freut sich über Lernerfolge. Immer noch.

Wir zählen über 20 Boote die auf der Westseite von Hiddensee ankern. Klar, bei dem Ostwind geht das und Morgen soll die große Flaute sein. Dennoch. Selten exponierter Ankerplatz. Der STORMVOGEL läuft und läuft und der Skipper rechnet schon. Oh Mist, bloß nicht zu früh´ ankommen. Doch die Sorge ist natürlich unbegründet. Erstmal den weit auf See liegenden Windschatten von Hiddensee abbummeln, drei, dreieinhalb, ganz selten mal vier Knoten. Besser Knötchen. Geht aber, weil es absolut keine Welle gibt und die Segel nicht wie sonst üblich schlagen.
Irgendwann laufen wir für eine Stunde unter Maschine, weil wirklich gar nichts mehr geht. Dann auf einmal wieder 10 Knoten Wind und der Brüllaffe wird gnadenlos abgestellt.

Es wird dämmrig und schummrig, aber nicht richtig dunkel. In der Kadettrinne ist die Hölle los, aber die von West kommenden Frachter machen uns keine Probleme, auch wenn sie auf eine Seemeile heran kommen. Doch aus Ost kommt so ein tiefgangbehindertes Monstrum schnell auf und wir fahren einen Riesen Schlenker um ihn hinter seinem Heck zu passieren. Dieses AIS ist schon eine tolle Sache, schade nur, das es für Yachten immer noch nicht vorgeschrieben ist. Damit kann man ganz hervorragend die Situation am Bildschirm abschätzen und seine Manöver genau absetzten.

Nun, irgendwie hat das mit der Wacheinteilung nicht geklappt. Die Mannschaft pennt immer noch in der Seekoje und wird einfach nicht von alleine Wach. Der Skipper wittert Betrug, findet jedoch keinen Gesprächspartner um seinen Verdacht äußern zu können. So eine wieder erlangte Zweisamkeit hat auch Nachteile.

Kurz vor Mön kommen von Backbord gleich drei Schwedenfähren auf und bleiben eisern auf Kurs. Wie angetackert. Laut AIS 800 Meter Abstand, na ja. Man kann sie klar sehen und weiß wo sie hin wollen. Es wird bereits wieder hell, auf UKW Funk versucht ein Guardvessel (Sicherungsfahrzeug) einen ebenfalls nordgehenden Segler ohne AIS davon abzuhalten, in die Windparkbaustelle Kriegers Flak einzufahren. Der Segler reagiert aber nicht. Wir sind nicht gemeint. Zu weit weg und durch unser aktives AIS könnte der Funker uns auch direkt mit Namen ansprechen. Diese Windparkbaustellen sind eine Pest. Doch wie heißt es so schön? Einen Tot muss man sterben. Wie wahr.

Eine gute Stunde vor Rödvig auf Stevns Klint ist der Wind endgültig weg und das Monster im Keller muss wieder ran. Gegen 8:00 Uhr am Sonntag Morgen kurven im Yachthafen herum. Brechendvoll, 5er Päckchen. OK, wirklich keine gute Uhrzeit zum ankommen.

Ganz schlechter Stil des zu Gast befindlichen Deutschen Skippers im fremden Hafen: Die auserwählte Box ist mal wieder zu klein und ob der vielen Bugstrahlmanöver dürfte nun jeder der zahlreich anwesenden Dänen wirklich wach sein. Oh, wie peinlich. Die Müdigkeit hat wohl einen klaren Gedanken behindert.

Ab in den Fischereihafen und da geht doch gerade ein Däne aus einer breiten Box raus, wir rein und schwups, Übernachter erfolgreich beendet.

Allerdings, so ein spontaner Übernachter fordert seinen Tribut. Immer. Nix ist umsonst. Den ganzen Tag hängen wir durch – wir! Und das, obwohl die Mannschaft sauber den Trip verpennt hat und nur mal eben locker zum Festmachen an Deck erschienen ist. Aber das kennen wir von früher. Die Anspannung bleibt, auch im Schlaf. Erst nach drei, vier Tagen kommt die Routine und die Nachtruhe.

Früher war Rödvig ein sehr geschäftiger Fischereihafen. Das ist wohl etwas zurück gegangen, dafür liegen jetzt gleich vier Windpark-Crewfähren an der Kai. Während der Skipper sich durch die Manövierfähigkeit dieser Boote beeindrucken lässt, schießt ihm die Ironie durch den Kopf: Die Dampfer brauchen mordsmäßig viel Diesel, um mit über 20 Knoten die Servicetechniker zu den Baustellen zu bringen. Um dann irgendwann einmal saubere Energie zu erzeugen.

Und weil Fahrtensegeln auf den ersten Blick doch viele Gemeinsamkeiten mit Wohnmobilreisen hat, gibt es jetzt überall an den Häfen ausgewiesene Stellplätze für die Raumschiffe zu Land. Man teilt sich Duschen und WC, sogar den eisernen Hafenmeister in Form eines Automaten zum bezahlen.

Nun, Rödvig ist ein geschäftiges Tourinest. Erst Recht an einem Sonntag. Erst Recht an einem Sonntag in den Dänischen Sommerferien. Wie schön, wieder in Dänemark zu sein!

Warum?

Weil offenbar nur hier in Dänemark die wahre Schönheit des STORMVOGELS den vorbeilaufenden Menschen auffällt und diese spontan zu „was für ein schönes Boot!“ Bemerkungen hingerissen werden.

Ja, finden wir auch!

Peter.

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