Porto Santo (Portugal) – Gran Canaria (Spanien)

Am Mittwoch, den 24. Oktober 2012 treffen wir am Morgen die Entscheidung zum Aufbruch nach Gran Canaria.

Das Wetterfenster scheint optimal. Anfangs noch starker Wind und Welle, im Verlauf des Donnerstags soll beides abnehmen und in einer kleinen Schwachwindzone vor Gran Canaria münden.  Also optimal für Segelboote mit unsicherer Motorisierung.

Wir reisen alleine ab – die anderen Boote haben andere Ziele und Reisepläne. Also Abschied von Bella und Maunie – schon wieder! Ich bin sehr angespannt und gar nicht bei der Sache…unangemessen für Crews, die uns aus tiefer Patsche geholfen haben!

Im Hafenbecken Segel gesetzt, direkt weiter im 2. Reff – so sind wir auch in Porto Santo angekommen. Kurz nach Verlassen des Hafens Motor aus. Hoffentlich springt der wieder an, wenn wir ihn brauchen!

Und los geht die Brausefahrt! Wir laufen in der Spitze 9 Knoten – der Durchschnitt liegt über 7. Das ist schnell. Eigentlich sogar sehr schnell! Auf Halbwindkursen wird es schwer sein, dem Stormvogel zu folgen!

Hochsee-Segeln: Wir haben nun Übung mit den Regenschauern: Wenn wir eine erkennen, die uns erwischen wird, dann nehmen wir das Yankee ganz weg, wenn es gar zu doll wird, reffen wir während des  Schaueres mit lautem Getöse auch die Fock. Am Abend entscheide ich mich für das Dritte Reff im Groß. Gute Entscheidung: Das Boot segelt aufrechter und lässt sich mit einem Finger steuern.

Wir haben sehr viel Wasser an Deck. Die Gischt kommt von Steuerbord über Deck und gar zu übermütige Wellen meinen auch mal einsteigen zu können. Ausserdem schaufeln wir oft große Mengen Seewasser über den Bug auf das Deck. Der Stormvogel setzt zwar weich in die Welle ein, taucht dann aber gerne auch mal tiefer als für eine trockene Fahrt notwendig, ein. Die Konsequenz ist uns klar: Über unser kleines Leck an Deck (Wasserstutzten Steuerbord Frischwassertank) werden wir Wasser nehmen und viel mehr Meerwasser (;-)) wird über die Decksluke im Heck ins Boot kommen. Alles im Griff.

In der ersten Nacht ist nicht an Schlaf zu denken. Die See ist aufgewühlt, der Wind in Richtung zwar konstant, aber in Stärke sehr unterschiedlich. Immer wieder Segelmanöver. Schiffsverkehr beobachten wir keinen. Völlig allein.

Jeder verbringt seine Wache, wie er will. Heidi liest heimlich, damit ich nicht über das Licht meckere. Ich höre zum 1.237mal „Sounds That`s Cant Be Made“ von Marillion – wie kann man nur so viele tolle Einfälle für Melodien und Harmonien haben und die dann auch noch in einem Lied unterbringen? Geschweige denn einem ganzen Album?

Try to see the blue sky above the rain: Gegen Mittag am Donnerstag (25/10/2012) wird klar: Wir haben unsere eigenen Bestzeiten getoppt. In einem Etmal (Strecke innerhalb von 24 Stunden) haben wir 150 Seemeilen gemacht – oder sollte man sagen, gebrettert?

Wir stehen regelmäßig in Kontakt mit Knut (alias METABO) und besprechen das Wetter. Der ist ganz erstaunt darüber das sich das Wetter nicht an die Vorhersage hält und fühlt mit uns. Aber um ehrlich zu sein: Trotzt Schlafmangel und Unwohlsein – wir wollen die schnelle Fahrt. Also Wind, bleib lange bei uns!

In der Nacht zum Freitag beruhigt sich See und Wind und es wird wirklich angenehm. Na ja, bis auf den Dampfer der im Spitzen Winkel achterlich von Backbord auf uns zuläuft. Klar, wir sind Kurshalter und er muss sehen, wie er vorbei kommt. Aber irgendwie kommt er immer näher und ich werde unruhig…und mache dann was, was man nicht machen soll. Ich ändere meinen Kurs ein Stück nach Steuerbord. Da ruft mich der diensthabende Offizier doch glatt über UKW an und meint, was ich denn da veranstalten würde? OK, ich bekenne mich schuldig und wir einigen uns auf ein Ausweichmanöver. Denke ich jedenfalls. Aber irgendwie kommen wir uns immer näher und ich will in jedem Fall Abstand halten. Bei allem Verständnis dafür, das die kommerziellen Dampfer Kurs und Geschwindigkeit halten wollen, Ausweichregeln sind nun mal Ausweichregeln. Am Ende ändere ich unseren Kurs um 90° nach backbord, halte solange auf sein Heck zu bis wir es passiert haben und gehe dann auf unseren alten Südkurs. Ich denke, ein „Problem“ war wohl auch die ähnliche Geschwindigkeit: Laut AIS lief der Dampfer 13 Knoten, wir zwischen 7 und 8. Dann passiert eben alles in Zeitlupe.

Der Freitag (26/10/2012) morgen bricht an und wir stehen nur noch 20 Seemeilen vor dem Ziel. Bis auf einzelne lange Wellen ist es fast ruhig. Wir machen nur noch 4-5 Knoten. Also das Groß voll raus und so nah wie möglich unter Segeln an Gran Canaria ran!

Unser Stromverbrauch macht mir ab und zu Sorgen. Die Verbrauchsbatterien sind auf 12,2 Volt runter. Trotz minimalem Plottergerbauch. Die elktro-hydraulische Selbststeueranlage braucht bei der Welle einfach zu viel Strom.  Der Generator streikt – meine Entlüftung in Porto Santo war wohl nicht dauerhaft erfolgreich. Das wärs doch…Batterien leer, Motor springt nicht an, kein Funk möglich, Flaute…an was man nicht so alles denkt, wenn man völlig übermüdet auf Land stößt 😉

Dabei habe ich mich doch für den Fall der Fälle vorher über Schlepperhilfe erkundigt und eine Telefonnummer für den Notfall in der Hand. 12 Meilen vor dem Ziel ist der Wind weg und die Stunde der Wahrheit  bricht an:

Der Motor springt tadellos an, sorgt für Vortrieb und Strom. Alles ist gut, es gibt die Nordost-Kante von Gran Canaria zu sehen und wir klaren schon mal unseren Dampfer auf.

Über UKW Funk reagiert die Marina nicht – also um 11 Uhr an den Empfangssteg zum Anmelden. Sage und Schreibe 45 Minuten dauert das!

Nach 46 Stunden und 302 Seemeilen beenden wir nun also mit dem letzten Schlag unsere erste große Etappe von Hamburg nach Gran Canaria.

Völlig anderer Verlauf als jemals gedacht.

Völlig unvorhersehbar.

Völlig anders als unser bisheriges Leben.

Körperlich viel anstrengender als jemals gedacht. Wir spüren jeden Knochen und unsere Haut ist übersät von blauen Flecken.

Aber wir sind hier! We made it!

Jetzt haben wir genügend Zeit für viele kleine und einige größere Reparaturen. Das Boot braucht noch ein bisschen Zuwendung, bis es vier Wochen auf hohe See kann.

Peter, mit Freigabe durch den Kommunikationsoffizier Heidi.

P.S.: Als Nachtrag zum Törn von Nazare nach Porto Santo ein Video:

2 Kommentare

  1. Liebe Heidi und lieber Peter,

    wir haben soeben euere Hochsee-Intercity-Fahrt nach Gran Canaria bewundert. Uns wurde angesichts der Wellen und des vielen Wasser schon vorm Laptop Angst und Bange. Bei uns hier kommt das Wasser von oben, heute bereits als Eisregen. Hier in Stellshagen färben sich die Blätter des Ginkobaumes wunderschön gelb und die Fische in unserem kleinen Teich haben sich bereits in sichere, eisfreie Tiefen zurückgezogen.
    Wir sitzen am Kaminfeuer und Edda lässt dir ausrichten, dass an der Stelle, an der du die Einrichtung demontiert hast, sich jetzt eine gemütliche Sitzecke befindet. Aber sieh selbst bei deinem nächsten Besuch in einigen Jahren.
    Wir senden euch die Wärme von unserem Kaminfeuer und liebe Grüße und wünschen euch weiterhin gute Fahrt auf euerer Abenteuerreise.

    Liebe Grüße
    Edda und Georg

    Freigegeben von Leichtmatrose Edda

  2. Hier ist Metabo,

    schön, dass ihr gut angekommen seid.

    „Prognosen sind insbesondere dann schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen!“, sagte mal ein kluger Mitarbeiter von mir. Das ist halt der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Aber das ist ja der Grund, warum ich dann mitkomme: Von den Praktikern lernen, heißt siegen lernen!

    Schauen wir uns trotzdem einmal an, was die amerikanischen (NOAA) und europäischen Wetterfrösche (ECMF) gemeldet haben. Einmal vor Abfahrt Madeira, während der Überfahrt und einmal kurz vor Ankunft Gran Canaria. Dazu eine tägliche Nachbetrachtung und ein Fazit zu den heutigen Wetterprognosen:

    #### Auszug Wettermail an Stormvogel ####
    #### Sonntag, den 21.10.2012, 22:00 Uhr #####################
    Aufgrund des noch zu weit westlich liegenden Tiefs westlich von Spanien habt ihr noch süd bis südwestliche Winde. Im Lauf des Dienstags Gewitter und Regenschauer möglich. Kaltfront zieht direkt über Madeira hinweig.

    Empfohlene Abfahrt: Mittwoch

    • Montag: SW 6, 4-5 m
    • Dienstag: Wind dreht abends auf W 6, 4m
    • Mittwoch: W 5, 4-5 m später 2-3 m
    • Donnerstag Nachmittag NW 5
    • Freitag Nachmittag NW 3-4
    • Nacht von Freitag auf Samstag abschwänchend auf NW 2-3
    • Samstag Mittag NNW 1, Welle < 1 m

    #### Auszug Wettermail an Stormvogel ####
    #### Dienstag, den 23.10.2012, 22:00 Uhr #####################
    Das Tief an der westlichen Küste Englands zieht nur langsam ab. Obgleich die Front durch ist, habt ihr es mit erheblichen Schauern bis einschließlich Donnerstag zu tun.

    Empfohlene Abfahrt: Mittwoch

    • Mittwoch ab Mittag W 5-6, 2-3 m Welle
    • Donnerstag ab Mittag W 4, 2 m Welle
    • Freitag ab Mittag W 3, 1-2 m Welle, später W 2
    • Samstag Wind NW drehend 2-3 Bft, 1 m Welle, später N 2 Bft
    • Sonntag früh dreht er auf E 2, < 1 m Welle, Sonntag Mittag auf SE 2 und dann auf S 2

    Nachbetrachtung: Hier zeigt sich, dass die Prognosen für Mittwoch eine Verstärkung angesagt haben, jedoch für ab Donnerstag sogar eine entspanntere Situation als zuvor angeben. Trotzdem bzw. gerade deswegen wird an der Empfehlung festgehalten.

    #### Auszug Wettermail an Stormvogel ####
    #### Mittwoch, den 24.10.2012, 22:00 Uhr #####################
    Abfahrt von Stormvogel.
    Alles ist soweit gut. Keine bösen Überraschungen. Schauer an allen Tagen möglich.

    • Mittwoch Abend W 5-6, 3-4 m Welle, abnehmend über Nacht
    • Bis Donnerstag Abend W 5, 2 m Welle
    • Bis Freitag Abend NW 4, 1-2 m Welle
    • Bis Samstag Abend NW 2-3, 1 m Welle, in der Nacht zu Sonntag schläft der Wind ein
    • Sonntag noch einmal schwacher Nordwind

    Nachbetrachtung: Für Mittwoch wurde noch einmal bzgl. der Wellehöhe oben aufgelegt. Der Wellenrückgang als auch die Abschwächung des Windes erfolgt langsamer als am Vortag prognostiziert. Dies führt auf Stormvogel auch zu der ruppigen und anstregenden Nachtfahrt. Die Prognosen für Donnerstag und Freitag wurden auch noch einmal nach oben etwas angepasst. Dies ist wiederum zurückzuführen auf den verzögerten Abzug des über England abziehenden Tiefs.

    Stormvogel fragte besseres Wetter an. In Rheda-Wiedenbrück wurden daraufhin Schön-Wetter-Tänze durchgeführt.

    #### Auszug Wettermail an Stormvogel ####
    #### Donnerstag, den 25.10.2012, 7:44 Uhr #####################
    Nach erfolgten Schön-Wetter-Tänzen war Erfolg zu vermelden.
    Wind geht an aktueller Position auf W5 zurück. Der Wind dreht weiter recht. Es muss stündlich besser werden.
    Mit jeder Meile geht es weg vom über England abziehenden Tief.
    Weiter durchhalten.

    • Jetzt WSW 6 mit 3-4 m Welle, bis Donnerstag Abend W 5 mit 2 m Welle
    • Ab Freitag Mittag NW 4, 2-3 m Welle
    • In der Nacht zu Samstag und ab dann W-WNW 4, 2 m Welle
    • Ab Samstag Mittag NW 4, 1-2 m Welle
    • Ab Samstag Abend NNW 2-3 bei 1m Welle
    • In der Nacht von Samstag auf Sonntag schläft der Wind ein und dreht auf E.

    Nachbetrachtung: Das zeigt sich auch in den Folgetagen, so dass Stormvogel weiter kämpfen muss. Da gibt es nur eine Möglichkeit: Durchhalten.

    #### Auszug Wettermail an Stormvogel ####
    #### Donnerstag, den 25.10.2012, 22:00 Uhr #####################
    Noch 120 sm, dann ist es geschafft.
    Es müsste jetzt eigentlich besser laufen. Aus einem Wind von WSW 6 ist nun WNW 5 geworden. Die Welle müsste jetzt im Maximum unter 5m zurückgegangen sein. Die signifikante Welle müsste deutlich unter 4m sein. Schauer bleiben wie bisher, das ändert sich erst kurz vor GC.

    • Jetzt WNW 5 (vorher WSW 6) mit 3.50 m Welle
    • Freitag 9:00 Uhr WNW 5 bei 3.50 m Welle
    • Freitag 12:00 Uhr NW 4 bei 2 m Welle
    • Freitag 16:00 Uhr NNW 3 bei 1.5 m Welle
    • Freitag 21:00 Uhr NNW 2 bei 1 m Welle

    Nachbetrachtung: Die erwartete Verbesserung ist nun erreicht. 1 Tag zu spät. Aber der erwartete Rückgang zeigt sich dann auch direkt bei den Kanarischen Inseln. Stormvogel ist mit Etmalen von 150 sm von Madeira nach Gran Canaria „geflogen“. Der Motor ist sofort angesprungen. Das Ziel ist erreicht.

    Fazit: Schlechte Nachricht ist, dass es vorkommen kann, dass Tiefs mal schneller oder langsamer abziehen. Dies war in den Wetterkarten so nicht erkennbar. Gute Nachricht ist, dass es keine bösen Überraschungen gegeben hat, also die Situation sich dramatisch verschlechtert hat oder gar Unbekanntes aufgetaucht ist (wir erinnern uns an Nadine und deren Richtungsänderung http://www.diemel-net.de/AtlanticCrossing/?p=203). Die Prognosen der Winde waren +/- 1 Bft, die Prognosen der Wellen waren +/- 2 m. Wobei die oben angegebenen Welle die signifikante Welle und nicht die maximale Welle war. Die abnehmende Tendenz war immer da, jedoch um einen Tag verzögert. Die Entscheidung loszufahren war in jedem Fall richtig, da die angesagten Sturmtiefs (Frankenstorm) gekommen sind und die Fahrt mindestens um eine Woche verzögert hätten. Man hätte ggf. einen Tag später losfahren können, aber es ist ja immer so: Hinterher weiß man es besser.

    Was bleibt: Heidi und Peter können jetzt ihre Bäuche in die Sonne legen und sich noch etwas ausruhen.

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