Zur Lage V

Es fehlt nicht mehr viel und wir geben unserem Stormvogel einen neuen Namen.

Pechvogel wäre wohl angebrachter.

Unsere nagelneue, teuer bezahlte und lang erwartete Maschine wurde falsch eingebaut. Daraus hat sich ein erheblicher Schaden entwickelt der nun dazu führt, das wir vier Wochen vor Start der Atlantik-Rallye technisch nicht weiter sind, als Ende September. Wir haben einen Motor von dem wir nicht wissen, wie gut er ist.

Was ist passiert?

Wenn ein Bootsmotor unterhalb der Wasserlinie in ein Boot eingebaut wird, muss ein sogenanntes „Anti-Siphon“ verbaut werden, welches den Seewasserkreislauf einmal über die Wasserlinie hebt. Ferner hat dieses „Anti-Syphon“ eine Ventilation damit der Wasserkreislauf unterbrochen wird, wenn der Motor abgestellt ist.

Die Mechaniker in Vigo haben die Ventilation des „Anti-Syphon“ mit einem langen Schlauch versehen und ihn „sauber“ in die Motorbilge verlegt.

Die Motorbilge war in den ersten Tagen nach Vigo noch trocken, bei den späteren raueren Törns stand ca 2-4 cm Wasser in der Bilge. Das ist normal, schließlich sammelt die Bilge ja alles Schwitzwasser und evtl. vom Deck eindringendes Wasser auf.

Dadurch geriet der Ventilations-Schlauch des „Anti-Syphons“ unter Wasser und konnte keine Luft mehr ziehen wenn der Motor abgestellt wurde – und der Seewasserkreislauf wurde nicht mehr zwangsweise unterbrochen.

Und dann geschieht leider sagenhaftes: Dadurch, das sich der Motor und die Luft darin abkühlt saugt sich der Motor (obwohl abgestellt) selbst mit Wasser voll, bis es hinten am Auspuff wieder herauskommen müsste. Kann es aber nicht, weil der Auspuff-Austritt ja über Wasser liegen muss. Also läuft das Wasser zurück und gelangt über die Auslassventile in den Brennraum (die Zylinder) des Motors. Hier soll normalerweise feinstes Öl für eine optimale Schmierung sorgen…

…und da steht nun Salzwasser aus dem Atlantik und „ätzt“ herum.

Das ist dann auch der Grund für das „nicht Anspringen“ am vergangenen Montag. Nicht eine leere Batterie war schuld, wie ursprünglich gedacht. Durch das Wasser im Zylinder konnte der Anlasser den Motor nicht mehr drehen – denn Wasser kann im Gegensatz zur Luft (die ja normalerweise im Zylinder wäre) nicht komprimiert werden.

Warum der Motor dann Montags Abend dann doch angesprungen ist bleibt unklar. Vermutlich eine  günstige Konstellation aus „wie viel Wasser in welchem Zylinder“ und Drehmoment des Anlassers.

Wir haben dann unwissentlich ca. 40 Stunden mit einem Öl-Seewassergemisch den Motor betrieben. Das er dann am Donnerstag (als es dann wirklich wichtig war!) wieder nicht ansprang lag daran, das er sich wieder vollgesaugt hatte.

Am Freitag Morgen Kriesentelefonat mit Wolfgang. Von meiner Stromtheorie hält er nichts. Ich solle unbedingt das Öl kontrollieren – und leider liegt Wolfgangs Riecher 100% richtig. Ein weiterer Fachmann wird eingebunden und an einer Therapie gefeilt.

Eigentlich müsste der Motor sofort raus, komplett zerlegt und gereinigt werden.

Das kann man auf Porto Santo getrost vergessen. Ein Eiland mit 4.000 Einwohnern.

Also Notfallplan: Motor zweimal mit Diesel spülen, dann dreimal mit Öl.

So eine Spülung sieht wie folgt aus:

Alte Flüssigkeit (Öl oder Diesel) abpumpen. Das sind jedesmal 10 Liter die über eine Handpumpe abgesaugt werden. Dann neue Flüssigkeit rein (Diesel oder eben Öl), dann den Motor von Hand durchdrehen und alles wieder raus.

Mit Hilfe von Graham und Mathias schuften wir den ganzen Freitag und sind am Abend sehr froh´ als der Motor mit der ersten Ölfüllung tadellos startet. Nach einer Minute wieder aus – schließlich müssen wir ja noch weiter spülen.

Aber nun ist erst mal Feierabend und die drei Crews grillen am Steg. Der sehr schöne Abend verdrängt den Mist des Tages…

Am Samstag kämpfe ich den halben Tag mit dem Ölfilter – das Teil ist so ver- und umbaut,  das ich schon sehr kämpfen muss, um den Filter wechseln zu können.

Wir haben „nur“ 12 Liter Öl an Bord, Heidi geht in die Stadt und ruft schockiert an: Die wollen über 60 € für 5 Liter einfaches 15W-40 haben. Mit Hilfe eines Taxifahrers bekommt sie dann 20 Liter für 120 €.

Durch die ganze hantiererei mit Seewasser, Öl und Diesel sieht unser Boot zwischenzeitlich eher wie eine Raffenarie aus und es stinkt übelst. Wir laufen uns die Füße Wund um den ganzen Schmodder zur Entsorgungsstation zu bringen.

Aber es wird durchgezogen: Am Samstag Abend ist die Drecksarbeit erledigt und der Motor hat einen 2 Stunden Lasttest an der Pier gut überstanden. Keine auffälligen Laufgeräusche, Öldruck und Temperatur wie vorher (neu) . Das letzte abgepumpte Öl und eine normale Viskosität, keine Spuren von Wasser oder Salz optisch erkennbar. Nur die Farbe ist recht dunkel.

Natürlich haben wir auch die Ventilation des „Anti-Syphons“ „repariert“: Der Schlauch ist nun um 20 cm gekürzt und hängt in der Luft.

Tja, nun sitzen wir da auf unserem Stormvogel. Im Besten Fall ist unser neuer Motor innerhalb von 60 Betriebsstunden um 3-5 Jahre gealtert und läuft noch ein paar Jahre. Wahrscheinlicher sind aber Lagerschäden die dazu führen, das er sich unvorhergesehen festfrißt und stehen bleibt.

Was läuft hier wohl schief? Schlechtes Charma oder was?

War es so naiv sich in Vigo einen neuen Motor einbauen zu lassen? Das ist schließlich Europa!

Morgen (Montag) wird wohl viel telefoniert. Versicherung wg. Rechtsschutz – schließlich haben die in Vigo ganz klar einen schweren Einbaufehler begangen. Dann mit der Vigo-Truppe um zu sehen, wie weit ihr Schuldeingeständnis geht. Denn wir wollten ja einen NEUEN Motor und keinen künstlich gealterten. Und schließlich mit HUTTING um die Möglichkeit eines dritten Motors zu erörtern.

Soweit zur Begründung für den volltrunkenen Samstagabend.

Peter.

P.S.: Haben die ARC Flagge gesetzt. Jeder soll sehen, was wir weiter gehen!!! (auch derjenige (oder dasjenige) der uns immer diese schweren Steine in den Weg schiebt).

2 Kommentare

  1. Hallo Heidi und Peter,
    was Euch da passiert ist, kann einem nur noch Leid tun. Ja, ich weiß,ich habe Mist erzählt, mit der Überhitzung des alten Motors…(Ist halt kein Benziner…)
    Und ja, man ist natürlich auch geneigt, zu denken: „Sieh‘ an, damit haben die Landratten wohl nicht gerechnet…“
    Was habt ihr denn nun vor mit der neuen Maschine? Nach den ganzen Spülungen sollte doch der übrige Kram ‚raus sein, oder?
    Wieviel Zeit bleibt Euch denn auf den Kanaren, bis Ihr endgültig in See stecht?
    Ich hoffe genug, um gewährleisten zu können, dass ihr mit einer einwandfrei laufenden Maschine losdüst…
    Man stelle sich mal vor, Ihr habt zwar eine Maschine, und auch genügend Treibstoff (wie weit reicht der eigentlich…?) um auf Flaute(n) zu reagieren…- und das Schei*ding will einfach nicht…
    Ich für meinen Teil wünsche Euch auf den Kanaren (ist ja nun wirklich eine Seefahrernation) einen wirklich versierten Mechaniker, der weiß, wovon er redet, und der Euch nicht einfach abkassiert, abserviert, und Euch wissentlich zum Teufel schickt. Un denkt daran (aber das macht Ihr sowieso): Ihr habt eine weite Durststrecke vor euch, über den Atlantik.
    Wie reagiert Ihr, wenn der Motor zwar noch nicht so läuft wie gewünscht, aber die anderen Boote bereits auslaufen…
    Trefft weise Entscheidungen…
    Viele Grüße,
    Frank

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