London mit DAVID BOWIE, MARILLION, Blöden und Abzockern

Wieder zu Hause. Du liebe Güte! Wie anstrengend können denn bloß drei Tage in einer Großstadt sein? Wie fühlen uns, als ob wir 14 Tage in NEPAL gewandert wären.

Reisetechnisch hat alles so geklappt, wie es sollte. RYANAIR hat uns bewährt abweisend von und nach LONDON STANSTED befördert. Den NATIONAL EXPRESSS Buss-Shuttle werden wir wohl nie wieder verwenden, denn der brauchte Montagabend im Berufsverkehr über zwei Stunden zum Flughafen. Stop & Go im Bus strengt auch an!

Das PULLMAN Hotel hingegen ein absoluter Kracher. Alles sehr schön & schick, das offenbar handverlesene Personal ist so unglaublich zuvorkommend und freundlich, das uns glatt die Spucke weg bleibt. Wir kennen ja durchaus einige Hotels – das hier war wohl das Beste. Nur die Geschichte mit den Zimmerpreisen ist ein Rätsel: Die hinter dem Empfangstresen angezeigte Walk-In Rate war drei Mal höher, als die, die wir über BOOKING.COM bezahlt haben. Drei Mal höher?

Nun denn, Sight Seeing war nicht angesagt, aber ein wenig Shopping auf der OXFORD STREET. Auch mal ganz nett, aber nicht wirklich meine Welt.

Abends dann in das Musical LAZARUS – mit geschrieben von DAVID BOWIE und mit einigen seiner Songs. Tja, was soll man sagen? Sehr enttäuschend, das Ganze. Man muss wohl moderne Theaterkunst mögen. Also solche Art von Kunst, in der die Schauspieler auf der Bühne mit Blut und Milch nur so herumsauen, so dass man sich unwillkürlich fragt, wer das wohl alles wieder sauber machen soll? Die Live-Band hinter Glas immerhin sichtbar, doch die Interpretation der Songs nicht unbedingt darauf angelegt, das man welche wieder erkennt. LAZARUS sollte man wirklich nur besuchen, wenn man modernes Theater mag. Wenn man die Musik von DAVID BOWIE hören möchte, sollte man sich lieber für ca. 8% des Eintrittspreises die Best-Of Doppel-CD kaufen und ab geht die Post 😉

Tags darauf dann Segler zum Essen treffen, die unseren Blog gefunden haben…das WINDSOR CASTLE ist eine sehr gute Location wenn man in einer urigen Kneipe ein besseres Essen haben möchte, als dies normalerweise in englischen Kneipen der Fall ist.

Und dann das Highlight schlechthin! Endlich!

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Eine gewisse Aufgeregtheit den ganzen Tag über. Eine gewisse Spannung auf das, was da wohl nun kommen möge. Doch, wie so üblich in LONDON, bevor es los geht steht man in einer Schlange. Und wenn man gut 45 Minuten vor Öffnung der Türen denkt, man wäre zu spät und ganz am Ende einer ganz lange Schlange, dann liegt man falsch. Die Schlange wächst in den folgenden 45 Minuten auf die fünf-fache Länge an und belegt einen ganzen Straßenzug. Aha. So fühlt sich also ein ausverkauftes MARILLION Konzert in LONDON an?

Mir ist, als sehe ich durch einen Spiegel mit Ausblick auf die Zukunft. Durchweg ältere Herren, deutlich jenseits der 50. Manchmal in Begleitung einer Dame. Selten in Begleitung von offenkundig Jugendlichen. Nicht nur während des Schlange-stehens, auch später frage ich mich, wie das wohl in geschätzten 8 Jahren laufen soll? Dann müsste MARILLION ihr 20. Studioalbum veröffentlichen. Könnte durchaus das Letzte werden – schließlich werden diese Helden älter. Doch während die Herrn Musiker komfortabel von Haustür zu Haustür gefahren werden und nur (ja, OK, setzten wir mal nur besser in Anführungszeichen: „nur“) zwei bis drei Stunden Show abliefern müssen, warten ihre Fans in der Kälte vor der Halle mit ihrem Rollatoren und suchen den Barrierefreien Eingang, um sich dann kunstvoll und mit müden Knochen in einen Stuhl zu schwingen. Gemeinsam lauschen wir dann der Show über ein Hörgerät, das nicht nur die Gitarre von Herrn ROTHERY verzerrt…

Oh, was für eine Grusel-Vorstellung – schnell weg damit!

O2 FORUM London

Das O2 FORUM zu LONDON ist eine tolle alte Halle. Sehr schöner Ort für Konzerte. Der riesige Balkon ist mit Stühlen ausgestattet – aha, da geht es also schon los. Abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, wie die Menschen im Obergeschoss an Karten für diese Komfortlösung gekommen sind freue ich mich über meinen ultimativen Stehplatz vor der Mitte der Bühne. Bis es denn los geht frage ich mich allerdings, wer mich denn später nach Hause tragen könnte. Man ist ja einfach nichts mehr gewohnt!

John Wesley

Ein mir unbekannter Herr JOHN WESLEY macht Solo die Vorband. Die ersten beiden Nummern sind gar nicht mal schlecht, aber dann hoffe ich doch auf einen baldigen Abgang. Aber dazu sind Vorbands ja wohl da. Um sie weg zu wünschen.

Heidi hält es inmitten der durchaus stämmigen Herrschaften vor der Bühne nicht aus und verzieht sich in den hinteren Teil der Halle. Ich denke, das ist wahre Liebe. Den Alten zu einem Konzert begleiten in dem Musik gespielt wird, die man selbst höchstens toleriert.

MARILLION

Aber dann gehts schon richtig los! Die Helden betreten die Bühne, legen mit INVISIBLE MAN mal direkt was anspruchsvolleres vor und begrüßen uns erst nach drei weiteren Nummern. Anfangs kann man kein Lächeln, schon gar kein Lachen in den Gesichtern der Akteure erkennen…wer aber so vom Publikum begrüßt und abgefeiert wird wie MARILLION, der kann dann irgendwie auch nicht anders. Los geht die Lächel/Lach-Parade mit Herrn ROTHERY, der, natürlich, für seinen perfekten Beitrag zu einem frühen SUGAR MICE mit frenetischem Sonderapplaus bedacht wird. Und ich stehe da und muss auch grinsen. Genauso! Genau so habe ich mir die textsicheren englischen Fans immer vorgestellt. Man, was für ein toller alt-Herren Chor! Allerdings: Wenn denn unser aller Adresse wirklich NUMBER ONE AT THE END OF THE BAR ist, dann wird es da ganz schön voll sein. Macht ja nix – wir mögen uns ja offenbar auch alle 😉

Das man nicht immer Textsicher sein muss, zeigt kurz darauf erneut ein Solo von Herrn ROTHERY. Schon während des Gitarrenspiels vernehme ich den Zuschauer-Chor. Als SOUNDS THAT CANT BE MADE schließlich endet, stimmt der Chor die Melodie wieder an, ich falle beglückt mit ein und nun grinsen auch wirklich alle auf der Bühne.

[Update 22/12/2016]
Gerade per Zufall bei youtube einen Mitschnitt gefunden – leider ohne das grandiose Ende, aber man hört während des Gitarren-Solos die Zuschauer schon sehr gut – mich auch! Hoffentlich hat jemand auch die Impro danach!

Das sind wohl die Momente, in denen man als Künstler wohl nicht mehr ans Geld denkt. Klar, die anwesenden 2.300 Zuschauer (ausverkauft!) spülen auch Geld in die Kasse, aber die 2.300fachen permanenten Liebesbekundungen sind in diesem Moment wohl deutlich willkommener.

Ja, OK, ich sehe es ein. Schon etwas blöd wenn man ein männlicher Musiker ist und die dargebotene Liebe von deutlich überwiegend älteren männlichen Herrn stammt (siehe oben!), aber besser so als gar nichts! Das weiß doch jeder: Es ist schön, gemocht, oder gar geliebt zu werden!

Drei Stücke vom aktuellen Album sind im Programm. Der Sänger Herr HOGARTH meint, es sei schon erstaunlich das man (MARILLION) erst jetzt darüber nachdenken würde, wie die Welt sich verändert und ob das alles so gut sei – aber in jungen Jahren wäre man ja anderweitig beschäftigt gewesen. F.E.A.R., THE NEW KINGS und ED DORADO (…da freue ich mich ja so, das Herr KELLY sein Keyboard wieder lieb hat!) bilden an diesem Abend also das Weltgewissen nach – und nicht nur ich singe lauthals den Refrain WE ARE TO BIG TO FAIL mit!

Ach, hätte ich doch jetzt einen Rollator zum Ausruhen! Oder wäre wenigstens Schlagzeuger wie Herr MOSLEY. Den sehe ich zwar nicht wirklich, weil er wie üblich gut versteckt hinter seinen Trommeln sitzt (…ich sage nur SITZT!) aber hören, sogar im Bauch fühlen kann ich ihn sehr gut. Ah, wie ich dieses kraftvolle Spiel liebe!

Eine gewisse Merkwürdigkeit passiert bei der letzten Nummer des Abends. So, wie ich die Ansage verstanden habe wollte der Herr Sänger nicht noch eine dritte Zugabe spielen, aber seine Mitstreiter. Also noch mal raus und den phantastischen Longplayer THIS STRANGE ENGINE aufführen. Da erklimmt der Herr Sänger auf einmal wagemutig den linken Lautsprecherturm, macht darauf sitzend (SITZEND!) Pause und versetzt alle Bühnenhelfer in helle Aufregung. Als er eigentlich hätte weiter singen müssen, stellt er fest das er gar kein Mikrofon mit auf seine Kletterpartie genommen hat und bittet per Zeichensprache den Bassisten Herrn TREWAVAS ihm eines zu reichen. Das macht dieser auch fix während Herr ROTHERY eine typische kreisende Handbewegung an der Schläfe vollzieht um offenbar auszudrücken, dass da einer nicht ganz bei Trost ist. Der Song geht tatsächlich ohne Unterbrechung weiter und irgendwie schafft es Herr HOGARTH auch wieder vom Lautsprecherturm herunter zu kommen, beendet das Lied und stürmt abrupt von der Bühne! Und ward nicht mehr gesehen! Kein T´schüß, kein Gute Nacht, kein gar nix. Einfach weg. Herr ROTHERY murmelt noch was ins Mikro, aber dann sind auch alle anderen weg. Komisches Ende. Vielleicht auch doppelt komisch, weil ich bis zur bekloppten Klettereinlage dachte, wie gut Herr HOGARTH heute drauf ist. Vielleicht doch zu viel Belastung?

MARILLION

Das da mal bloß nichts köchelt! Denn die fünf Helden drehen gerade das ganz großes Rad. Dieses Jahr schon überall auf der Welt sehr viele gemeinsame Konzerte gespielt, um Weihnachten herum ein paar Solo-Auftritte, dann die vier MARILLION-Weekends Anfang des Jahres 2017, danach viele (neue) Konzerte (u.a. große Deutschland-Tour im Sommer) und dann schließlich am Freitag, den 13. Oktober 2017 der ganz große Auftritt in der ROYAL ALBERT HALL in LONDON. Puh, ich glaube die Bandmitglieder sind im Schnitt so 8-10 Jahre älter als ich, hoffentlich bleibt da jeder Fit…und das nicht nur körperlich!

ROYAL ALBERT HALL in Verbindung mit Blödheit und Abzocke das letzte Thema. Blöd war ich selber, abgezockt fühle ich mich von anderen, ausdrücklich nicht von MARILLION. Eigentlich sind die sogar die Betrogenen.

Der Vorverkauf sollte Montag, 5. Dezember 2016 12:00 Uhr LONDON-Zeit beginnen. Karten für 45 bis 85 Pfund. Das wusste ich. Das war mir klar. Doch als alternder MARILLION Fan entwickelt man so eine gewisse Lässigkeit und denkt: „OK, die Karten werden begehrt sein, aber ich muss nicht um eine Minute nach Zwölf am Rechner hängen!“. Schließlich hat die ROYAL ALBERT HALL Platz für 9.500 Zuschauer.

Nun denn, um kurz nach Zwölf suchen wir einen Ort zum Verweilen, landen um 12:45 Uhr in einem Cafe und ich stelle entsetzt fest, „no tickets available“. Hä, hat der Vorverkauf doch nicht begonnen? Erst nach mehrmaligen Neu laden der Seite stelle ich fest, das manchmal verfügbare Tickets auftauchen, aber immer nur die ganz schlechten mit eingeschränkter Sicht. Gegen 13:00 Uhr tauchen gar keine Tickets mehr auf, gegen 14:00 Uhr wird offiziell „Ausverkauft“ gemeldet.

Und ich habe keine Tickets.

Soweit also die Kategorie Blödheit. Aber mal im Ernst. Wer glaubt denn auch bitteschön, das MARILLION (hallo, MARILLION, das sind doch die, die vor 31 Jahren mal einen (EINEN!) Welthit hatten und die jetzt nur noch von ein paar zehntausend weltweit verteilten angehenden Greisen verehrt werden!) innerhalb einer Stunde knapp 10.000 (ZEHNTAUSEND!) Karten für ein Konzert verkaufen, das erst in einem Jahr stattfindet?

Also müssen Dunkle Mächte im Spiel sein! Die sonst gerne für irgendwelche Ungereimtheiten viel zitierten „Establishment“ oder „System“ sowie „die da oben“ scheiden wohl aus.

Bleiben also die Schwarzmarkt-Tickethändler als Bösewichter.

Und so landen wir unweigerlich in der Kategorie Abzocker.

Denn, oh Wunder, natürlich wurden direkt nach „Ausverkauft“ auf anderen Kanälen Karten angeboten. Klar, locker zum doppelten oder dreifachen Preis. Aber damit nicht genug. Denn im INTERNET gibt es ja nichts, was es nicht gibt. Also gibt es auch Ticketmakler, die zwischen Anbietern und Nachfragern vermitteln und eine gewisse Seriosität in das Geschäft bringen wollen. VIAGOGO ist so eine Plattform. Ich möchte mich nicht in die Reihe der Nörgler einreihen, die VIAGOGO als Abzocker bezeichnen – könnte man nämlich denken: Die nehmen gut 30% vom Schwarzmarkt-Ticketpreis zusätzlich als Vermittlungsprovision – offenbar von beiden Seiten! Nicht schlecht, aber auch irgendwie nachvollziehbar, wenn denn der Tickettransfer wirklich klappt. Am Ende fühlt man sich aber doch abgezockt, aber, so rede ich mir ein, ich bin ja selbst Schuld. Hätte ja auch im 12:01 Uhr in einem Cafe sitzen können.

Wirklich betrogen oder ausgenutzt dürfte sich aber MARILLION fühlen. Denn die sehen ja gar nichts von diesem Geld. Die haben höchst faire Ticketpreise für das Mega-Event gemacht – ganz so, wie man es von MARILLION kennt. Und genau das haben windige Geschäftemacher nun ausgenutzt. Das ist wohl Kapitalismus pur.

Weil ich VIAGOGO vorher noch nicht kannte und die ganze Geschäftsidee / Geschäftsmodell für sehr interessant halte, werde ich in den kommenden Tagen noch einen kleinen Artikel dazu veröffentlichen.

Für den Moment aber hoffe ich sehr darauf, dass ich tatsächlich zwei Tickets gekauft habe. Sau-Teuer zwar, aber VIAGOGO hat mir versprochen, zu liefern. Irgendwann in der Zukunft, aber vor dem 13. Oktober 2017.

Im hier und jetzt freue ich mich immer noch im O2 FORUM dabei gewesen zu sein. Das war schon echt klasse! Dieses Glücksgefühl trägt wohl auch noch eine kleine Weile…

Peter.

P.S.: Ich entschuldige mich für die wenigen Bilder in schlechter Qualität. Zum einen war nur die GOPRO dabei und zum anderen hasse ich es, während eines Konzertes Bilder zu machen.

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