Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
vielen Dank für die verbalen Beruhigungstropfen!
Doch mit zunehmender Lebenserfahrung weiß ein jeder: Wenn lächelnde Amtsinhaber öffentlich versuchen Bürger zu beruhigen, dann ist Gefahr im Verzug. Nun, Panik, wie es die Schlagzeile der Elmshorner Nachrichten am vergangenen Samstag ausdrückte, wird in dieser unserer supernormalen Stadt nicht gleich ausbrechen. Auch nicht, wenn mit Döllinghareico schon wieder ein Unternehmen seine Pforten in Elmshorn schließt.
Supernormal, das bedeutet schließlich in diesen Zeiten ja auch eine gewisse allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber anderen, solange es einem selbst gut geht.
Doch so langsam entwickelt sich bei mir so eine Art Unbehagen gegenüber den Lenkern unserer Stadt, denen Sie seit immerhin schon zehn Jahren in verschiedenen Positionen vorstehen. Jeder Bürger Elmshorns mag in diesem Tagen sicherlich seine eigenen Vorstellungen entwickeln, aber mein persönlicher Eindruck nach täglichem Zeitungsstudium ist folgender: Auf der einen Seite werden einfache (Standort)Konflikte mit Traditionsunternehmen wie zum Beispiel Wiebold oder (abgeschwächter) Nordsport in aller Hässlichkeit öffentlich ausgetragen, auf der anderen Seite werden wichtige Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel der so genannte Stadtumbau zu einer offenkundig unlösbaren Jahrhundertaufgabe stilisiert.
Ich gebe zu, ich bin nur einer von diesen Zugezogenen. Vor erst 29 Jahren zog es mich nach Elmshorn – wegen eines neuen Arbeitsplatzes. Natürlich in Hamburg, nicht in Elmshorn. Doch ist es wirklich supernormal, dass die Elmshorner Bronx seit 29 Jahren (!!!) unverändert die Filmkulisse für einen Endzeitfilm liefert? Im Herzen der sechs größten Stadt Schleswig Holsteins? In einer Stadt mit immer noch reichlich erfolgreichen Unternehmen, deren Erfolg und wirklich nur deren Arbeit Ergebnis die so wichtigen Gewerbesteuereinnahmen dieser unserer Stadt üppig liefern?
Nun war ich einigermaßen über die aktuelle Geschichte des zweiten Stadtrats erstaunt. Ausgerechnet ein zugezogener soll in einer neu geschaffenen Position den sogenannten Stadtumbau erfolgreich vorantreiben, den die alteingesessenen Verantwortlichen so grandios im Zustand des Stillstands halten? Anfangs wirklich ein geschickter Schachzug: Delegierte Unverantwortlichkeit für das Jahrhundertprojekt zur Abdämpfung des eigenen Unvermögens, im Konsens gedacht, nun aber mit einem katastrophalen Wahlergebnis von 20 zu 19 Stimmen. Mit welcher Autorität soll der frisch gewählte gepflegte Konflikte, verkrustete Strukturen oder gar Engstirnigkeit denn nun auflösen? Mit welcher Autorität kann er nun begeistern, motivieren und führen?
Ich würde noch nicht von Panik sprechen, doch aus Unbehagen entwickelt sich Unzufriedenheit und irgendwann vermutlich auch mal Panik. Panik darüber, dass ich meinen Lebensabend in einer Stadt des Stillstands verbringen werde. Denn das weiß doch wirklich jeder: Stillstand ist der Tot.
Viele Grüße aus Hainholz,
Peter Wiedekamm.
P.S.: Dieser Leserbrief entstand vor einer Woche. Unsere Lokalzeitung (ELMSHORNER NACHRICHTEN (EN)) berichtete erneut über die Schließung eines lokalen Unternehmens. Ein paar Tage zuvor über den neuen zweiten Stadtrat. Kann man (wenn man Lust hat) alles mal GOOGELN. Die EN hat den Leserbrief bisher nicht veröffentlicht – die sind generell sehr sparsam mit der Lesermeinung 😉
Da nehme ich ihn halt selbst in meinen Blog – den Text finde ich doch recht gut gelungen…
Was ist von einer Schlafstadt wie Elmshorn zu erwarten, die nichts Besseres zu tun hat, als Pendlern den Krieg zu erklären? Mich wundert hier nichts mehr.
(Hintergrund für Auswärtige: Elmshorn ist Pendlerstadt. Ich schätze, die Hälfte der Arbeitnehmer hier arbeitet in Hamburg. Die Bahnanbindung dorthin ist gut und wird auch von Auswärtigen (aus den umliegenden Dörfern, aber auch von weiter weg) benutzt. Das bedeutet, in der Innenstadt, wo immer noch der einzige (richtige) Bahnhof von Elmshorn liegt, sind die Parkplätze knapp. In der Stadtverwaltung wundert man sich nun darüber, dass die kostenfreien Parkplätze zuerst belegt werden, wo doch so viele schöne kostenpflichtige Parkplätze noch frei sind. Das ist eines der Probleme für den seit Jahrzehnten schwächelnden Einzelhandel in der Innenstadt.
Heißt: die Innenstadt stirbt und die dauerparkenden Pendler sind Schuld. Sollen sie sich doch alle im Stau auf der A23 anstellen und die Luft in der Großstadt verpesten, statt öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Da wäre allen mit geholfen! Oder halt Parkplätze mieten, denn ein Auto und die Monatskarte für den HVV sind noch nicht genug Aufwand für das Privileg, arbeiten zu dürfen.)
Sorry, das passte gerade gut.