Am Samstag, den 15. September 2018 (um mal wieder ein Datum zu nennen) machen wir uns auf den Weg von HVIDE SANDE nach ESBJERG, 52 Seemeilen im Süden.
Die Wettervorhersage ist ausnahmsweise mal günstig: Zunächst NW 15 Knoten, später (was auch immer das bedeutet) abflauend. Um kurz vor 8 Uhr brechen wir auf, passieren ohne Sorgen die Hafeneinfahrt, setzten Segel und gehen auf Südkurs. Herrlich, wenn der Wind mal aus der richtigen Richtung kommt! Die alte Welle vom Starkwind der Vortage ist zwar noch da, aber durchaus erträglich.
Die Passage nach ESBJERG ist aus zwei Gründen tricky. Zum einen gibt es ein riesiges militärisches Schießgebiet bei NYMINDEGAB. Wenn dort tatsächlich scharf geschossen wird, reicht das Sperrgebiet 10 Seemeilen aufs Meer hinaus und man darf es nicht passieren. Logisch. Im Hafenbüro von HVIDE SANDE haben wir aber herausgefunden, das an unserem Samstag nicht geschossen wird und wir freie Fahrt haben. Direkt an das Sperrgebiet schließt sich HORNS REV an, ein großes Sandriff, das über 20 Seemeilen weit ins Meer hinein ragt. Das kann man sogar mit bloßem Auge am Strand von BLAVAND erkennen. Wenn man „Glück“ hat und starker Westwind weht, kann man beim Gezeitenwechsel große Brecher vom Strand aus fotografieren. Wir waren früher öfters in Ferienhäusern in der Gegend von BLAVAND und kennen das Strandbild von HORNS REV sehr gut:
Mal wieder Respekt angesagt.
Für Sportboote / kleine Boote gibt es eigentlich zwei Fahrrinnen durch das HORNS REV, die die Fahrzeit zwischen HVIDE SANDE und ESBJERG um mehrere Stunden reduzieren – aber keine dieser Rinnen ist betonnt. Und somit wohl eher ein Schleichweg für Eingeborene bei schönem Wetter. Aber nichts für ahnungslose Fahrtensegler, die erstmals in diesem Seegebiet sind.
Also nehmen wir den offiziellen, mit großen Tonnen ausgewiesenen Fahrweg von SLUGEN und pfeifen auf die in der Seekarte so schön aussehenden Abkürzungen von SÖREN BOVBJERG DYB und RINGKÖPING DYB. Um uns herum riesige Windparks mit (ohne zu zählen) hunderten von Windrädern, die im Flachwasser des Riffs gebaut wurden.
Der Skipper wird den Verdacht nicht los: Diese Armee von Windrädern stiehlt uns den Wind! Mit einem Male schlagen die Segel in der Welle, weil der Wind sie nicht mehr kräftig füllt. Nach 10 Minuten herum Eiern: Maschine an, beide Vorsegel weg. Weiter unter Maschine durch den SLUGEN. Vielleicht wird es später besser?
Wird es nicht. Der „später abflauende Wind“ (siehe oben) im Zusammenhang mit den stumm vor sich hin drehenden Winddieben verlangt nach Diesel. Bei auflaufendem Wasser im Fahrwasser von ESBJERG machen wir 8 Knoten und fliegen nur so dahin…und müssen aufpassen, das wir das richtige Hafenbecken mit dem darin versteckten Yachthafen finden. Gegen 15:00 Uhr laufen wir dort ein und sind sehr, sehr enttäuscht. Die alte, verrottete Steganlage ist randvoll mit ebenso ranzigen Motorbooten, insgesamt vielleicht nur 5 Segler. Alles Eingeborene. Zunächst kein Mensch zu sehen – der Skipper kurvt überall herum, denn einen genehmen Liegeplatz findet er nicht. Dann winkt ein Eingeborener und meint, wir sollen am „Service-Steg“ fest machen – dort würden immer die große Gastlieger anlegen. Das Schild „nur 3 Stunden“ sollen wir einfach ignorieren.
Dem Skipper ist es Recht, der Platz scheint einigermaßen gegen Südwind geschützt und Landstrom gibt es auch. Vorsichtig erkundigen wir uns bei unserem Einweiser, wieso die Marina so herunter gekommen wirkt: Ganz einfach: Die Stadt baut ein ganz neues Hafenbecken, ganz modern mit Insel für Büros und Gaststätten mitten drin und jeder Menge Platz für Wassersport. Aha, nicht kleckern, sondern klotzen scheint die Devise? Könnte man meinen. Entweder haben wir uns verhört oder es stimmt: Die Steganlage soll umziehen. Kann das sein? Schon im Oktober soll das Hafenbecken geräumt sein, die Windpark Offshore Versorger brauchen mehr Platz. Als wir zu Fuß das neue Hafenbecken besichtigen, ahnen wir die Dimension des Projektes, zweifeln aber an Oktober und den Umzug einer maroden Steganlage in ein Neubauprojekt. Nun denn, die kommenden Jahre werden es zeigen.
Die Vorhersage (bis 3 Tage) und die Prognose (4-6 Tage) sieht mies aus. Starkwind und sogar Sturm aus südlichen Richtungen. Regen. Wie gut, das die Mannschaft nun unbedingt zu einem Familienfest nach HAMBURG will. Der Skipper hat keine Gegenargumente – zum Glück ist das Wetter so wie es ist. Denn wäre guter Segelwind um nach Süden zu kommen, gäbe es an Bord des STORMVOGELS wohl die erste Meuterei.
Vermutlich ist der Wettergott ein guter Freund des Beziehungs-Gottes. Sofern es denn wirklich mehrere Götter geben sollte. Oder eben jener Einer hat eine gespaltene Persönlichkeit. Ist eigentlich auch egal, denn die EUROPCAR Station in ESBJERG hat Sonntags auf, wir mieten günstig einen OPEL Mini-SUV und schon am Nachmittag sind wir auf dem Weg nach Hause. Urlaub von Urlaub vom Urlaub vom Urlaub vom Urlaub vom Urlaub und so weiter.
Zwei Dinge ändern sich, je näher wir ELMSHORN kommen: Das Wetter wird zusehend besser, die Sonne ist sogar zu sehen. Aber viel wichtiger: Die Mannschaft bekommt Oberwasser und freut sich auf die Familie wie Bolle.
Ursprünglich wollten wir direkt nach dem Familienfest am Dienstag Abend wieder zurück nach ESBJERG, um eventuell auftauchende Wetterfenster unverzüglich nutzten zu können. Keine Chance. Keine Fenster. Kein Wetter. Im Gegenteil, für Freitag ist ein richtig fetter Herbststurm angesagt und es wird absehbar, das wir das TRANS-OCEAN Treffen auf HELGOLAND verpassen werden. Also nochmals Planänderung: Mittwochs mit dem Auto HEIDELBERG (wichtig wg. neuem Buch, super-ätzende Fahrt) und Donnerstag zurück nach ESBJERG um beim Boot zu sein, wenn der Sturm los bricht.
Die Vor-Sturm-Rückkehr war auch gut so: Wir bringen zusätzliche, sehr lange Leinen quer über die Stege aus um den STORMVOGEL mit den Winden vom Steg weg zu ziehen. Denn der Sturm kommt natürlich nicht aus Süd, sondern aus Nord-West.
Am Samstag müssen wir immer noch im tristen grau, Starkwind und Nieselregen aushalten, für Sonntag ist endlich brauchbarer Segelwind, jedenfalls tagsüber, angesagt.
Peter.
P.S.: ESBJEREG selbst haben wir nicht besucht. Mal den Supermarkt, aber sonst nix. Irgendwie unbefriedigend, aber das Wetter schlägt dann wohl doch auf die Stimmung…