Tunesien: Sidi Bouhlel Wanderung

Der Drang sich mehr körperlich zu bewegen ist nicht mehr zu kontrollieren. Zu viel Auto, zu viel herumlungern.

Was liegt da näher als die einsame Schlucht von SIDI BOUHLEL in der Nähe von TOZEUR bzw. noch näher an DEGACHE zu erwandern?

Der Namensgeber war vor vielen Jahrhunderten ein (religiöser) Gelehrter und zu seinen Ehren hat man links der Schlucht eine Kirche gebaut. Rechts davon gibt es aber noch eine Kirche und die wird, wie wir später feststellen, rege besucht obwohl sie ebenfalls nur über eine sehr steile Auffahrt erreichbar ist.

Zufahrt zur SIDI BOUHLEL Schlucht in sandiger Luft

PARK4NIGHT führt den riesigen, gespenstisch leeren Parkplatz vor der Schlucht und den Kirchen als Stellplatz, doch die wenigen Kommentare raunen von finsteren Gestalten oder Männern, die sich mit der Hand in der Hose einen runter holen würden. Angeblich. Bei letzterem fehlt dem Schreiberling jedwede Phantasie wie es zu dieser Feststellung kommen konnte, bei ersterem hat er jeden Morgen beim Blick in den Spiegel das gleiche Gefühl.

Bisher haben wir NULL, NULL, NULL negative Erlebnisse in TUNESIEN gehabt und wieso zur Hölle sollte uns auf diesem Geisterparkplatz im Nirgendwo irgendwas passieren? Also am späten Nachmittag dort aufgelaufen, sich eingerichtet, so weit es der starke Wind mit dem vielen Sand in der Luft das eben so zulässt.

Kein Mensch weit und breit.

Einstieg in die SIDI BOUHLEL Schlucht, links vom Schild bei den beiden dicken horizontal liegenden Steinen

Kurze Zeit später kommen zwei Jeeps mit deutschen Nummernschildern angebraust und fahren ohne halt schnurstracks die sehr steile Auffahrt zur linken Kirche hoch. Na ja, die wissen wohl was sie tun? Am nächsten Tag, als der Schreiberling diese Auffahrt zu Fuß erkundet erwächst geradezu Respekt vor der fahrerischen Leistung der abendlichen Jeeplenker. Allerdings finden sich frische Schleifspuren auf den Steinen. Hat wohl jemand sein Fahrzeug aufgesetzt?
Nun, die Jeeps kommen den Berg wieder herunter und parken vor dem Eingang zur Schlucht. Eine regelrechte Horde, darunter Erwachsene, Kinder, verlässt die beiden Autos und macht sich auf um in die Schlucht zu gehen. Die Dämmerung ist schon weit fortgeschritten, aber in dieser sandigen Luft ist der Unterschied zwischen Hell und Dunkel sowieso nicht richtig auszumachen. Diffuses Licht halt.
Nach einer knappen Stunde kommt die Horde wieder, springt Geschwind in die Jeeps und braust zum Abschied grüßend wieder davon. Wofür einige nur wenige Minuten brauchen, benötigt die träge KNAUSi Besatzung Tage. Das Alter, das Alter!

Gemauerter Brunnen, hier verlässt man das Flussbett und steigt auf der linken Seite auf, dem Schluchtverlauf folgend

Derweil haben sich nacheinander in Summe 5 Eingeborene bei des KNAUSi´s Besatzung vorgestellt. Alle auf dem Weg nach oben, zur Rechten Kirche. Einige kommen mit Mofas und knattern damit tatsächlich die 15% oder mehr Steigung hinauf. Andere kommen mit einem eigentlich schon längst zerfallenen Daimler an, Brot in der einen, Gemüse in der anderen Hand. Alle wollen wissen wie viele Leute wir sind, denn nur der todesmutige aktuelle Fahrer hält sich freiwillig in der sandigen Luft auf. Alle wollen wissen, war wir hier machen. Alle haben kein Problem damit das wir hier schlafen wollen, alle sind freundlich und alle gehen nach Klärung aller Fragen ihren Weg.

Gekocht wird an diesem Abend nicht mehr, das Frühstück fand ob der Ausflüge am Morgen erst gegen 1500 in einem exzellenten Straßenrestaurant am Ortsrand von TOZEUR statt. Endlich mal kein Cuscus sondern Mixed Grillteller mit vermutlich abenteuerlichen Fleischstücken samt Knochen, doch der örtliche Holzkohlegrill sorgt wie überall auf der Welt für das richtige Aroma.

Goldgelbe Felsbrocken im Morgenlicht in der SIDI BOUHLEL Schlucht

Die Eingeboren oben in der rechten Kirche haben offenbar viel zu bereden, denn sie kommen (unbemerkt) erst wieder herunter, als des KNAUSi´s Besatzung schon längst ins Reich der Träume entschwunden ist.

Wie geplant wird am nächsten Morgen um 0800 zur Schluchtenwanderung von SIDI BOUHLEL aufgebrochen. Richtige Schuhe, Wanderstock, Rucksack mit Proviant und Wasser und natürlich die tonnenschwere Kamera.

Der Einstieg in die Schlucht befindet sich links neben einem Schild das behauptet, das die SIDI BOUHLEL Schlucht ebenfalls ein Drehort von DER ENGLISCHE PATIENT sei. Das muss später einmal in ELMSHORN überprüft werden!

Im Prinzip muss man nun versuchen, so lange wie möglich unten im vertrockneten Flussbett zu bleiben.

Der Weg ist leider in keiner Weise markiert. Hat man einen gemauerten Brunnen erreicht (es gibt in der ganzen Schlucht nur dieses eine Mauerwerk) hält man sich links und beginnt mit dem sanften Aufstieg. Nur wenn man ab & zu zurück blickt stellt man fest, wie schnell man an Höhe gewinnt. Der Boden ist im Prinzip trittfest, doch das Geröll sorgt immer mal wieder für kleine Ausrutscher.

Spektakuläre SIDI BOUHLEL Schlucht, TUNESIEN

Natürlich hält sich die kleine Wandertruppe von den weiten Felsüberhängen fern, nicht das denen auf einmal einfällt gerade jetzt abzubrechen. Der aktuelle Fahrer, hier in seiner Rolle als völlig ahnungsloser Bergführer motiviert seine lebenslange Begleitung immer wieder noch ein Stück weiter zu gehen, zu sehr berauscht er sich an den phänomenalen Panoramen. Doch weiß natürlich auch der so berauschte das hier oben jetzt nix passieren darf.

Ohne Zweifel wird der Weg immer schwieriger. Der Rundweg soll links hinauf auf die Felsen führen und dann darauf wieder zurück zum Ausgangsort. Doch irgendwann reift die Erkenntnis das es Zeit für eine Umkehr ist. Das extra aufgenommene Foto des Endpunkts dieser grandiosen Wanderung ist in der Aufregung sau blöd gemacht, es fehlt zur Rechten ein angsteinflößender Abgrund der es in keinem Fall Wert gewesen wäre, im freien Fall erkundet zu werden.

Vermutlich hätte man diese zunächst unüberwindlich scheinende 2 oder 3 Meter lange, steile Geröllstrecke gerade so noch hin bekommen, doch danach wäre es mit Sicherheit nicht einfacher geworden.

Und so besteht Einigkeit in der Umkehr, denn auch wenn man den gleichen Weg zurück geht ergeben sich viele neue Blickwinkel und Eindrücke. Während die Wanderstärke des aktuellen Fahrers in der Regel im Aufstieg liegt, entfaltet die aktuelle Beifahrerin ihre wahre Bestimmung als erfahrene Bergziege im Abstieg. Mehr als einmal muss der aktuelle Fahrer um Reduzierung der Abstiegsgeschwindigkeit bitten. Unverschämtheit!

Zeit umzukehren, im Bild fehlt rechts der Abgrund der SIDI BOUHLEL Schlucht, TUNESIEN

Kurz vor erreichen des Autos treffen wir unvermittelt auf zwei Eingeborene, die quer durch die Felsen von der rechten zur linken Kirche wandern. Der eine in normaler Straßenkleidung, der andere in einem todschicken grauen Gewand eines Predigers. Der Schicke spricht uns auch gleich an und gibt zu verstehen, das diese Schlucht hier eine berühmte Filmkulisse sei. Ein BUD SPENCER Film sei hier gemacht worden…äh, hallo? Hochkultur á la DER ENGLISCHE PATIENT sticht doch wohl jeden Haudrauf Western aus?

Als der freundliche Prediger weiter geht kommt der Gedanke in den Kopf, das der Mann so streng, so seriös, so ernst aussah das man vor ihm glatt Ehrfurcht hätte haben müssen, hätte er nicht so freundlich das Gespräch eröffnet und so das Eis des Fremdsein gebrochen. Hoffentlich bleibt es noch sehr lange so das die Eingeborenen nicht von uns Touristen genervt sind.

Zurück am Auto kurzes Frühstück, ohne Besucher, und dann weiter zu weiteren Reisehöhepunkten.

Aber, so viel sei schon mal fest gehalten: Diese Wanderung in der SIDI BOUHLEL Schlucht ist schwer zu toppen.

Peter.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert