Die Frage ist doch die:
Kann bewusste körperliche Überforderung glücklich machen?
Nun, wahre Sportler werden ohne zu zögern mit „Ja!“ antworten.
Sesselpupser, Handystarrer und Jugendliche im Allgemeinen verstehen die Frage erst gar nicht: „Also, wie jetzt noch mal genau?“
Erfahrene Reisende, hier im Besonderen der aktuelle Fahrer, werden nach kurzer Bedenkzeit erwidern: „Ja, klar. Aber nur maximal zweimal im Jahr!“.
Also einmal, das hatten wir ja schon in diesem Jahr. Nicht sicher, ob die Bergwanderung auf GRAN CANARIA wirklich eine bewusste Überforderung war. Schließlich begab sich der Schreiberling zwar bewusst, aber in absoluter Unkenntnis von dem was da kommen möge vertrauensvoll in die Obhut der BELLA Crew, die, möglicherweise, eventuell und ganz vielleicht auch nicht so genau wusste, wie anstrengend die Nummer wirklich werden würde. Nun, rückblickend: Klasse war die Wanderung durchaus, aber eben auch sehr, sehr anstrengend!
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wenn man schon einmal dem Erschöpfungsende nahekam, wieso dann nicht gleich noch einmal? So lange man sich selbst erschöpfen kann, lebt man vermutlich noch?
Kreta verfügt über eine Reihe von spektakulären Schluchten, die man bewandern kann, wenn man es denn (körperlich) auch kann. Das Schöne daran ist: Man weiß es eigentlich nicht vorher. Die Beschreibungen der Touren sind vermutlich alle super schöngefärbt, sonst würde wohl kaum jemand aufbrechen. Die berühmteste Schlucht ist wohl die voll erschlossene SAMARIA Schlucht mit jährlich vielen tausenden Touristen.
Auf dem Schild der offenbar nicht so beliebten PERVOLAKIA (oder auch PERIVOLAKIA) Schlucht steht, in Englisch: „Route: Relatively easy. There are some steep slopes at certain parts“. Woanders, in einem deutschen Reiseführer steht gar das Wort „gemütlich“.
OK?
OK.
OK!
Der irgendwas mit 10 Kilometer lange Rundwanderweg der PERVOLAKIA GORGE beginnt auf Meeresspiegelniveau, schraubt sich in der Schlucht über gigantische Felsbrocken, eine hölzerne Leiter und abenteuerliche Geröllpfade mit tiefen Abgründen über 3,5 Kilometer Lauflänge auf irgendwas über 300 Höhenmeter und endet in dem gespenstisch verlassenen Bergdorf PERIVOLAKIA.
Kurz vor Erreichen des Dorfes, in der drückenden Enge der oberen Schlucht fliegt ein gewaltiger Gänsegeier mit einer Flügelspannweite von bestimmt 2,5 Metern oder mehr direkt über die Köpfe der Wanderer. Keine Chance auf ein superschnelles Foto, aber die Erinnerung an dieses wohl einmalige Schauspiel zählt mehr als jedes digitale Abbild davon. So was, genau das hier, das ist der Grund warum wir (alle) uns viel mehr Mühe um die Erhaltung unserer Umwelt geben müssen.
Na ja. Müssen, müssen wir ja nicht wirklich. Wir könnten ja auch recht faul á la MATRIX im Handy leben. Scheiß doch auf das wahre, das eine Leben!
Bestes Gebäude in PERIVOLAKIA ist, mal wieder, eine Kirche. Wie immer und überall auf der Welt. Wieso zur Hölle, äh, hier wohl besser Himmel, hat die Kirche eigentlich noch keinen allglücklich machenden Social-Media-Kanal eröffnet in dem Gott endlich mal durch eine KI manifestiert wird? Kommt bestimmt noch, aber wohl nicht von der Kirche, sondern eher von Elon?
Hat man das Dorf schließlich erreicht und dort pausiert muss man über einen steilen aber gut begehbaren landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg noch auf gut 500 Höhenmeter aufsteigen. Riesige Olivenhaine prägen diese grandiose Berglandschaft. Doch statt nun einfach verzückt stundenlang am Wegesrand zu lagern und sich dieser spektakulären Kulisse hin zu geben treiben der kalte Bergwind und die fortgeschrittene Uhrzeit zum Weiterziehen an.
Nur mit großer Aufmerksamkeit findet man den „Mönchspfad“ genannten Abstieg zum Meer hinunter. Bleibt man kurz mal stehen und blickt voraus vermutet man unwillkürlich, das man gleich über eine Klippe springen muss, um auf die augenscheinlich sehr kurze Distanz wieder auf Meereshöhe herunter zu kommen.
Doch Mönche waren, Mönche sind gebildete Menschen die wissen, wie es geht. Mit einer vielzahl von Serpentinen gelingt es dem „Mönchspfad“ Wanderer einigermaßen sicher vom Berg herunter zu bringen.
Klar, die Wiese des Nachbarn ist immer grüner als die eigene und so hat ein einzelner Schreiberling immer wieder den Eindruck, das kleine, leichte Menschen eher dazu geeignet sind diesen Abstieg sicher und in angemessener Zeit zu bewerkstelligen. Das ist natürlich quatsch. Rutscht man auf diesem steinigen, steilen aus Staub und Geröll bestehenden Pfad aus, fällt man in jedem Fall unsanft hin. Egal ob groß oder klein, egal ob schwer oder leicht.
Fremde Hilfe kann man auf diesem Wanderweg wohl nicht erwarten. Also einfach mal nicht hinfallen!
Bemerkenswert, wie gut der ganze Rundweg markiert ist! Ein roter Pfeil oder ein roter Punkt, manchmal nur wenige Meter voneinander entfernt, zeigen immer den richtigen Weg an. Da hat sich jemand ganz viel Mühe gegeben. Vielen Dank dafür!
Es ist nicht so dass der Schreiberling schließlich die Straße mit den darauf parkenden Motorrollern auf allen vieren kriechend erreicht hat, aber irgendwas mit kurz davor war es dann ehrlicher Weise doch.
Was für eine körperliche Überforderung!
Was für eine grandiose Bergwanderung!
Die knapp zwei Kilometer zurück zum WoMo Stellplatz mit den Motorrollern sind bereits Teil des körperlichen Wiederherstellungsprogrammes. Schnell noch mal in der Abendsonne ins (gefühlt) kalte Mittelmeer springen um Knochen, Gelenke, Sehnen und Muskeln zu beschwichtigen, schnelles Abendessen um dann sehr früh´, sehr lange im rollenden Bett zu verschwinden.
Kann bewusste körperliche Überforderung glücklich machen?
Ja, unglaublich.
Peter.