Dringender Ortswechsel angesagt. Jetzt war die kleine Reisegruppe dann doch ganz schön lange im Westen der Insel KRETA, wenn man den GAVDOS Ausflug noch dazu nimmt, sogar sehr lange.
Also ein Sprung nach Osten, nach TSOUTSOUROS. Was für ein Zungenbrecher als Ortsnamen: Spricht sich ZUZERUS. Oder so.
Die beiden Autos, die uns bei unserem Sandkastenspiel am Strand von AFRATHIAS geholfen haben waren später auch dort und fanden Dorf und Strand ganz gut. Nun, auf KRETA braucht man für 250 Kilometer gerne mal über vier Stunden. Nicht, weil es Baustellen oder Unfallstaus gäbe, nein, die NORD-SÜD bzw. SÜD-NORD Straßen führen ja immer durch/über hohe Berge und sind entsprechend kurvenreich. Gut zu fahren, aber eben „langsam“.

TSOUTSOUROS ist so was von einem Touristennest, das ist wahrlich schwer zu toppen. Allerdings, es sind keine Touristen mehr da! Also gar keine! Der Ort vermittelt den Eindruck einer Geisterstadt. Zwei Tavernen, ein Minimarkt, ein Souvenirladen der zu einer der Tavernen gehört und ein kleines Hotel haben geöffnet. Ansonsten sind alle Geschäfte, Hotels, Pensionen und Apartmenthäuser winterfest verrammelt.
Der Stellplatz etwas außerhalb des Ortes, direkt am Strand ist tatsächlich gut. Nur zwei andere Autos sind da. Wie entspannt! Im Sommer wird man vermutlich am frühen Abend keinen Platz hier bekommen? Oder vielleicht doch, in zweiter Reihe geht hier bestimmt immer was.
Auch an diesem Strand wird zwei, dreimal am Tag durch ein Bade im Meere die Körpertemperatur ohne irgendwelche sportlichen Aspekte eingepegelt. Wat Mut Dat Mut.
Nach einer kurzen Ortsbegehung bei Ankunft durch den menschenleeren Ort kehrt die kleine Reisegruppe in der Taverne ZORBAS ein um zu Abend zu essen. ZORBAS wird von einigen Campern empfohlen, nicht unbedingt wegen des Essens, aber wegen des Wirtes namens Kostas. Der erzähle gerne aus seinem Leben, wenn die Gäste satt sind und er sie mit Raki for free abfüllen kann.

Tatsächlich setzt sich Kostas nach dem Essen zu der kleinen Reisegruppe und fragt in gutem Englisch nach woher, wohin um eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Zwei Tage später wird ZORBAS wieder zwecks Essensaufnahme aufgesucht und das Gespräch mit Kostas findet eine Fortsetzung, denn Kostas erkennt die kleine Reisegruppe sofort wieder. Bei den wenigen Gästen, an beiden Tagen nur jeweils ein anderes Paar, wohl kein Problem.
Der Wirt ist irgendwas von jenseits der 60, graue, lockige Haare, nicht besonders kurz, komplett schick in schwarz gekleidet, nicht ganz schlank und hat verschiedene Herzoperationen hinter sich. Nicht, das er sich jemals schlecht gefühlt habe, aber bei Routinetests seien Probleme fest gestellt worden, die dringend behoben werden mussten. Für eine Operation musste er sogar nach ATHEN reisen. Dabei rauche er doch schon seit vielen Jahren nicht mehr? In seinem Leben habe es immer nur drei Dinge gegeben: Kochen, Gäste bedienen und professionell tanzen.
Vom Tanzen erzählt er am liebsten. Tänzer aus Australien, Kanada und Frankreich habe er ausgebildet. Weltweit habe man ihn zu Tanzveranstaltungen eingeladen, doch er habe Griechenland nie verlassen. Wozu in der Welt herum reisen, wenn doch (jedenfalls im Sommer) die Welt bei ihm in seiner Taverne zu Gast sei?
Geboren und aufgewachsen in HERAKLION (Hauptstadt der Insel Kreta), dort auch die Gastronomie gelernt. Über Umwege nach TSOUTSOUROS gekommen und zunächst am Hafen eine TAVERNE betrieben, als es den Hafen so wie es ihn jetzt gibt noch gar nicht gab. Der wurde erst nach 2000 gebaut und seit dem sei es da einfach nicht mehr gut.
Jetzt, am Ortsrand von TSOUTSOUROS kann er wohl machen was er will. Am Strand ein paar Sonnenliegen und Sonnenschirme aufbauen, eine schicke Strandterrasse im Sommer bewirtschaften und die schöne große, jetzt allerdings gänzlich leere Taverne im Halbdunkel als schattigen Rückzugsort anbieten. Natürlich geht es im Gespräch auch um CORONA und Kostas hat da seine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Die Regierung habe maßlos übertrieben und die, die gestorben seien wären Opfer der Impfung.

OK, kann man vielleicht, muss man aber nicht so sehen, gell?
Kein gutes Thema, erst Recht wenn alle Gesprächspartner eine Fremdsprache bemühen müssen.
Am Ende tut uns der Wirt schon ein wenig leid. Sitzt da den ganzen Winter und wartet auf ein, zwei Gäste am Tag. Er will auf keinen Fall im Winter schließen und betont, das er wirklich JEDEN Tag geöffnet habe. Schon immer. Durchaus ein wenig verbittert, der Mann. Hadert mit seinem Leben und vermutlich, tief im inneren, trauert er seiner Karriere als Tänzer hinterher? Schade um diesen beflissenen Wirt, der außerhalb der Saison wie ein Fisch auf dem trockenen zappelt bis wieder die Gäste kommen. Denn Gäste bewirten, das macht er offenbar immer noch sehr gerne.
Keine gute Idee, Mutterseelen alleine in einer Taverne zu sitzen und verpassten Gelegenheiten hinter her zu trauern. Sollte besser im Winter die Hühner satteln und da hin fahren, wo getanzt wird! Muss ja selbst nicht wild herumturnen, dabei sein ist doch alles!
Merke: Zu Hause, auf dem Sofa, passiert einem zwar nichts, aber es passiert auch nichts.
Nach drei Nächten bricht die kleine Reisegruppe ihre Zelte in TSOUTSOUROS wieder ab, zieht weiter und lässt Kostas alleine weiter grübeln.
Peter.