Störtebecker´s Hafentrailer

Während Yachtwerften für ihren Reparatur- und Winterlagerbetrieb in der Regel auf hocheffiziente Lagergeräte (Travellift, Bootsgestelle, Hubwagen) für die teuren Boote setzen die sehr wenig Bedienerpersonal erfolgen, kommen in Vereinen eher traditionelle, einfachere Verfahren zum Einsatz, die mehr helfende Hände benötigen.

In Vereinen weit verbreitet ist das Prinzip des Slippens
Jedes Boot verfügt über einen eigenen Bootswagen der auf einer Rampe tief ins Wasser gelassen wird. Dann wird das Boot darüber gefahren und beide werden gleichzeitig aus dem Wasser gezogen. Der Bootswagen wird sozusagen unter dem Boot hoch gezogen und dadurch kommt das Boot auf dem Bootswagen zu stehen. 

Hafentrailer, 1. Versuch

Zu stehen bedeutet, das das ganze Bootsgewicht tatsächlich nur auf dem Kiel des Bootes lastet. Alles andere an einem Bootswagen dient nur dazu das das Boot ohne Umgebungswasser nicht einfach umkippt und trägt daher keine Last. 

Nun würde man wohl für ein neues, teures Boot sicher einen exakt passenden, den individuellen Bootsformen folgenden Bootswagen anfertigen lassen. 

Bei gebrauchten Booten sucht man eher einen ebenfalls gebrauchten Bootswagen, auch Hafentrailer oder Slipwagen genannt. Je günstiger, je besser. Denn diese Wagen werden ja nicht lange Strecken über die Straße gezogen sondern nur in kurzen Wegen auf dem Vereinsgelände bewegt. Am Besten ohne Bremsen, denn die gammeln irgendwann zuverlässig fest weil die Räder ja beim Slippen vollständig im Wasser stehen.

Allerdings, die Teile müssen schon ein paar Tonnen Gewicht tragen können. STÖRTEBECKER, eine HORNET 33, wird mit 5,5 Tonnen angegeben. 

Als wir STÖRTEBECKER im August 2025 kauften stand fest das wir in einen Segelverein in der Nähe von ELMSHORN eintreten wollen und daher für das Winterlager des Bootes auch noch einen Bootswagen für die HORNET 33 besorgen mussten. 

Hafentrailer, 1. Versuch

Nun, auf KLEINANZEIGEN.DE werden da bundesweit so einige angeboten. Doch ist der Transport eines solch rollenden Stahlungetüms mit einem Eigengewicht von 1,5 bis 3,0 Tonnen an sich ja schon wieder eine Herausforderung. 

Und wenn da ein Hafentrailer ganz in der Nähe angeboten wird und der Verkäufer selbst den Transport organisiert und auch noch Stein & Bein darauf schwört, das das Teil super geeignet für das Vorhaben sei, dann kauft man als naiver Bootswagenneuling im Beschaffungsrausch auch schon mal einen Haufen Schrott. 

Darauf weisen mit ziemlicher Sicherheit die neuen Vereinskameraden hin, die im neuen Verein verantwortlich für einen reibungslosen und unfallfreien Slippbetrieb sind, werden sie dieser Neuerwerbung ansichtig.

OK, gekauft wie gesehen bedeutet in diesem Fall mal eben einen kleinen im untersten Bereich vierstelligen Betrag versenkt zu haben. Wobei „versenkt“ ja zu schön wäre, denn der rollende Haufen Schrott muss ja auch wieder vom Vereinsgelände verschwinden. Nach einigen „Gesprächen“ ist das Geld zwar wirklich futsch, aber der Verkäufer zieht das Teil auch wieder vom Hof. 

Na denn, neuer Anlauf.

Segelfreund Wolfgang (das ist der mit dem Wagenheber und Zement im Pazifik 2014, nennen wir ihn im folgenden mal Wolfgang 1) findet bei KLEINANZEIGEN ein viel, viel besseren Bootswagen. Allerdings steht das Teil in der Nähe von BREMERHAVEN, gut 200 Autobahnkilometer vom Ziel entfernt. 

Viel, viel besserer Hafentrailer – 2. Versuch, gekauft!

Ein ganz klein wenig drängt die Zeit, denn STÖRTEBECKER muss ja auch noch von TRAVEMÜNDE nach ELMSHORN gesegelt werden. Mögliche Transportdienstleister möchten sich nicht exakt auf einen Preis festlegen, auf einen Transporttermin schon gar nicht. Nicht hilfreich.
Da erwähnt der Verkäufer des viel, viel besseren Bootswagens in einem Telefongespräch das er „damals“ (wann auch immer) den Bootstrailer selbst transportiert habe. Dazu habe er sich einen PKW Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen sowie einen PickUp gemietet, der ein solche Gewicht ziehen darf. 

Ach so, das kann man auch selber machen?

Ja dann…

…mal eben ein neuer Plan: 
Ein neuer Vereinskamerad Namens Wolfgang, also Wolfgang 2, der gespenstischer Weise allerdings sein Leben lang mit Wolfgang 1 befreundet ist, hat angeboten bei der Besichtigung des zweiten Trailers mit dabei zu sein damit der Trailernovize nicht schon wieder Schrott kauft.

Laut Verkaufsanzeige und Gesprächen stehen die Chancen für einen Kauf bei über 50%. Warum also nicht das Teil direkt mit nehmen, wenn es wirklich passt? Die Miete für so einen riesigen PKW Anhänger beträgt gerade mal 80 € am Tag. Das, und nur das ist das Risiko. Die Zeit und der Diesel gehen so oder so drauf. Statt also gut 400 Besichtigungskilometer selbst im Erfolgsfall wirkungslos abzureißen soll geschwind ein großer PKW Anhänger gemietet und hinter KNAUSi gespannt werden. Geniale Effizenz!

Viel, viel besserer Hafentrailer – 2. Versuch, gekauft! Die roten Holzteile im Bildvordergrund sind die im Text angesprochenen 😉

Irgendwann zwischen wildem planen, aufgeregt telefonieren und herzlichen Freundschaftsbesuchen (Rückreisen ENGLAND 2025) stellt sich dann noch eine echt seriöse Frage: 

Wie viel Tonnen darf denn KNAUSi eigentlich genau ziehen? Also bei dem großen Auto müssten das doch auch 3,5 Tonnen sein?

Na ja, ein Blick in die Fahrzeugpapiere hilft natürlich, aber da stehen tatsächlich nur 2,5 Tonnen. Wer hätte das gedacht? KNAUSi wurde auf dem „Light Fahrwerk“ des FIAT DUCATO gebaut. „Heavy“ darf 3,5 Tonnen, ach was?!

Mathematik:
Der riesige PKW Anhänger hat ein Eigengewicht von 900 kg, darf also satte 2,6 Tonnen zuladen. Der Verkäufer des Hafentrailers meint, das angebotene Teil bringe nur 1,2 Tonnen auf die Wage, ohne das belegen zu können. Die Bilder der Verkaufsanzeige vermitteln allerdings eher den Eindruck von 2 Tonnen schierem Stahl?

Formal scheint alles im grünen Bereich, genaueres würde nur eine Waage liefern. Ob freiwillig oder unfreiwillig unter Polizeiaufsicht. 

Der Hafentrailer steht in einem Dorf auf einer Wiese und sieht nicht ganz so schick wie auf den Verkaufsfotos aus. Gammelt hier wohl schon länger vor sich hin? Rollt das Teil überhaupt noch? Ein vom Verkäufer organisierter Nachbar steht zwar unter Zeitdruck, hat aber einen Traktor. Also gondelt der Nachbar mit dem Hafentrailer und dem Traktor kreuz und quer über die Wiese, nichts quietscht, schnarrt oder rumpelt. Selbst die Vorderachse ist lenkbar. Wolfgang 2 kommt zu dem Schluss das das Teil an sich schon passen werde, allerdings müssten da später noch Stahlstreben angebaut werden um den Anforderungen des Vereines zu genügen. 

Die fehlenden Stahlstreben nennt man Rungen. Vier recht massive Stücke davon werden exakt auf die maximale Bootsbreite an dieser Stelle eingestellt und verhindern so das das Boot beim Slippen umkippen kann. Müssen im Winter gebaut und angebaut werden. Später dann.

Beispielbild für Rungen an einem Slippwagen

Schon klar, nichts ist perfekt.

Der Traktor schiebt noch schnell das Ungetüm auf den PKW Trailer, der im Dorf wohnende Vater des in Hamburg weilenden Verkäufers steckt das viele Bargeld in die Tasche und schon sind die beiden Eingeborenen verschwunden. 

Na, dann wollen wir mal in aller Ruhe den Hafentrailer auf dem riesigen PKW Anhänger ordentlich anbinden?

Das dauert seine Zeit, doch am Ende sieht das Bondage Werk wirklich sehr solide aus. Der viel, viel bessere Hafentrailer wird sicher nicht vom riesigen PKW Anhänger fallen. 

Tut er auch nicht, aber etwas anderes:
Die nahe gelegene Autobahn ist schnell erreicht. KNAUSi kommt zwar nicht über den fünften Gang hinaus, liegt aber trotz des zu ziehenden großen Gewichtes erstaunlich gut auf der Straße. Nach vielleicht 20 durchaus ruhigen Autobahnkilometern überholt ein PickUp, ebenfalls mit Anhänger. Dessen Fahrer bedeutet unmissverständlich unbedingt bei der nächsten Gelegenheit abzufahren! 

Huch, was ist denn bloß los? 

Die Rückfahrkamera hat den Anhänger samt Ladung die ganze Zeit gut im Blick. Alles so, wie es sein soll!

Der freundliche Überholer hält auch kurz an und berichtet völlig unaufgeregt:
Er sei hinter uns her gefahren und auf einmal sei dieses riesige Holzteil abgebrochen und auf unseren PKW Anhänger geknallt. Wenn das Holzteil auf die Straße gefallen wäre, dann wäre wohl schlimmes passiert?

Vermutlich schon, oh je! 

Zum Glück war das morsche Teil der hinteren Bootsauflage so schwer, das es trotz Vorausfahrt offenbar senkrecht nach unten gefallen ist. Nur mit der Faust lässt sich auch die andere Seite abschlagen. Beides wird sicher auf dem riesigen PKW Anhänger verstaut und nach dem Schreck kann die Fahrt weiter gehen.

Viel, viel besserer Hafentrailer – 2. Versuch, gekauft!


Da ist man so darauf fixiert den rollenden Stahl zu sichern, da bleibt offenbar kein Blick für alte Holzanbauten. Nicht zu entschuldigen, aber die Holzteile waren in der Tat nicht von Begehr, da diese für eine HANSE 341 ausgelegt waren. Völlig andere Bootsform als unsere HORNET 33.

Die weitere Fahrt mit knapp 80 km/h bleibt ereignislos. Der ELBTUNNEL ist gnädig, die A23 bei PINNEBERG nicht. Eine gute Stunde kostbarer Zeit geht hier im sinnlosen Stau verloren. Polizei kommt nie in Sicht, die hätte, egal ob überladen oder nicht, ob des ungewöhnlichen Gespanns sicher noch viel mehr Zeit gekostet. 

Die Deichdurchfahrt in SEESTER ist zwar eng, aber nichts schrammt am Beton vorbei. 

Wolfgang 2 zieht auf dem Vereinsgelände der W.Y.K. den neue STÖRTEBECKER Hafentrailer mit einem Vereinstraktor fachmännisch vom PKW Anhänger und parkt beide in der noch sehr leeren Bootshalle. 

Der riesige PKW Anhänger will auch noch zurück zum Vermieter gebracht werden, doch schon um 2100 Uhr ist dann endlich Feierabend. 

Ein schicker 12 Stunden Arbeitstag, ausschließlich fürs Vergnügen!

Wer kann dazu schon nein sagen?

Peter.

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