Nur in EXETER gibt die Band PENDRAGON auf der diesjährigen WARRIORS OF ROMANCE Tour ein „Weekender“ genanntes Doppelkonzert.
Zwei unterschiedliche Setlisten, fünf Stunden Musikprogramm wollen von der Band einstudiert sein.
Als Edelfan kann man auf so einem „Weekender“ so genannte VIP Tickets kaufen mit denen man vor den Shows so eine Art ausführliches Meet & Greet mit der Band bekommen kann. Besichtigung des Tourbusses, Backstage und während dessen ausführliche Schnacks mit den Bandmitgliedern. Hätte der Schreiberling auch gerne gemacht, aber diese wenigen Tickets sind schneller weg gewesen als man gucken kann.

Seit vielen Jahren ist es auf einem „Weekender“ üblich, das die Band ein Fanfoto aufnimmt. Dazu braucht man natürlich die Räumlichkeiten. Hier in EXETER bietet der Vorplatz des NORTHCOTT THEATER eine hervorragende Kulisse für so ein Vorhaben mit ein paar hundert Leuten. Der Wettergott hat ein Einsehen, es nieselt nur kaum merklich und schwups, ist das Bild im Handykasten.
Aufgenommen von RACHEL BARRETT, der Ehefrau von NICK BARRETT und in Personalunion die Bandmanagerin von PENDRAGON. Selbstironisch trägt sie ein T-Shirt mit dem Schriftzug „PENDRAGON SHERPA“. Wer wollte bezweifeln das Mütter in der Regel die Weltbesten Manager sind?
Das Bühnenprogramm startet am frühen Nachmittag mit einer Fan-Fragestunde. Die zahlreichen Wortbeiträge der Fans sind eher reine Liebeserklärungen und weniger tiefgründige Fragen. Aber in Bezug auf die Musik von PENDRAGON liefert diese Session zwei wichtige Erkenntnisse:
1) NICK BARRETT arbeitet an einer neuen Platte!
Woher der Fragesteller denn dieses Geheimnis habe? Zwei Stücke seien mehr oder weniger im Kasten, aber es sei noch ein weiter Weg bis zu einer neuen CD. Er wolle wie immer sicher sein das ihm das neue Werk erst mal selbst gefällt, nur dann habe er das Vertrauen das es auch uns Fans gefallen könne. Und erst wenn er die neue CD „für sich“ zusammen hat bekommen die anderen PENDRAGON Bandmitglieder das Material um für ihr Instrument ihre Interpretation dafür abzuliefern. Ja, das hört sich in der Tat nach einem weiten Weg an.
2) PENDRAGON hat kein Archivmaterial:
Viele Bands haben Aufnahmen von Stücken die mal geschrieben aber nie veröffentlicht wurden. PENDRAGON nicht. Alles, was für gut befunden wird, wird auch veröffentlicht, alles andere wird vernichtet. Der sich als lustiger, aber harmloser Zyniker gebende CLIVE NOLAN gibt als erfahrener Komponist seinem Bandleader folgenden Rat: Nichts am Abend wegschmeißen! Oft entstehen gute Dinge, aber am Abend denkt man, das taugt alles nichts. Lieber eine Nacht drüber schlafen und am nächsten Morgen urteilen. Nur um dann doch das Meiste davon in die Tonne zu treten.
Ein „Frager“ will wissen, ob der Auftritt auf der LORELEY beim LAST NIGHT OF THE PROG FESTIVAL 2024 der Beste Auftritt ihres Lebens gewesen sei? So vor gut 5.000 Leuten in grandioser Sonnenuntergangskulisse?
NICK BARRETT kann sich nach eigenem Bekunden so ziemlich an jeden Auftritt seines Lebens erinnern (…steile Behauptung, das wäre ja wohl mal zu testen!). Auf der LORELEY hätten sie jede Menge technische Probleme gehabt und seien nicht so gut wie gewollt gewesen. Aber ja, es sei ein fantastischer Auftritt gewesen an den er gerne zurück denke.
Logisch, vor 5.000 Menschen zu spielen berauscht vermutlich mehr als vor 460?
Eine Fragefrau hat die Band erst im April bei der CRUISE TO THE EDGE Kreuzfahrt kennen gelernt, ist sofort in Liebe verfallen und daher heute hier. Sie möchte wissen, ob PENDRAGON bei der nächsten Kreuzfahrt wieder dabei sein wird
NICK BARRETT erläutert das schwierige Verhältnis zwischen Veranstaltern und Bands. Wenn man einen Veranstalter Jahrzehnte lang kennt dann hat man eine Beziehung miteinander und kann einfach miteinander reden. Bei neuen Veranstaltern sei das schwieriger. Ruft man zu oft an um gebucht zu werden, nervt man und wird nicht eingeladen. Ruft man nicht an wird man schlicht vergessen.
Klassisches Problem eines jeden Vertrieblers der sein Produkt an den Mann bringen muss.
Dabei sind genau diese Festivals extrem wichtig für die Bands weil sie so neue Fans gewinnen können. Und auch wenn es schwerfällt das zu begreifen: Am Ende sind wir Fans die Kunden die dafür sorgen das es das Produkt auch weiterhin gibt.
Im Nebensatz erklärt NICK BARRETT warum es PENDRAGON überhaupt so lange gibt: Weil die Band nie richtig erfolgreich war und so aufkommende Eifersüchteleien von Bandmitgliedern nie Nahrung erlangt haben. Stimmt, großer Erfolg, gleich in welcher Branche, kann zu einem Boomorang werden. Was offen bleibt ist die Frage, was ihm lieber gewesen wäre…
Das Publikum hätte sicherlich noch viele weitere Fragen, aber nach guten 45 Minuten ist Schluss und die Vorgruppe MAGENTA betritt die Bühne.
Oder besser: Teile davon. Gesang, Keyboards und Gitarre.
Leider gibt es eine Million Bands die MAGENTA heißen, hier es um die walisische Band MAGENTA.
Nach zwei, drei akustischen Stücken ist der Schreiberling halb eingeschlafen vor Langeweile und nimmt sich vor, den Daumen dauerhaft zu senken. Auf einmal wechselt der Gitarrenspieler bei einem Stück über JANIS JOPLIN von akustischer auf elektrische Gitarre und der Schreiberling ist hellwach – und begeistert! Ach, so schnell geht das? Mal eben den Strom einschalten und schon ist er zufrieden?
MAGENTA ist eben nicht eine weitere (langweilige) Folk-Rock Band sondern, hat man Wikipedia studiert, eine waschechte Progressive Rock Band in voller Besetzung. Nur eben hier & heute nicht. Und die famose Sängerin CHRISTINA BOOTH hat auch schon bei PENDRAGON im Tourneechor gesungen.
Das nächste Stück „DAEMONS“ haut dann ordentlich rein, auch wenn das Schlagzeug vom Computer kommt. Tolle Wurst, am Merchendise Stand kann man keine CD´s von MAGENTA kaufen. Nach einem weiteren Stück wieder Pause.
Dann, so gegen 1530 oder 1600 geht es mit dem Auftritt von PENDRAGON weiter.
Wie angekündigt wird mit dem ersten Stück von THE WORLD (1991) „BACK IN THE SPOTLIGHT“ begonnen, was denn wohl auch das stärkste Stück auf dieser uralten CD ist. Der Schreiberling war im Vorfeld sehr bemüht sich intensiv in die Scheibe einzuhören, aber es ist ihm nicht gelungen so was wie wahre Liebe (wie z.B. zu LOVE OVER FEAR (2020)) zu entwickeln. THE WORLD ist zwar OK, aber nicht vom Stuhl reißend.
Das sehen lebenslange PENDRAGON Fans im Zuschauerraum des NORTHCOTT THEATERS offenbar anders und schwelgen bei alter Musik zu alten Erinnerung an die verdammt lange zurück liegende Jungend. Schon klar und auch gut so.
In einer der zahlreichen Anmoderationen erklärt NICK BARRETT die damalige Stimmung. Nach den beiden ersten mehr oder weniger erfolglosen Studioalben war er völlig enttäuscht, dachte, dies sei das Ende seiner jungen Musikerkarriere und fuhr erst mal nach AMERIKA. Als er zurück kam hatte er neuen Mut gefasst, voller Euphorie THE WORLD gemacht und dann ging es auch wieder aufwärts. Aus heutiger Sicht sei das nicht das Ende gewesen, sondern der Anfang.
Leider wird die Setlist des zweiten Abends im weiteren Verlauf des Spätnachmittags durch alte Kamellen dominiert und der Schreiberling hofft nun inständig das die Setlist für die nun anstehenden Einzelkonzerte auf dem Kontinent noch mal neu gewürfelt wird und die echten, niemals satt zu hörenden PENDRAGON Kracher noch mal für wilde Zuckungen sorgen.
Es gibt nichts schwierigeres für Musiker mit endlos langer Bandgeschichte als eine Setlist zusammen zu bauen, die alle Zuhörer glücklich macht.
Hier das Programm im Einzelnen:
a) komplettes Album „THE WORLD“ (1991)
a.1) Back in the Spotlight
Ganz OK, auch heute noch.
a.2) The Voyager
alt
a.3) Shane
alt
a.4) Prayer
alt
a.5) Queen of Hearts
a.5.1) Part I: Queen of Hearts
a.5.2) Part II: …A Man Could Die Out Here…
a.5.3) Part III: The Last Waltz
OK, hat man damals wohl so gemacht, aber: alt.
a.6) And We’ll Go Hunting Deer
In der Studioversion sehr stimmungsvoll, kommt live nicht so rüber
b) Akustik-Interval
b.1) Fall Away
Aus der Corona Zeit, ganz nett aber leider viel zu melancholisch…
b.2) King of the Castle
Klasse, absolute Klasse und Bestens genutzte Gelegenheit um die beiden Chorfrauen Sally Minnear und Johanna Stroud in Szene zu setzten. Äh, ins Gehör zu bringen.

c) Elektrisch weiter:
c.1) Not of This World, Part 3: Green Eyed Angel
Herzschmerz…
c.2) Kowtow
Uralt, aber durchaus interessant, demnächst mal genauer einhören.
d) Zugabe:
d.1) Water
Zwar vom aktuelle Lieblingsalbum LOVE OVER FEAR aber da leider das schwächste Stück auf der Scheibe…

Nun, kurz nach 1800 ist die Show denn auch vorbei und alle sind sichtbar vom Glück beseelt und hoch zufrieden. Die Band war am zweiten Tag richtig gut drauf, gegen Mittag konnte man durch die geschlossenen Türen mit Anhören wie THE WORLD nochmal vollständig (!) geprobt wurde. Die nehmen ihre Sache verdammt ernst! Und das ist gut so.
Auch das Licht war an diesem zweiten Tag besser. Bei „BACK IN THE SPOTLIGHT“ konnte man doch glatt das Gefühl bekommen, es gebe eine richtige Lichtshow! Ist bestimmt verdammt schwierig das wenige selbst mit gebrachte Material mit dem vorhandenen der Bühne so zu kombinieren, das da was gutes heraus kommt. Zumal die Lichtanlage im NORTHCOTT THEATER eher für Theaterstücke ausgelegt sein dürfte und die Scheinwerfer vor der Bühne uralt sind.
In der Fragestunde erwähnte NICK BARRETT beim Thema LORELEY noch folgendes: Eigentlich wollte man zum Abschluss AFRAID OF EVERYTHING spielen und im dramatischen zweiten Teil des Stückes die Scheinwerfer wie beim GENESIS SECOND OUT Albumcover zu sehen senkrecht von der Bühne herunter strahlen lassen. Spektakulär! Sie brauchten ein wenig Zeit um den Lichtmacher davon zu überzeugen, weil genau dieser Mensch auch für STEVE HACKET (ebenfalls auf der LORELEY und ehemaliges GENESIS Mitglied) arbeitet und nicht ungefragt „Anleihen“ nehmen wollte.
Nun denn, dazu ist es ja nicht gekommen weil die Zeit aufgrund der von niemanden bemerkten technischen Probleme um war und AFRAID OF EVERYTHING nicht mehr gespielt werden konnte.
Was für ein Glück!
Was wäre wohl mit dem Schreiberling passiert, hätte er da schon sein zukünftiges Lieblingsstück zum ersten Male gehört, perfekt in Szene gesetzt, auf perfekter Bühne?
Kommt nach Ekstase Ohnmacht?
OK, das war der etwas durchwachsenere Tag 2 der aktuellen PENDRAGON Tour.
Die Auftritte drei und vier muss die Band ohne uns hinbekommen, aber Nummer fünf sehen wir uns an!
Auf nach RAMSTEIN!
Peter.