Tunesien: Seldja Schlucht

Nach dem doch recht zeitintensiven Abstiegsabenteuer „ROMMEL PISTE“ geht es schnurstracks zum örtlich nächstgelegenen Campingplatz.

Denkt des KNAUSi´s Besatzung.

Erstmal glatt vorbei gefahren, dann gewendet, dann davor gestanden, dann überlegt (das kann doch wohl nicht sein?), dann angesprochen worden, dann mit dem Betreiber ALI telefoniert, dann geparkt und dann schließlich geblieben.

Der Stellplatz von ALI ist eher eine Art Rastplatzoase mit staubigen Parkplatz davor. Hat man sich erst mal damit arrangiert das das Auto wo anders (auf dem Parkplatz) steht kann man es sich unter den Palmen recht gemütlich machen. Und ob des frühen Nachmittages und der herrlich rauschenden Palmwedelruhe machen wir das dann auch.

Stellplatz von ALI in RICHET NAAM, TUNESIEN

Bald nach Ankunft erscheint ein Cousin von ALI und serviert erst Tee, später Erdbeerpudding und macht im übrigen alles damit sich die Ankömmlinge und alleinigen Gäste hier wohl fühlen. Später ruft ALI noch mal an und fragt ob wir zu Abend essen wollen? Der aktuelle Fahrer führt in Englisch das Telefongespräch und bucht eigenmächtig Abendessen für zwei unter der Voraussetzung des es keinen Cuscus gibt. Das findet ALI ziemlich lustig, lacht, verspricht keinen Cuscus aufzutischen und legt auf.

Bis zum frühen Abend kommen nacheinander eine ganze Reihe von Menschen vorbei.

Eingeborene Touristen zum Beispiel, die sich die Anlage einfach mal ansehen wollen. Denn ALI ist so was wie lokale Prominenz. Schließlich versucht er sich hier an einem „ECO TOURISM“ Projekt. So nennt er das selbst. Was das aber genau sein soll bleibt den ganzen Abend ungeklärt. Zu dem Projekt ist er wie die Jungfrau zum Kinde gekommen.
Irgendwann hat er mal angefangen den Palmengarten wohnlich her zu richten und eine Küche und Toiletten zu bauen. Dann rief eine landesweite Radiostation bei ihm an und wollte wissen was er denn da für ein interessantes Projekt habe? Kurz darauf meldete sich ein anderer Mensch und wollte Mittagessen für 50 Personen am Folgetag buchen um das Projekt persönlich in Augenschein zu nehmen.

Stellplatz von ALI in RICHET NAAM, TUNESIEN

Natürlich schaffen die Menschen in TUNESIEN alles, wirklich alles mit Hilfe ihrer großen Familien. In der Mittagsgruppe waren weitere Journalisten und so stieg er zu einer Art Tourismusberater auf obwohl er, man höre und staune, Informatik studiert hat. ALI ist sicher clever und kundenorientiert aber wie eigentlich alles in TUNESIEN extrem unterfinanziert. Und so gibt es in seinem Projekt mehrere unschöne Rohbauen die bestimmt schon länger darauf warten fortgeführt zu werden. Und so sieht der Stellplatz für Wohnmobile nun mal aus wie er aussieht.

Vermutlich steckt das eigentliche Projekt fest und ALI ist schon längst auf dem einfacheren Pfad seine eigene Bekanntheit zu Markte zu tragen?

Eine Reihe von Freunden kommt am Abend vorbei, alle sprechen vorzügliches Englisch und sind sehr gut gekleidet. Die jungen Männer arbeiten im Bergbau von METLAOUI und sind offenbar dort in gut bezahlten Positionen.

Stellplatz von ALI in RICHET NAAM, TUNESIEN

Aber auch ein „normaler“ junger Mann mit seiner Mutter kommt auf einen Ausflug mit dem Mofa vorbei. Die Bergbaumetropole METLAOUI liegt nur gut 15 Kilometer entfernt. Auch er spricht passables Englisch und spaßiger Weise treffen wir ihn am nächsten Tag in der Stadt während des Frühstücksbrotkaufens wieder. Die Welt ist auch in TUNESIEN nur ein Dorf.

Das Abendessen, zubereitet von ALI´s Mutter, ist schlicht köstlich und besteht aus vier üppigen Gängen. Salat, Suppe, Gemüsebrei, Karoffeln mit Hühnchen. Einmal mehr ist der Gedanke, das das eigentliche Geschäft das des Essen verkaufen ist. Gemüse, Brot, Getreide und Hühnchenfleisch ist in TUNESIEN sehr, sehr günstig, die Arbeitszeit der Mutter wird wohl per Definition nicht vergütet, da liefern die zu zahlenden 40 TDN pro Person eine üppige Marge.

Und das ist genau gut so, wenn es mal wieder so lecker ist!

Längst nach dem es dunkel ist verabschieden wir uns ins Bett und kurze Zeit später braust auch ALI auf seinem Mofa durch die Nacht nach METLAOUI, seinem zu Hause. Der Cousin muss noch aufräumen, spülen und sich zum Ausklang selbst belohnen für seinen arbeitsreichen Tag: Ein Stück Fleisch über dem offenen Feuer grillen und, Achtung, ein Bier trinken.

Nachdem die aktuelle Beifahrerin ALI für das Abendessen und den Stellplatz bezahlt hat steckt sie dem Cousin auch ein paar TDN zu. Der freut sich so doll das er doch glatt eine Dose des sehr knappen Bieres zurück schenkt. Also wenn diese Geste nicht herzerweichend ist?

OK, Daumen drücken das die große Familie von ALI sich hier in der Gegend auf Dauer ein gutes Auskommen mit uns Touristen aufbauen kann!

Zwischen zwei Bahntunneln in der SELDJA Schlucht, TUNESIEN

Denn genau genommen ist der Miniort RICHET NAAM etwas am Arsch der Welt, da kommen aus Versehen keine Touristen vorbei.

OK, die ROMMEL PISTE im Osten und die SELDJA Schlucht im Westen, beides im Umkreis von nicht mal 10 Kilometern. Beides touristisch nicht erschlossen, die nahe Bergbaustadt METLAOUI auch nicht besonders hilfreich.

Nun denn, wo eine Schlucht ist, da ist auch bekanntlich des KNAUSi´s Besatzung!

Am nächsten Morgen ist der Platz von ALI wieder menschenleer und KNAUSi wird schnurstracks zur sehr nahen SELDJA Schlucht gefahren, denn in großer Mittagshitze mag niemand wandern.

Ob der frühen Uhrzeit und der menschenleeren Gegend ist man dann doch etwas überrascht das an der Pumpenstation, an der die Wanderung beginnen soll, drei Menschen herum lungern. Ein ganz alter Mann, ein Mann mittleren Alters und ein junger Mann. Der sehr alte Mann ist der gewiefte Verkäufer. Er verkauft Touren in die Schlucht, Parkplatzbewachung und später bietet er auch noch Cuscus an – nicht schon wieder!

Zu Anfang der SELDJA Schlucht, TUNESIEN

Na ja, einen Führer braucht man hier für die Tour entlang bzw. auf den Bahngleisen der SELDJA Schlucht bestimmt nicht. Aber in der Tat hat des KNAUSi´s Besatzung schon lange keine Eintrittsgeld oder Parkgebühren mehr entrichtet.
Statt nun in schwieriger Sprache schwierige Diskussionen über Sinn und Rechtschaffenheit zu führen zahlen wir die geforderten 30 TDN und haben einen Führer für eine Stunde und, viel wichtiger, unsere Ruhe.

Logisch, der ganz junge Mann ist der Führer. Offenbar hat er so viel Spaß an seinem Job das er jegliche Sprache verloren hat. Leider. Nach exakt 30 Minuten bleibt er einfach stehen und bedeutet, das es Zeit wäre umzukehren. Kommt ja wohl gar nicht in die Tüte!
Die ausgleichende aktuelle Beifahrerin steckt ihm noch ein kleines Trinkgeld zu und macht klar, das er jetzt zurück gehen kann und wir alleine weiter in die Schlucht vordringen werden. Das ist so was von OK für ihn!

Es macht absolut keinen Sinn über diese unerwartete Führernummer nach zu denken. Alles war freundlich, humor- und respektvoll, warum sich dann über das wenige verlorene Geld aufregen? Und wieso überhaupt verloren? Für die 30 TDN können die Eingeboren sich ein super Abendessen für vier oder sogar sechs Personen kochen und es ist immerhin kein erbetteltes Geld.

Die Wanderung in der SELDJA Schlucht geht von der Pumpenstation eigentlich one way knapp 8 Kilometer bis zur nächsten Bahnstation. Hin & zurück zu weit. Also ist der Plan so weit entlang der Bahngleise zu gehen bis die Felsen zu beiden Seiten ordentlich dicht zusammen rücken und dann einfach auf gleichem Weg zurück zu kehren.

Bagger, Transformer oder Naturgewalt: Wer hat das Bahngleis da hin geschmissen? SELDJA Schlucht, TUNESIEN

Einmal mehr ist der phantastische Kontrast von karg-rot-braunem Fels im Hintergrund zu sattem, richtig fettem Grün im Vordergrund der Star des Tages. Unmöglich sich daran satt zu sehen!

Immer wieder müssen kurze Tunnel auf dem Bahngleis passiert werden. Überall auf der Welt vermutlich etwas irre, hier in TUNESIEN wohl auch, aber nicht hier & jetzt. Denn zum einen verkehrt nur ein Reparaturzug auf diesem Streckenabschnitt und zum anderen haben wir den passieren sehen, als wir noch die Wanderschuhe angezogen haben.
Ferner gibt es in den Tunnel kleine Schutzbuchten in die man sich verziehen müsste, würde man von einem Zug überrascht. Eigentlich fährt auf dieser Strecke auch ein schicker Touristenzug, der LEZARD ROUGE (Rote Eidechse). Leider ist der Zug selbst aber auch das Bahngleis kaputt. Seit Jahren schon. Man kann nachlesen, das der historische Zug repariert werden soll, man kann sehen das das Bahngleis bereits repariert wurde.

Etwas spektakulär ist es ja schon ganze Bahnschienen wild in der Landschaft herum liegen zu sehen. Ein Bagger oder ein TRANSFORMER hat die da bestimmt nicht hin geschleudert, sondern (vermutlich) eine enorme Flutwelle. Ob die neu erbauten Brücken und das mit riesigen Felssteinen abgesicherte Gleisbett diesmal robuster ausgelegt sind?

Irgendwann sehen wir Menschen!

Drei Arbeiter rühren mit der Hand auf einer Brücke Beton an und seilen die Pampe in einem 10 Liter Eimer an einem ordinären Seil ab. Erst auf dem Rückweg begreift der Schreiberling, das die da irgendwas unter dem Gleisbett an der Brücke reparieren. Offenbar hat der zu Anfang gesehene Arbeitszug die drei hier früh am Morgen „ausgesetzt“, zusammen mit 20 Zementsäcken und einem Fass voller Wasser. Ihr Proviant steht im Schatten eines nahen Tunnels. Die drei grüßen freundlich, kümmern sich aber nicht weiter um die beiden Touristen sondern arbeiten einfach weiter. Vorbildlich.

Der aktuelle Fahrer übersieht mal wieder die Notwendigkeit des anzutretenden Rückweges und will immer weiter, die aktuelle Beifahrerin mit ihrem Schrittzähler am Handgelenk mahnt zunehmend energisch, zu Recht.

Also Umkehr, am Ende doch verdammt langwierig.

Fabrikruinen in der Bergbaustadt METLAOUI, TUNESIEN

Kaum erschöpft am Parkplatz angekommen versucht der sehr alte Mann den Besten Cusus in ganz TUNESIEN an den Mann zu bringen. Kann in nur 25 Minuten hier sein!

Keine Frage, schnell weg hier!

Sonst akzeptiert der noch nicht mit Frühstück befriedigte Magen am Ende doch noch mal diesen meist recht trockenen Getreidebrei 😉

Über ein paar kleine gewollte Umwege, gemacht um sich den Phosphatabbau in der Gegend mal näher anzusehen, führt der Weg nach GAFZA. Die aus unerklärlichen Gründen brachliegenden Industrieanlagen ragen halb in die Stadt METLAOUI hinein, die endlosen Förderbänder und die Eisenbahn steht still. Statt dessen werden die Straßen von hunderten völlig identischen 30 Tonner Lastkraftwagen bevölkert die unter der Plane gerade so erkennbar graues Pulver durch die Gegend kutschieren.

Gefällestrecke auf dem Weg nach GAFZA, voll mit sehr langsam fahrenden LKW, TUNESIEN

Beim Frühstück auf freiem Feld fällt einem fast die Kaffeetasse aus der Hand als in der Nähe ein Berg halb weg gesprengt wird. Bergbau halt. Unwirkliche, riesige Abraumhalden verwandeln die Gegend in den Mond.

Man wollte so viel mehr wissen und verstehen. Aber wessen Seite der Medaille? Und am Ende: Wozu?

Irgendwann ist GAFZA erreicht und der Olivengarten mit Pool entpuppt sich als weit besserer Stellplatz am Rande der Großstadt als gedacht. Sogar ein richtiges, selbst gemachtes Campfire ist mal wieder drin und sorgt für einen sehr schönen Abend in jetzt wieder vollständig aus drei Autos bestehender Reisegruppe.

Peter.

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