OK, die Überfahrt mit der GNV FANTASTIC war völlig ereignislos und nahezu langweilig. Zum Glück hatten wir uns auf schlechtes teures Essen im Bordrestaurant eingestellt und ausreichend Proviant für zwei volle Mahlzeiten dabei. Improvisiert zwar, aber besser als alles vom Schiff angebotene. Die bunten Werbefilme für die fantastischen Essensangebote auf den endlos vielen Bildschirmen verhöhnen ihre Zielgruppe. Dagegen ist jedes McDonalds Werbefoto eines BigMacs unverfälschte Dokumentation.
Das Schiff hat bereits weit vor dem Zielort merklich Fahrt verloren, würde wohl zu früh ankommen? Statt geplanter Mitternacht ist es denn auch erst 2100 als der große Dampfer in das gut betonnte Fahrwasser des Hafens von Tunis einläuft. Glitzernde Lichter an der Küste, merklich wärmer und ein fremdartiger Landgeruch in der Nase. Das große Hafenbecken liegt wie ausgestorben vor uns, die GNV FANTASTIC muss in die hinterste Ecke und vorher ohne Schlepperunterstützung wenden. Das Manöver geht zügig über die Bühne, aber der Dampfer kommt fast 50 Meter parallel zur Kaimauer zu liegen und muss mühsam heran bugsieren. Das dauert.
Kein Mensch weit und breit zu sehen.
Endlich dürfen die Fahrzeugpassagiere in die Autodecks hinab steigen. Es geht los!
Unsere TUNESIEN 2025 Tour fahren wir mit drei Autos. Zwei Busse, ein Raumschiff. Drei Frauen, zwei Kerle. Weitgereiste, aber erstmals zusammen unterwegs. Motivation: Gegenseitige Hilfestellung im Fall der Fälle in einem vermutlich nicht ganz so einfachen Land. So zumindest das Vorurteil. Die drei Autos stehen auf drei unterschiedlichen Autodecks, daher unterschiedliche Ausfahrten. Sammeln vor Grenzpolizei und Zoll verabredet.
KNAUSi finden wir genau so vor wie wir ihn abgestellt haben. Vorwärts eingeparkt. Keine Besatzung, kein Einweiser weit und breit. Während des KNAUSi´s Fahrer davon ausgeht, im Schiff wenden zu können um vorwärts über die Laderampe zu fahren wenn alle anderen Autos weg sind, bedeutet ein Eingeborener das doch nun hinter KNAUSi frei sei und man gefälligst jetzt rückwärts raus solle.
OK?
OK!
Schnurstracks rückwärts geht es so einigermaßen mit dem Anhänger. Die aktuelle Beifahrerin macht den professionellen Einweiser und erst auf der Laderampe steht dann ein Einweiser vom Schiff der völlig ohne Not zur Eile antreibt. Denn außer KNAUSi kommt niemand aus diesem Ladedeck heraus, weil nicht besetzte Fahrzeuge den Weg blockieren.
Das Raumschiff wartet vor einem Hafengebäude, auf dem Kaigelände brettern ab und zu völlig überladene PKW´s von der Fähre, der zweite Bus erscheint nach gut 20 Minuten. Nun denn, auf zur Grenzkontrolle, über die man beliebig viele abenteuerliche Geschichten lesen kann.
Gut 1.000 Meter vom Schiff entfernt taucht der erste uniformierte auf und zeigt den Weg zur einer überdachten Halle mit 6 oder 8 Fahrspuren und an deren Ende jeweils kleinen Bürocontainern als Schalter, vor die man vorfährt.
Grenzpolizei:
Völlig normale Passkontrolle, aber der etwas genervt wirkende Herr hinter der Scheibe will auch noch die Fahrzeugpapiere von KNAUSi und dessen Anhänger sehen. Ferner will er eine Adresse, nicht die von zu Hause, sondern eine in Tunesien. Darauf vorbereitet, einen Zettel mit einer maschinengeschriebenen Adresse eines Hotel übergeben. Die wird sauber in ein Formular abgeschrieben, nach weniger als 10 Minuten ist man an dieser Station fertig.
So langsam realisiert man, wie groß diese Abfertigungshallen sind und wie viele Autos dann mittlerweile doch aus der Fähre gekommen sind. Weitere Uniformierte zeigen den Weg zu der entsprechenden Zoll-Fahrspur.
Nach etwa 200 Metern stoppt ein Mann des KNAUSi´s langsame Fahrt. Sieht aus wie ein offizieller, trägt aber nicht die gleiche Uniform wie die Zollleute zuvor. Papiere her, Zack Zack und schon schreibt er Geschwind eine hölzerne Sitzbank als Schreibtisch nutzend alle Daten in ein Formular.

Erscheint ein hoch gewachsener Zöllner und brüllt (!), was des KNAUSi´s Fahrer denn hier mache? Das Auto solle gefälligst bis nach vorne durchfahren und hier den Verkehr nicht aufhalten! Alles klar. Der stoppende Kerl ist ein Parasit, der hier eigentlich gar nichts zu suchen hat und überfordert wirkenden Touristen die Arbeit abnehmen möchte. Gegen Gebühr, versteht sich. Im Nachhinein zu verhandeln. Nein, nein, so was will des KNAUSi´s Fahrer ja gar nicht. Papiere her und auf Wiedersehen!

Wie sich im Verlaufe der Nacht heraus stellt vielleicht nicht die klügste Entscheidung, denn nach dem KNAUSi bis zum Spurende vorgefahren ist steht sein Fahrer wie Doof in der Gegend herum und versteht die Abläufe nicht.
Irgendwann kommt ein anderer Zöllner an und bedeutet man solle hier nicht herumtrödeln und gefälligst DAS Formular ausfüllen. Ja, aber woher bekommt man denn DAS Formular? Der Zöllner rennt von einem Bürocontainer zum nächsten und findet erst im Dritten welche. Auf diesen Formularen sind die Daten aller ins Land gebrachten Fahrzeuge zu vermerken. Demnach braucht des KNAUSI´s Besatatzung dann mal vier: Auto, Anhänger und zwei Motorroller. Bekommt aber nur drei. Während der Fahrer emsig schreibt besorgt die Beifahrerin noch ein Formular.
Der gleiche Zöllner treibt zur Eile an. Was des KNAUSis Fahrer da überhaupt mache? Wieso vier Formulare? Die Motorroller gehörten auf die leere Rückseite des Autoformulars, bedeutet dies, nimmt das Formular dem Fahrer aus der Hand und macht sich nun selbst ans Werk.
Anhänger öffnen, Zack Zack!
Jawohl!
Wo sind denn auf den Motorrollerpapieren die Fahrgestellnummern, will der rüde auftretende Zöllner wissen.
Na hier!
OK, dann ab in den Anhänger. Du liest mir die Nummern vor und ich prüfe auf Richtigkeit.
Nun, dazu braucht man eine Taschenlampe und etwas stumpfes wie einen flachen Schraubendreher um die Plastikabdeckung an den Rollern zu entfernen hinter denen sich die Fahrgestellnummern verbergen. Also wieder in den Bus, in der Eile statt einem Schraubendreher ein Frühstücksmesser gegriffen und dem Zöllner ungewollt wertvolle Minuten gestohlen.
Schneller, schneller.
Ja, natürlich!
Des KNAUSI´s Fahrer liest also laut die einzelnen Buchstaben und Ziffern vor, der Zöllner bestätigt hier und da mal. Wenn das mal bei diesen endlosen Nummern gut geht? Die demutsvolle Haltung des Fahrers gefällt dem Zöllner offenbar und so langsam entspannt er sich ein wenig, wird gefühlt sogar etwas hilfsbereit.
Zwei Formulare nun vollständig ausgefüllt. Damit nun in ein Büro am Rande der Halle.
Kleine Warteschlange. Ein einzelner, offenbar Ranghöherer Zollbeamter studiert die ausgefüllten Formulare, die Fahrzeugpapiere und Reisepässe. Trägt die Fahrgestellnummern der Motorroller in den Reisepass des aktuellen KNAUSi Fahrers ein. Beide sogar richtig. Auf alles mögliche werden Stempel gedrückt.
Erledigt.
Denkt man.
Denn nun stellt man sich an einem anderen Bürocontainer in der Halle in eine Schlange. Da sitzt ein Zöllner hinter einem PC, klimmpert irgendwelche Daten aus den Formularen in den Computer und druckt ein doppelseitiges Formular aus, nachdem er sich mehrmals mit dem störrischen Druckerpapier auseinander gesetzt hat. In diesem Stück Papier taucht nun die Fahrgestellnummer von KNAUSi auf. Der Anhänger findet sich wundersamer Weise nirgendwo wieder, vermutlich weil das Teil keinen Motor hat?
Mittlerweile hat man quasi so was wie Freundschaft mit verschiedenen Deutsch-Tunesiern gemacht, die gerade ihr Heimatland besuchen wollen und selbst im Zollchaos stecken. In perfektem Deutsch bieten sie immer wieder ihre Übersetzungshilfe an oder moderieren zwischen überfordertem deutschen Touristen und strengen tunesischen Zöllnern. Eine echte Hilfe. Danke.
Offenbar ist nun alles getan, schnell noch eben zur ebenfalls am Rand der Halle befindlichen Wechselstube und etwas Geld in die Währung der Eingeborenen getauscht. Tunesische Dinar heißt das Geld der Stunde!
An eine freie Ausfahrt aus der Abfertigungshalle ist aber immer noch nicht zu denken!
Ein weiterer Zöllner prüft nochmals die Pässe und den Computerausdruck gewissenhaft. Das Original dessen behält er, die Kopie verbleibt bei den Reisenden. Danach nochmal Polizei, diesmal schwer bewaffnet. Pässe.
Und jetzt, gefühlt nach 2 Stunden, ist man endlich in Tunesien eingereist!
Hurra!
Kurz vor Mitternacht warten noch viele Angehörige auf ihre ankommenden Familienmitglieder die irgendwo in den Abfertigungshallen stecken müssen. Die Nacht ist noch nicht vorüber.
Ein fliegender TUNISE TELECOM Stand verspricht schnelle und günstige SIM Karten für mobiles Internet. Also Auto parken und nochmal zurück um sozusagen als Erstversorgung wieder an Internet zu kommen.
Selbstverständlich stellt sich im Nachhinein raus, das man etwas übers Ohr gehauen wurde, aber hey, was spielt das um diese Uhrzeit schon für eine Rolle?
Ankommen und Einreisen, das war das Ziel!
Und es wurde erreicht!
Peter.
P.S:
Einreiseformulare: Im Internet kursieren weitere auszufüllende Formulare. „Effekten“ (für eingeführte Devisen), Inventarliste (für alle mitgebrachten Wertgegenstände) und Reiseroute. Jetzt, im März 2025 spielte keines davon eine Rolle. Ausschließlich das Fahrzeugformular ist wichtig.
Da der Polizist wirklich nur stumpf nach einer Adresse in Tunesien fragt diskutiert man wohl besser nicht. Ganz korrekt ist das Nennen einer Landesadresse an der man niemals aufschlagen wird sicherlich nicht. Aber was wäre die Alternative?
Keines der drei Autos wurde näher auf dessen Inhalt untersucht. Was sich in den Autos befindet hat schlicht niemanden interessiert. Es bleibt natürlich offen, ob das eine Ausnahme oder die Regel ist. Von einem anderen Auto das im Januar 2025 eingereist ist wissen wir das dieses ebenfalls nicht auf Inhalt (z.B. Alkohol) untersucht wurde.