Überführung TRAVEMÜNDE -> ELMSHORN

Auf dem Rückweg der Wohnmobilreise ENGLAND 2025 konnten wir entlang des Weges noch einige Freunde besuchen. 

Auch eine mögliche Art zu reisen: Sich (kurzfristig) selbst einladen und durchfüttern lassen. 

Kulinarisch kaum zu toppen, kennt man die richtigen Leute.

Und die, wer wollte das bezweifeln, kennen wir! 

Besser noch, wir wissen sogar wo die wohnen!

Nun denn, irgendwann dann doch wieder in ELMSHORN aufgeschlagen und das nächste Projekt in Angriff genommen: Das im August gekaufte Segelboot „STÖRTEBECKER“ vom Typ HORNET 33 von TRAVEMÜNDE in die KRÜCKAU Mündung überführen!

Während man TRAVEMÜNDE als Teil von LÜBECK vielleicht noch kennen mag, muss die KRÜCKAU wohl an dieser Stelle kurz erklärt werden:
Durch unsere Heimatstadt ELMSHORN fließt ein kleines Flüsschen Namens KRÜCKAU. Insgesamt ist der Fluss nur 40 Kilometer lang. Erst ab ELMSHORN ist die KRÜCKAU bis zur Mündung in die ELBE, 11 Kilometer später, schiffbar. Zumindest theoretisch, denn der Fluss wird kommerziell schon lange nicht mehr genutzt und daher wird er auch schon lange nicht mehr ausgebaggert. Der Effizienz wegen (?).

Wie auch immer: 
Als man nach der großen Sturmflut 1962 die ELBE eindeichte wurde an der KRÜCKAU Mündung ein Sperrwerk errichtet um zukünftige Sturmfluten einfach auszusperren. In diesem Zusammenhang entstand direkt hinter dem KRÜCKAU Sperrwerk im geschützten Bereich ein kleiner Yachthafen, die Heimat der „Wassersport- und Yachthafenvereinigung Krückaumündung e.V.„, kurz „W.Y.K.“ genannt.

Und diese „W.Y.K.“ ist nun des STÖRTEBECKERS und unsere neue seglerische Heimat. Mit dem Fahrrad gut in 30 Minuten zu erreichen, mit dem Auto vielleicht etwas schneller. Sehr Idyllisch gelegen, überschaubar und vermutlich ein sehr gutes Vereinsleben.

Spätsommerabend an der TRAVE / Travemünde


Nun denn, bekanntlich führt der Weg von dem (!) OSTSEE an die ELBE durch den NORD-OSTSEE-KANAL (NOK). Somit war der Törnplan für die Überführung in der ersten Planung kurz und schmerzlos, in der Realität brauchten wir aber dann doch 7 Etappen für die Überführung weil das Leben, oder in diesem Fall der Tot alles andere überragt:

Schlag 1: Von TRAVEMÜNDE nach FEHMARN
Schlag 2: Von FEHRMARN nach HEILIGENHAFEN
Schlag 3: Von HEILIGENHAFEN nach KIEL-HOLTENAU
Schlag 4: Von KIEL-HOLETNAU nach RENDSBURG
Schlag 5: Von RENDSBURG nach BRUNSBÜTTEL
Schlag 6: Von BRUNSBÜTTEL nach GLÜCKSTADT
Schlag 7: Von GLÜCKSTADT zur W.Y.K.

Schlag 1 TRAVEMÜNDE -> FEHMARN (39sm / 5,5h):
Eigentlich sollte es von TRAVEMÜNDE direkt nach HEILIGENHAFEN gehen, doch der recht stramme NORD-WEST Wind ließ am Ende nur BURGSTAAKEN auf FEHMARN zu. Auch das war für den ersten echten Törn mit dem neuen Dampfer schon recht anspruchsvoll. Zunächst in den Tiefen der LÜBECKER BUCHT ein geschützter, idealer Start, dann, nach zwei Stunden oder so bei Nordkurs im zweiten Reff im Groß und Dritten Reff in der Genua sehr, sehr stramm am Wind. 

STÖRTEBECKER in der LÜBECKER BUCHT

Die lange nicht mehr erlebte kurze Ostseewelle gegen an natürlich sehr für den Ar….. Öfters mal ordentlich Wasser auf dem Vordeck, zum Glück erweist sich die Vorschiffsluke als richtig dicht, auch wenn sie nicht so aussieht.
Bereits auf diesem Schlag zeigt sich das STÖRTEBECKER klasse Segeleigenschaften mit sich bringt! So hoch am Wind wäre STORMVOGEL wohl nicht gelaufen, schon gar nicht mit über 6 Knoten. 
Wirklich erstklassig ist der hydraulische Autopilot unserer HORNET 33. Kurs einstellen, ein wenig +/- geben um die optimale Geschwindigkeit zur Segelstellung zu finden und einfach laufen lassen. Schön geschützt unter der Sprayhood sitzen und nur Ausguck gehen. Wenn bei so einem Wetter jemand hätte Ruder gehen müssen, dann wäre das ein anderer Schlag gewesen.

STÖRTEBECKER im Yachthafen von BURGSTAAKEN / FEHMARN

Eigentlich sollte man nicht mehr nach BURGSTAAKEN gehen. Die Steganlage dort ist so was von ranzig und herunter gekommen, schon fast eine Frechheit. Natürlich soll das keine Ausrede für den versauten Anleger sein, aber am Ende hat ein ungeschützter Edelstahlwinkel der Steganlage einen massiven, ca. 25 cm langen Kratzer in des STÖRTEBCKERS Schiffsrumpf gehobelt. 

Sehr, sehr ärgerlich. Aber: Das muss ja auch so sein. Neuer Dampfer, erster Kratzer. Pflicht.

Wer in BURGSTAAKEN liegt kommt um Fischbrötchen und Sahnetorte nicht herum, durch die stolze Insel ohne steifen Wind geschützt an einem sonnigen Spätsommernachmittag einfach nicht zu toppen. Nach zwei Bier ist der Kratzer in STÖRTEBECKER auch schon von ganz alleine kleiner geworden. 

STÖRTEBECKER vor FEHMARN SUND Brücke

Schlag 2 FEHRMARN -> HEILIGENHAFEN (11sm / 2,1h):
Am Tag darauf soll der Wind später weiter auf NORD drehen und etwas abflauen. Schlechtes Timing: Segelfreund Lutz liegt mit seinem Dampfer in MARSTAL auf der Insel AERÖ und ursprünglich bestand die Hoffnung ihn dort mit einem kleinen Abstecher über DÄNEMARK besuchen zu können. 
Aber wenn der Wind nicht ist, dann ist der Wind nicht. Also wird der Vormittag am Boot verbummelt und Mittags unter Motor die zwei Stunden Reise nach HEILIGENHAFEN in Angriff genommen. Wenig Bootsverkehr im Fahrwasser, rappelvolle Marina in HEILIGENHAFEN. Und grob geschätzt eine Millionen Touristen, die wie wir ihr Sonnenglück kaum fassen können. Genau so muss der norddeutsche Spätsommer sein. Herrlich!



Schlag 3 HEILIGENHAFEN ->KIEL-HOLTENAU (37sm / 7,5h):
Der längste Schlag der Reise entpuppt sich auch seglerisch als der schwierigste. Über Nacht ist der Wind auf NORD-OST herum gekommen, das ist für den anstehenden WEST Kurs gut. Aber leider ist der Wind auch recht wenig geworden („abgeflaut“). Und so schaukelt STÖRTEBECKER in der alten Welle ein wenig unwillig Richtung Westen. Direkter Kurs kann nicht gesetzt werden, denn der Weg wird durch ein riesiges militärisches Sperrgebiet versperrt. Wochentags wird immer scharf geschossen, in diesen Zeiten wohl noch intensiver als vor 10 Jahren vielleicht? 
Aber hier üben nicht etwas Marineschiffe, sondern es wird von Land aus in Richtung See auf fiktive Ziele geschossen. Ein Patrouillenboot sichert physikalisch das ansonsten perfekt elektronisch überwachte Gebiet. Auf UKW Funk Kanal 11 informieren regelmäßige Durchsagen über den genauen Verlauf des Sperrgebietes. Denn je nach Übung kann es verkleinert oder vergrößert werden. Wenn man Pech hat und das maximale Übungsgebiet benötigt wird muss man einen Umweg von über zwei Stunden in Kauf nehmen. 

Wir haben Glück an diesem Tag und dürfen entlang des in der Seekarte markierten KIEL – FEHMARN Weges schippern. Kaum ein Umweg. Nur eine Yacht läuft voraus mit uns nach WESTEN. Auch die machen gut erkennbar ein paar mehr Segelmanöver mehr um bei dem seltsamen Wind vorwärts zu kommen. 
Na ja, an Bord des STÖRTEBECKERS wird auch so einiges ausprobiert, für eine Stunde wird sogar das Vorsegel mal ausgebaumt. Doch als alles nur noch klappert und scheppert wird das Vorsegel wieder zurück gebaut. So macht das keinen Spaß, doch der kommt unerwartet zum Ende des Schlages wieder:
In der Nähe von KIEL LEUCHTTURM, bei Einfahrt in die KIELER FÖRDE frischt der Wind merklich auf und durch den geänderten Kurs läuft unsere HORNET 33 mit halben Wind maximal Geschwindigkeit: Unheimliche 7,8 Knoten, über Grund!

Das wird uns zu schnell! 

Zum einen kann man in der schon sehr tief stehenden Westsonne kaum den zahlreichen Gegenverkehr im glitzernden Wasser erkennen, zum anderen wollen wir das Rigg (Mast und Wanten) nicht mehr als nötig stressen. Also kurz nach FRIEDRICHSORT alle Segel bergen und das kurze Stück bis zum kleinen Schleusenhafen von KIEL HOLTENAU unter Motor zurück legen. 

Route Überführung TRAVEMÜNDE -> ELMSHORN (auf Bild klicken und rein zoomen)

Das macht auch noch aus einem ganz anderen Grund hochgradig Sinn: Nach dem langen Segeltag unter Autopilot sind die Batterien doch recht ausgelutscht und in KIEL HOLTENAU gibt es keinen Landstrom zum Aufladen.

Standesgemäß direkt nach dem Anleger in einer örtlichen Kneipe ein Anlegerbier einnehmen. Das SCHIFFERCAFE KIEL HOLTENAU scheint ein idealer Ort in der Abendsonne für dieses Vorhaben zu sein. Scheint aber auch nur so. 
Denn die Betreiber verstehen ganz offenbar ihr Handwerk nicht. Endlos lange Schlange am Tresen. Als die Besatzung nach gefühlt 30 Minuten mit zwei Flaschen lauwarmen Bier wieder kommt verliert der ursprünglich Bestens gelaunte Skipper mal kurz die Fassung, steht auf, verlässt den Ort der Unfähigkeit und geht zurück zum Boot. 
Denn dort, so weiß er ganz genau aus erster Hand, liegen bestens gekühlte kleine Metallische Zylinder herum. Bereits nach dem ersten Schluck beschleicht den Skipper allerdings ein schlechtes Gewissen. Einfach so die Mannschaft in einer Kneipe sitzen zu lassen ist ja wohl auch keine Art. 

Schon gar nicht nach einem alles in allem sehr schönen Segeltag?

Also noch zwei kleine kalte metallische Zylinder in die Tasche gesteckt, zurück zum Ort der Unfähigkeit gedackelt und die selbst verursachte bescheuerte Situation gerade noch so gerettet. Das war knapp, aber so was von gaaaanz knapp.

Doch von nun an ist der Abend leicht verflucht. Klar, wer sich schlecht benimmt, dem gelingt nicht mehr viel.

Ursprünglich wurden die HORNET 33 Segelyachten mit einem kardanisch aufgehängten zweiflammigen Spirituskocher ausgeliefert. Den gibt es an Bord von STÖRTEBECKER leider nicht mehr. Die Voreigner haben immer mit Landstrom auf einem transportablen Ceranfeld gekocht. Nun, kein Landstrom, kein elektrisches Kochen.
Weil der Skipper ja die Welt im Allgemeinen und den Schleusenhafen von KIEL HOLTENAU im Besonderen kennt wurde vor Abreise ein Campinggaskocher mit Kartuschen an Bord deponiert. Der wird also fix aufgebaut denn darauf sollen nun geschwind Pestonudeln gekocht werden. 

Das Problem: 
Keine Flamme! Das neue Teil funktioniert offenkundig nicht? So ein Mist. In der Tat dauert es nun ungefähr 30 Minuten bis der ungehobelte, aber angeblich welterfahrene Skipper bemerkt das es am Schlauchanschluss der Kartusche auch noch ein nicht als solches zu erkennende Ventil gibt, das geöffnet werden muss bevor Gas in den Kocher gelangen kann. 

Die Besatzung ist klug genug, ob der offenkundigen Unfähigkeit ihres Skippers nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. 

Die Nudeln waren dann klasse, der Rest des Abends auch. 

Yachten in der großen Schleusenkammer von KIEL HOLTENAU


Schlag 4 KIEL-HOLETNAU -> RENDSBURG (4,1h): 
Am frühen Morgen, kurz nach 0800 Leinen los und mit vielleicht 15 anderen Yachten vor die Schleuse auf Lauer legen. Denn ob und wann Yachten geschleust werden obliegt allein dem diensthabenden Schleusenwärter. 
Seit gefühlt einem Jahrhundert sind die beiden ganz alten, kleinen Schleusen in KIEL HOLTENAU kaputt und außer Betrieb. Seit gefühlt 50 Jahren wird an deren Wiederherstellung gearbeitet. Oder korrekter: Die werden gleich ganz neu gebaut. Sollen 2032 fertig werden, ob STÖRTEBECKER dann noch schwimmt?

Nun denn. 

Nach erstaunlich kurzer Wartezeit werden die kleinen Yachten in die riesige Schleusenkammer gelassen und die NORD-OSTSEE-KANAL (NOK) Reise kann beginnen! Eine Passage im NOK kostet natürlich Geld, an Automaten an Land zu entrichten. Das hat der Skipper des STÖRTEBECKERS natürlich schon im Schleusenhafen von KIEL HOLTENAU erledigt. Andere nicht, die machten sich sogar lustig über dieses angebliche voraus eilende Gehorsam. 
Doch, die wachsamen Augen von deutschen Staatsbediensteten retten durch Fahrscheinkontrolle die Situation. Wohl dem, der ein gültiges Ticket hat! Die anderen müssen nach dem Schleusengang noch mal anlegen um die bummelig 10 € Kanalbenutzungsgebühr am Automaten auf dem kanalseitigen Sportbootanleger zu entrichten. Dort, in Sichtweite der Kontrolleure steht auch so ein Blechding herum dessen Anschaffungs- und Betriebskosten offenbar unter denen von Menschen liegen.  

Eine NOK Tour ist gerade auf der östlichen Seite des Kanals auch mal ganz nett, doch wird das Motor getriebene getuckere auch schnell mal langweilig. Tagesziel ist der Yachthafen des REGATTA VEREINS RENDSBURG in der OBER EIDER gelegen. 

Die Überführung des neuen Boots muss in RENDSBURG nun unterbrochen werden. Die anstehende Beerdigung des Bruders in KÖLN hat selbstverständlich oberste Priorität. Also muss der Dampfer irgendwo gut ein paar Tage liegen gelassen werden und die Besatzung mit Bus, Bahn und Auto durch Deutschland kutschieren. 

Der Bahnhof in RENDSBURG ist vom Yachthafen aus nur 500 Meter entfernt, ein ideales Sprungbrett.

Der Intermezzo Plan: 
Ankunft in RENDSBURG am Mittwoch Nachmittag, Donnerstag Bahnreise nach ELMSHORN, Freitag KÖLN hin & zurück, Wochenende in ELMSHORN, Montag Bahnreise nach RENDSBURG, Dienstag Besuch der NORDART in BÜDELSDORF (RENDSBURG) und Mittwoch Weiterfahrt mit dem Boot auf dem NOK nach BRUNSBÜTTEL. Hört sich nach Reisestress an, aber so lange wenigstens einer den Überblick behält durchaus machbar.

Wir fahren in der Tat nicht mehr so oft mit der DEUTSCHEN BAHN. Vielleicht einmal im Monat? Jedes mal ein besonderes Event. So auch diesmal:

Zunächst Gemütlich mit sehr wenig Gepäck und viel Zeit zum Bahnhof von RENDSBURG geschlendert. 
Über das Abenteuer an einem Automaten eine, nein, hier in diesem Fall ja zwei identische Fahrkarten kaufen zu müssen könnte man sicher noch mal einen eigenen Beitrag verfassen. Über den Preis auch: Für eine Fahrt von 50 Minuten für zwei Personen zahlt man heutzutage satte 42 Euro, oder, wenn man noch 10 Minuten länger in dem Blechaffen sucht auch „nur“ 38 €. Aber billiger geht es nicht. Wie passt das bloß zur absurden Preisdiskussion über das so genannte DEUTSCHLAND TICKET?

Aber die eigentliche Bahngeschichte des Tages ist die:
Direkt bei Ankunft im Bahnhof von RENDSBURG sieht man einen kleinen Monitor der aktuelle Informationen anzeigt. Da steht klar zu lesen das der Zug nach NEUMÜNSTER (und später ELMSHORN) wegen Bauarbeiten ausfällt und ein Schienenersatzverkehr per Bus eingerichtet sei.

Anzeigetafel im Bahnhof von RENDSBURG

OK?!

Merkwürdig: 
Im Internet steht der Zug würde fahren. Aber was weiß schon das Internet vom wahren Leben?
Also zurück zum Busbahnhof, 300 Meter. Eine der vielen Haltestellen ist klar als „Schienenersatzverkehr“ gekennzeichnet. Ungefähr eine Millionen kleine Hinweistafeln sollen die Fahrzeiten des Ersatzverkehrs dokumentieren. Allein, für den jetzt zu nehmenden Zug gibt es hier keinen ausgewiesenen Ersatz. Zwei ebenfalls orientierungslose Reisende können auch nicht helfen.
Die Hinweistafeln könnten auch beim Augenarzt als Sehtest durchgehen? Tatsächlich findet sich auf einer der Tafeln eine Service Telefonnummer. Na, dann mal da anrufen. Tatsächlich keine Warteschleife, wie überraschend, sondern direkt eine jugendliche Frauenstimme im Ohr. Na ja, so gibt sie zu bedenken, sie haben ja jetzt bei der NORD BAHN angerufen, der Zug um den es geht wird aber von der DB REGIO betrieben. Das sei eine andere Firma. Aber sie könne ja mal kurz in ihrem System nachsehen, was los ist. Also nein, der Zug wird fahren weil er tatsächlich auf der Schiene sei und gleich in LÜBECK ankomme.

Ja, aber, die Anzeigetafel?

Hm, da könne sie nichts zu sagen, aber, sie kann den etwas irritierten älteren Mann einfach mal an die Hotline der DB REGIO durchstellen. Auf den Hinweistafeln der DB REGIO befindet sich im übrigen keine einzige Telefonnummer. Aber wie schön, dieses direkte Durchstellen, danke! Auch dort sofort eine jugendliche, sehr freundliche Frauenstimme. Das Problem geschildert und den Klassiker aller möglichen Antworten kassiert: 

Das kann ja gar nicht sein! 

Sie könne von ihrem Arbeitsplatz den Inhalt aller (!) Anzeigetafeln im Bahnhof lesen und da stehe nichts von Schienenersatzverkehr. 

Doch doch, der Anrufer hat ja sogar ein Foto gemacht, soll er das schicken? 

Also nochmal: 
Wo genau haben Sie denn die Anzeige im Bahnhof gesehen? Na ja, direkt wenn man das Gebäude durch die Tür betritt. Beim Fahrkartenautomaten, da hängt so ein kleiner Monitor und da steht das mit dem Schienenersatzverkehr drauf.

Ach ja, der kleine Monitor im Eingangsbereich! 

Ja den hat sie nicht auf ihren Systemen. Den habe man nur provisorisch für die Dauer der Bauarbeiten aufgehängt. Es könne durchaus sein das da mal was falsches drauf stehe. Der Anrufer könne sich drauf verlassen, der Zug wird fahren! Er habe gerade LÜBECK verlassen und werde planmäßig in RENDSBURG eintreffen. 

OK, vielen Dank! 

Dann also zurück zum Bahnhofsgebäude, auf den Bahnsteig. Die dortigen Anzeigetafeln sprechen auch von planmäßiger Ankunft, die vielen wartenden Menschen zeugen ebenfalls von grenzenlosem Vertrauen in fahrende Züge.

Nun, der Zug kommt tatsächlich und für die 38 € bekommen wir immerhin zwei Klappsitzplätze im Fahrradabteil. 

Soweit also alles geklappt!

Wenn da nur nicht der neue Gedanke wäre, das Software im Allgemeinen unsere aller Leben zu ruinieren droht. Erst der offenkundige Schwachsinn des Fahrkartenautomaten, dann Anzeigetafeln die für ein und dieselbe Sache unterschiedliche Dinge anzeigen und dann auch noch das, was im Internet steht. Das Problem ist klar: Mit normaler Software kann man heutzutage vielleicht 80% aller Fälle relativ zuverlässig abdecken. Sollen auch die restlichen 20% funktionieren braucht man entweder viel, viel mehr Fach-Knowhow und Geld oder auch ein Wunder. 

Vielleicht ist es gar nicht mal so clever alles und jedes in Software abbilden zu wollen? 

Schon gar nicht in so genannter KI? 

Wären fachkundige, selbstständig denkende Menschen nicht die Lösung aller Probleme?

Hallo, etwas zu weit vom Thema entfernt? 
Zurück zum Reisebericht! 


Zack Zack:

Die Reise nach KÖLN erwartungsgemäß unabänderlich traurig. Beschissener 21 Stunden Tag, davon 16 Stunden im Auto, davon max 1 Stunde Pausen. Gibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h auf deutschen Autobahnen. Große Klasse! 

Der Besuch der Kunstausstellung NORDART überraschend gut. Die geschenkten Eintrittskarten durften unter keinen Umständen verfallen, meinte der Beschenkte. Wenige Tage später wurde die NORDART für dieses Jahr geschlossen.

NORDART 2025: Bewegte Bilder

Die Rückkehr auf STÖRTEBECKER fast schon wie nach Hause kommen. Genau so muss das wohl auch sein!



Schlag 5 RENDSBURG -> BRUNSBÜTTEL (7h):

Je weiter man nach Westen kommt um so langweiliger wird die Landschaft. Nur die großen Schiffe, immer in unmittelbarer Nähe passierend, sorgen für etwas Abwechselung. Die letzten 10 Kanalkilometer sind sehr industriell geprägt, na ja, muss man halt durch und das Ende kommt näher. Welches auch immer, so oder so.
Der kleine Schleusenhafen von BRUNSBÜTTEL ist Erlebnistechnisch sicher der Höhepunkt einer NOK Fahrt, denn nur dort kann man in aller Ruhe die Manöver der großen Schiffe aus nächster Nähe beobachten. In der Nacht hingegen findet man nur bedingt in den Tiefschlaf, denn die Geräuschkulisse der Schiffspropeller und Bugstrahlruder im Wasser überträgt sich wunderbar in die eigene Yachtkoje. In diesem Hafen gibt es zwar Landstrom, aber auch direkt neben bei ein Restaurant in dem man halbwegs vernünftig essen kann. 

Schiff unter Autobahnbrücke auf dem NORD-OSTSEE-KANAL


Schlag 6 BRUNSBÜTTEL -> GLÜCKSTADT (13sm / 5,1h):
Nun, das eigentliche Reiseziel ist die W.Y.K.. 18 Seemeilen entfernt, gut in drei Stunden zu schaffen. Absolut bestimmend für Fahrten auf der ELBE sind die Gezeiten. Zum einen macht es absolut keinen Sinn mit kleinen Booten gegen die Strömung anlaufen zu wollen. Der Strom auf der ELBE hat teilweise eine Geschwindigkeit von 3 bis 4 Knoten. Wenn das eigene Boot ohne Strömung unter Maschine nur 6 Knoten schafft, dann steht man gegen die Strömung fast auf der Stelle.

STÖRTEBECKER am Warteschlengel von GLÜCKSTADT

Aber auch der Wasserstand ist entscheidend. Entlang der Strecke von BRUNSBÜTTEL nach HAMBURG gibt es eigentlich nur den Außenhafen von GLÜCKSTADT und bereits in der Nähe von HAMBURG dem YACHTHAFEN WEDEL, der unabhängig vom aktuellen Wasserstand jederzeit mit Sportbooten angelaufen werden kann. Also muss man rechnen. Und das am Besten zweimal.
Entscheidend sind die gewollten Ankunftszeiten, von da aus rechnet man dann rückwärts die notwendige Abfahrtszeit aus. 

An dieser Stelle muss man wohl noch kurz den Yachthafen der W.Y.K. erklären:
Das große Sturmflutsperrwerk an der KRÜCKAU Mündung öffnet außer bei Sturmflut jederzeit wenn ein Schiff oder Sportboot passieren möchte. Der Yachthafen der W.Y.K. ist ein so genannter Dockhafen. Das bedeutet das der Hafen auch bei Niedrigwasser immer mit Wasser gefüllt ist und die Boote darin nie trocken fallen sondern immer schwimmen. 
Das erreicht man mit einem einfachen Tor. Wenn die Flut läuft, öffnet sich das Tor 2 Stunden vor Hochwasser und bleibt bis kurz nach Hochwasser offen. Dann, bei ablaufend Wasser schließt es sich und verhindert so, das auch das Wasser aus dem Hafen abläuft. In der Folge kann man nur innerhalb dieser gut zwei Stunden den Hafen erreichen oder verlassen. 

Die gute Nachricht: Hochwasser ist immer zwei mal am Tag. Die schlechte: Sehr oft liegt ein Hochwasser in der Nacht. Das kann man zwar auch nutzen, aber, verdammt, es ist Nacht?

Nun denn: An diesem Reisetag soll das Hochwasser um 1230 sein, also kann man frühestens um 1030 dort ankommen. Wenn man sicherheitshalber drei Stunden Fahrzeit rechnet, sollte man wohl gegen 0700 vor der Schleuse in BRUNSBÜTTEL sein, um rechtzeitig in die ELBE geschleust zu werden.

Gesagt, getan.

Ein weiteres Sportboot wartet ebenfalls in der herrlichen, aber kalten Morgendämmerung. 

Und wartet.
Und wartet.
Und wartet.

Bis dann doch mal gegen 1015 das Lichtsignal „weißes einzelnes Licht blinkend“ die Einfahrt in die alte Schleuse erlaubt. Drei Stunden Wartezeit hatten wir dann auch noch nicht, aber irgendwie ist auch hier der deutsche Wurm drin. Die Großbaustelle der fünften Schleusenkammer mag irgendwann der Großschifffahrt helfen, für uns Yachties wird es immer unkalkulierbarer, wann man geschleust wird. Wartet man auf der Kanalseite wird außer dem eigenen Geduldsfaden nichts gestresst, muss man bei schlechtem Wetter draußen auf der ELBE warten kann einem aber so was von ganz anders werden! Da kann man nur auf Mitleid (!) des Schleusenwärters hoffen. In Echt jetzt.

Also die W.Y.K. wird heute nichts mehr werden, zeitlich absolut nicht mehr machbar. Selbst GLÜCKSTADT wird knapp werden. Noch eine Stunde später und man würde wohl besser in BRUNSBÜTTEL auf die nächste Tide warten?
Logisch, OSTWIND, also Gegenwind. Erfahrene ELBSEGLER würden wohl dennoch gegen an kreuzen denn der noch laufende Flutstrom hilft natürlich ungemein. Aber Nummer Sicher ist die Maschine. Also auf Ideallinie zweimal das Fahrwasser kreuzend mit der eisernen Genua gen GLÜCKSTADT. Dort kommt STÖRTEBECKER eine Stunde nach Hochwasser an, zuletzt mit nur noch 4 Knoten Fahrt weil das Wasser ja bereits wieder abläuft. 
Aufgrund der frühen Mittagszeit ist der Warteschlengel noch frei und der Anleger ein Selbstgänger. OK, der Tag lief anders als gedacht, aber kein Problem.



Schlag 7 GLÜCKSTADT -> W.Y.K. (6sm / 1,5h):
Für den letzten Schlag der Überführung haben wir uns Mannschaft an Bord geholt. Unsere ebenfalls gerne segelnden Nachbarn möchten STÖRTEBECKER kennen lernen und vielleicht ergibt sich ja in der Zukunft sogar eine gemeinsame Bootsnutzung? 
Pünktlich um 0900 wird der Außenhafen von GLÜCKSTADT verlassen und die künstliche Insel RHINPLATE nördlich umfahren. Denn auf der Südroute kann es wohl gerne auch mal sein das da selbst für ein Boot mit nur 1,70 Meter Tiefgang zu wenig Wasser steht. Eingeborene ELBSEGLER bestreiten das zwar, aber wer will schon darüber diskutieren, wenn man im Schlick fest sitzt.
Der OSTWIND hat noch mal ordentlich zugelegt und nun kommt es auf der ELBE zu dieser unschönen WIND gegen STRÖMUNG Situation. Das Auflaufende Wasser geht gegen den Wind und das sorgt für ordentlich kabbeliges Fahrwasser. 
Des STÖRTEBECKER´s Skipper hat offenbar zum einen den Wetterbericht nicht richtig gelesen und zum anderen auch nicht richtig nachgedacht. Sonst wäre er wohl nicht auf die Schnappsidee gekommen, bei dem Wind die 6 Seemeilen mit Vollzeug besegeln zu wollen?
Nun, der Dampfer liegt auf der Kreuz so was von unbequem auf der Seite das das erste Reff im Groß und das zweite Reff in der Genua schneller eingezogen ist als man über den Sinn der Aktion diskutieren könnte und schon wird die Situation mit vier Leuten im Cockpit auch erträglich. Der steuernde Nachbar hält sich gut von Tonnen und Berufsschiffen frei, der Fluss macht wieder eine Biegung die die Kreuzschläge positiv verlängert und nach knapp zwei Stunden steht STÖRTBECKER vor dem GRÜNEN MANN.

Der GRÜNE MANN ist eine unförmige Stahlkonstruktion und markiert die Steuerbordeinfahrt (rechte Seite) in die KRÜCKAU. Unklar, wer dem Teil den Namen gegeben hat, aber cool ist der alle male.
Das Sperrwerk ist offen, denn es ist bereits Anfang OKTOBER und ab da bleibt den ganzen Winter über die Brücke und das Tor offen. 

Aber, überraschender Weise, das Tor zum Yachthafen ist noch nicht offen. Obwohl bereits eine Stunde vor Hochwasser. Was ist da los? Ein anderes Boot wartet auch schon. Nach 30 Minuten wird die Einfahrt aber frei gegeben und es stellt sich heraus, das eben nicht nur die Zeit eine Rolle spielt, sondern auch der Wasserstand. Durch den starken OSTWIND wird das Wasser trotz laufendem HOCHWASSER aus der Elbe herausgedrückt und die Sollhochwasserstände werden später erreicht. Umgekehrte Sturmflut, sozusagen.

OK, jedes Revier hat so seine Besonderheiten!

Die Nummer mit dem wenigen Wasser versaut denn auch ein wenig den Anleger in der neuen Heimat. STÖRTEBECKER bleibt öfters mal mit dem Kiel im Hafenschlick stecken und versucht so eigene Wege zu gehen. Aber irgendwann ist der Dampfer dann doch fest. In Ermangelung einer Hafenkneipe werden die letzten an Bord befindlichen kleinen metallischen Zylinder geöffnet und die wohlbehaltene Ankunft gefeiert. 

Was für eine kurze Segelsaison, könnte man meinen. 

Was für ein selbst gemachter Stress, ist wohl die Wahrheit.

Das kommt eben davon, wenn man aus einer Laune heraus ein Boot kauft.

Wie grandios famos!

Peter.

P.S.: Das mit dem Fotografieren hat noch nicht so wie gewünscht geklappt. Die Kamera muss erst mal ihren Platz an Bord finden 😉

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