Steve Rothery Band, Köln, Tag 2, Hochverrat

Um zunächst an den körperlich sehr erschöpfenden Vortag anzuknüpfen:

Die Lösung aller körperlichen Probleme besteht aus VOLTAREN und Kölsch der angesagten Marke „Schreckenskammer„. Rollator und/oder Rollstuhl kommen somit noch nicht in Frage.

Den Weg zur KANTINE kennt man am zweiten Tag ja schon, viele Gesichter der dort wartenden Menschen auch. Logisch: Wenn man einen Tag haben kann, nimmt auch auch den zweiten mit. Zumal man sich bei Musikern wie Steve Rothery darauf verlassen kann, das das zweite Konzert völlig anders sein wird.

Vorband: Riccardo Romano

Zunächst eine große, positive Überraschung. Das Vorprogramm wird von Riccardo Romano bestritten. Und der legt mit seinem Opener so druckvoll los, das einem die Kinnlade runter fällt.

Hallo, wie wäre es mal mit Klischeerfüllung?

Vorband nix gut und quälend langweilig?

In der Tat war bisher nur ein MARILLION Support wirklich super stark, nämlich SYLVAN aus Hamburg beim Konzert im E-Werk, ebenfalls zu Köln. Nun, das Riccardo Romano da heran reicht möchte man nicht so deutlich behaupten, aber recht gut war es dann schon. Wenn man Riccardo Romano so wie der Schreiberling bisher nur als den Spaß machenden Keyboarder der STEVE ROTHERY BAND kennt, ist man schon überrascht:

Exzellentes Basspiel, guter Gesagt, von (gefühlt) fünf Stücken zwei richtig gut. 

Vorband: Riccardo Romano

Begleitet von live Schlagzeug und Gitarre, die restlichen Instrumente aus dem Computer. Leider bleiben die Namen der beiden Begleitmusiker unbekannt. Bei der Verabschiedung werden sie zwar erwähnt, aber wer kann sich das schon im Eifer des Gefechtes merken? Und auch die spätere kurze Internetrecherche bleibt erfolglos. Riccardo Romano hat so viele Kooperationen und Bands am laufen, da blickt man schnell nicht mehr durch.

Steve Rothery erklärt ein technisches Problem

Nach einer kurzen Umbaupause erscheint Steve Rothery, der die gestern noch nicht gespielten Stücke von seinem THE GHOST OF PRIPYAT spielt. Als Intermezzo, quasi. Irgend ein technisches Gerät am Ende des Gitarrenkabels von Steve Rothery zickt herum und das Stück WHITEPASS wird abgebrochen. So kann der Meister nicht arbeiten. Während Dave Foster versucht, das Teil wieder in Gang zu bringen erläutert Steve Rothery das Problem, gibt zu bedenken das die Technik früher einfacher und zuverlässiger war und man in seiner Heimat dank BREXIT längst nicht mehr alles bekomme, was gut sei. Vermutlich hat man von Steve Rothery auf einer Bühne noch nie so viele zusammenhängende gesprochene Sätze gehört?

Als später ohne weitere Unterbrechung Martin Jakubski die Bühne betritt, ist klar, das es gleich mit CLUTCHING AT STRAWS los geht. Die ersten Töne von HOTEL HOBBIES, höchste Vorfreude und Verzückung!

Doch irgendwie kommt dieser unglaublich gewaltige Eröffnungstrack leicht verstolpert daher. Einmal mehr, muss man leider sagen. Der Schreiberling kennt keine Liveaufname (CD, DVD, BR), die der Studioversion entspricht. Kann es sein, das man HOTEL HOBBIES in der originalen Geschwindigkeit überhaupt nicht live spielen kann? 

Yatim Halimi schaut grimmig drein – warum eigentlich, bei der tollen Stimmung?

Wer dachte, das das Publikum am zweiten Abend weniger textsicher sei, der täuschte sich. Sicherlich, MISPLACED CHILDHOOD war damals das populärere Album als dessen heute aufgeführter direkter Nachfolger CLUTCHING AT STRAWS. Aber CLUTCHING AT STRAWS ist musikalisch eindeutig das Bessere, weil die Band sich eben immer weiter entwickelt. Und jetzt, 30 irgendwas Jahre später, steht MARILLION mit der aktuellen Platte AN HOUR BEFORE ITS DARK zu Recht ganz oben, denn es ist diese jederzeit hörbare musikalische Weiterentwicklung, die MARILLION ausmacht.

Nun denn, zurück zum Thema. Ohne jede Pause wird auch dieses Album munter herunter gespielt und als im hervorragend vorgetragene WHITE RUSSIAN die Textzeile „Racing the clouds home…“ ansteht kommt es einem fast so vor, als ob das lautstarke Publikum Martin samt Mikrofon übertönt. Herrlich, genial, phantastisch! Kollektive Begeisterung.

Kaum ist der letzte Ton verklungen, geht es sofort mit dem damaligen Partykracher INCOMMUNICADO weiter. Zuhause hätte man ja jetzt wenigstens ein paar Sekunden Pause, weil man nun die LP auf dem Plattenspieler hätte wenden müssen. Aber nicht hier und heute in Köln. Nix veschnaufen. Nix Pause. Weiter, mit Volldampf!

SUGAR MICE ist sicher auf der ewigen Bestenliste eines jeden MARILLION Fans zu finden. Wunderbar! Einige im Publikum filmen mit ihrem Handy ganze Songs und stellen sie später bei YOUTUBE ein. Geschmackssache. Die Bilder des Schreiberlings entstehen ausschließlich während der sehr wenigen schwächeren Songs. Auf Bildern kann man ja keine Musik hören, anders als bei den gemachten Videos. Doch während die Bildqualität der Videos erstaunlich gut ist, ist der Ton grauenvoll.

Steve Rothery Band

Nach CLUTCHING AT STRAWS folgen ein paar wirklich uralte Stücke, was für ein Segen, das Steve Rothery die in seinem Soloprogramm das alte MARILLION Repertoire live auf die Bühne bringt.

Um so unverständlicher, das es völlig unvorbereitet und ohne jede Vorwarnung zum Hochverrat kommt:

Als Steve Rothery das tolle Stück AFRAID OF SUNLIGHT ankündigt, fällt nicht nur dem Schreiberling die Kinnlade herunter, während er noch „Hochverrat“ murmelt. Der ebenfalls sehr textsichere Nachbar meint, das sehe er auch so, aber egal, es sei ja ein geiler Song.
Ja, ja, schon klar, aber der gehört doch zu Steve Hogarth (dem Sänger von MARILLION). Ist es wirklich OK, wenn das MARILLION Gründungsmitglied Steve Rothery in seinem Soloprogamm mit einem anderen Sänger die eigene Band covert?

Nein, ist es nicht. Es ist ohne jeden Zweifel Hochverrat!

Nun könnte man als ahnungsloser Hellseher eins und eins zusammen zählen und auf Spannungen innerhalb von MARILLION spekulieren. Denn neben dieser Provokation fällt an beiden Abenden auf, wie gelöst, wie locker , wie freudig Steve Rothery das Programm bestreitet. Ja, er lacht sogar des öfteren. Nie (na ja, nur sehr selten) in jüngerer Vergangenheit bei MARILLION gesehen. Am 18. November 2023 spielt MARILLION in LEIPZIG. Da wird der Schreiberling ein Auge darauf haben, aber was für eines!

Das wirklich Blöde an so einer Situation ist ja, das hier exzellente Musiker auf der Bühne stehen und Martin Jakubski auch AFRAID OF SUNLIGHT ganz hervorragend zu Gehör bringt. Leider. Was soll das bloß?

[UPDATE, ein paar Tage später]
Manchmal schon beeindruckend, was man für einen Nonsens in völliger Ahnungslosigkeit schreibt. Eine kurze YOUTUBE Recherche hätte leicht ergeben, das Steve Rothery AFRAID OF SUNLIGHT immer mal wieder in seinem Soloprogramm gespielt hat. Seit 2014. Wenn er das als Provokation gemeint hätte oder wenn seine MARILLION Kollegen das als Affront verstanden hätten, dann hätte es wohl schon längst Ärger gegeben. Hat es aber nicht und die Welt ist in Ordnung. Wäre natürlich mal schön zu wissen, warum er nur dieses eine Stück aus der „nicht FISH Zeit“ spielt?

So richtig Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, denn die STEVE ROTHERY BAND spielt ohne Punkt und Komma einfach weiter. Wie sich kurz vor Ende heraus stellt, mit der Uhr im Nacken. Denn um 2300 muss die Band von der Bühne sein.

Die Megazugabe vom Vorabend konnte natürlich nicht mehr getoppt werden und ob das komplizierte FUGAZI ein optimaler Rausschmeißer ist, sei dahin gestellt.

Einmal mehr wirklich körperlich total erschöpft, absolut beseelt, jedwede Erwartung bei weitem übertroffen.

Glücklich, diese Konzertchance beim Schopf ergriffen zu haben!

Mitnehmen was geht.

Solange es geht.

Peter.

P.S: Scheiß auf Hochverrat, solange MARILLION nach fünf weiteren Platten in dieser Besetzung zusammen in Rente geht.

P.S.2: Durch Zufall diese sehr aufwendig gemachte MARILLION Fanpage über GOOGLE gefunden. Unglaublich, wie viel Arbeit Fraser Marshall da rein steckt. Solche Internetseiten machen deutlich, wie bescheuert Suchmaschinen wie GOOGLE heutzutage sind. Sucht man MARILLION, kommen eine Millionen Schrottseiten die irgendwelche Tickets verkaufen wollen. Die wahrhaft guten Seiten bleiben unsichtbar im verborgenen. Auch das Weltweite Netz hat ein großes Müllproblem.



Ein Kommentar

  1. Jetzt, ein Jahr später im Hotelzimmer liegend, nach dem Konzert der SRB im Carlswerk in Köln, könnte man meinen, du hast den heutigen Abend beschrieben!
    Martin war sensationell. Der Steckt Fish und Steven Hogart in die Tasche. Was für ein geiler Abend. Und die Foster Vorband gibt es immer noch. What a waste of time. Ein komplettes Marillion Album hätte man untergebracht Was solls. Ein Rollator ist und bleibt ein Thema. Man wird zu alt für den Sch… aber nicht für die Musik! Beseelt sehe ich mir meine Videos im Handy an. Geil. Wie auf der CD. Einfach ein geiler Abend. Danke Steve!
    Detlev

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