Jetzt kommt ein spektakulärer Berg und eine nicht minder beachtenswerte Polizeigeschichte.
SBEITLA wird relativ früh am Morgen verlassen da auf dem Weg nach EL KEF ein berühmter Tafelberg bestiegen werden kann. Schreibt jedenfalls der Reiseführer.
Kurz hinter SBEITLA schunkelt KNAUSi also auf der westlichen P15 in der Morgensonne gen Norden, kommt ein ganz normaler PickUp hinterher, blinkt mit Lichthupe, setzt sich vor KNAUSi und bringt das Gespann zum stoppen. Was soll denn das jetzt?
Zwei Männer in ganz normalen Klamotten steigen aus und erklären, sie seien Polizisten in Zivil und wollten die Ausweise haben. Ja ja, das kann ja sein, aber können Sie sich bitte ausweisen? Etwas verdutzt meinen sie, nein, nein, wir sollten uns ausweisen und sie seien die Polizei.
Nö, da kann ja jeder kommen.
Es geht hin & Her, der eine geht zurück zum PickUp und zeigt ein mobiles Blaulicht (das in TUNESIEN im übrigen nervig rot blinkt). Sieht aus wie aus einem China-Shit-Shop, kann ja jeder haben. OK, wie wäre es dann mit der Waffe die der fragende unter seinem Pullover an der Hose trägt.
Ah, OK, Waffe, das kann schon Polizei sein?
Also gut, hier die Pässe, im Gegenzug die üblichen Fragen, woher, wohin, wie viele Personen im Auto. Alles klar, bitte weiter fahren!
OK, die ganze Aktion hat bestimmt 15 Minuten gedauert, die anderen Autos sind auf der östlichen P3 nach Norden gefahren und hatten keinerlei Polizeikontakt. Den ganzen Tag nicht. Des KNAUSi´s Besatzung hingegen wird den ganzen Tag mit bewaffneten uniformierten verbringen, weiß es zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht.
Fährt man auf den in der Karte rot gezeichneten Nationalstraßen in TUNESIEN übers Land, ist man gewöhnt an die vielen Kreisverkehre vor und nach größeren Ortschaften. Man ist auch gewöhnt daran das dort mobile Absperrungen stehen um den Verkehr zu verlangsamen und zu vereinzeln damit die dort ebenfalls stehenden Polizisten die vorbei kommenden Autos in Augenschein nehmen können. In knapp 5 Wochen TUNESIEN hat noch nie ein Polizist in einem Kreisel KNAUSi gestoppt.
Doch an diesem Tag, auf dem Weg von SBEITLA nach EL KEF mit Detour zum TABLE DE JUGURTH wird KNAUSi am südlichen Kreisel von KASSERINE uniformiert gestoppt und zum Parken auf dem Seitenstreifen verpflichtet. Ein wirklich sehr gut aussehender Polizist mit tiefblauen Augen verlangt die Pässe, bittet um zwei Minuten, zieht sich zurück und telefoniert mit dem Handy.
Genau genommen ist das gar kein Polizist sondern ein Beamter der NATIONALGARDE, klar an der Uniform erkennbar.
Andere Autos kommen und gehen, manche werden kontrolliert, manchen durchgewunken, mit den Fahrern mancher wird ein Schnack gehalten. Es vergehen 10, 15, 20 Minuten. Des KNAUSi´s aktueller Fahrer wird ungeduldig. Was soll das hier?
Des KNAUS´s aktuelle Beifahrerin hat natürlich eine Erklärung: Weil des KNAUSi´s aktueller Fahrer bei der Passkontrolle der Zivilstreife 30 Minuten zuvor so ungehörig war und nach einem Ausweis gefragt hat werden wir hier ein wenig schikaniert, nur mal eben so um Touristen zu erziehen. Das allerdings kann der so beschuldigte nicht glauben. Nicht in diesem hervorragenden Land!
OK, mit Ablauf von 30 Minuten will er aussteigen und Fragen was hier los ist. Und natürlich die einbehaltenen Pässe wieder haben!
Nach ca. 32 Minuten, noch nicht ausgestiegen, fährt ein recht vergammelter Polizeijeep mit drei Männern mittleren Alters vor, gekleidet in olivgrüne Uniformen die schon mal bessere Tage gesehen haben. Einer von denen und der Nationalgardist mit den tiefblauen Augen und den Pässen kommt nun zu KNAUSi und fragt wo es denn überhaupt hin gehen sollte? Zum Glück erklärt des KNAUSi´s aktueller Fahrer den ganzen Tagesplan, also auch die Nummer mit dem Bergausflug.
Denn von nun an ist des KNAUSi´s Besatzung absolut fremdbestimmt, Polizeibestimmt.
Wir mögen nun diesen Beamten folgen, die würden uns zum TABLE DE JUGURTH bringen. Kaum zu glauben. Der ist noch knapp 100 km entfernt? Gefragt oder diskutiert wird nicht mehr, es wird einfach los gefahren. Gar nicht so einfach dem Polizeifahrzeug zu folgen, so schnell wie der los brettert. Doch nach 20, 30 Minuten wird er langsamer, langsamer und noch langsamer. Was soll denn das jetzt?
Dann fährt das klapprige Teil rechts ran, bedeutet uns zu überholen. Oh, sind wir etwa frei und können machen was wir wollen? Leider nein, der Jeepfahrer zeigt auf einen entgegen kommendes Polizeifahrzeug, denen wäre jetzt zu folgen. Das neue (Ent)Führungsfahrzeug ist ein normaler Streifenwagen, besetzt mit zwei Beamten, klappernder Kofferraumklappe und kaputten Bremslichtern. Auch hier erfolgt die Weiterfahrt mit recht hoher Geschwindigkeit.
Es folgen noch vier weitere Staffettenwechsel, mal nahtlos, mal mit kurzer Wartezeit. Am Kreisel von KALAAT KHASBA entscheidet sich ob KNAUSi nun unfreiwillig auf direktem Wege nach EL KEF eskortiert wird oder ob die geplante Bergtour doch noch statt finden kann. Wie soll die bloß abgehen?
Hier stehen am Kreisel keine Polizisten oder Nationalgardisten mehr, sondern Soldaten im Kampfanzug. Maschinenpistolen.
Was soll das alles bloß?
Ein junger Soldat kommt ans Fenster und erst jetzt werden wir noch mal nach unseren Reiseplänen gefragt. In recht gutem Englisch meint er dann, OK, dann bringen wir euch jetzt mal zum TABLE DE JUGURTH, springt mit seiner Waffe und einem weiteren Soldaten in einen ordentlich offroad tauglichen weißen Jeep und fährt voraus. Zügig, zügig, aber das kennen wir ja schon.
So ein Mist.
Erstens: Was soll das bloß?
Zweites: Keine Chance von irgendwas hier Bilder zu machen! Nun, Notbilder entstehen dann doch bei Brausefahrt aus dem Fenster heraus, der TABLE DE JUGURTH ist bald erreicht und schon von unten ein echter Hingucker.
Im Dorf AIN SENAN wird vor dem örtlichen Polizeigebäude geparkt und gewartet. Nach 10 Minuten kommen drei Männer in Zivil und erklären, sie würden uns jetzt zum Berg bringen.
Äh, ja, äh, wie schön, wir würden da auch gerne herum wandern? Ja, ja, kein Problem!
Kaum aus dem Ort heraus wird sich auf einer nagelneuen, perfekt zweispurig ausgebauten, manchmal steilen Bergstraße dem ungewöhnlichen Berg genähert. Normalerweise würde des KNAUSi´s aktueller Fahrer nun 100 mal anhalten um Bilder zu machen, doch das ist jetzt eben nicht drin. Überraschend werden wir zu einem Touristenparkplatz, bestimmt schon auf 800 oder 900 Höhenmetern geleitet. Von hier aus kann man in den Berg ganz erklimmen, zu Fuß allerdings.
Ja, wie jetzt?
Kommt die Eskorte etwa mit? Nein, wir warten hier, habt Spaß!
Wie unangenehm! Jetzt warten drei erwachsene Männer darauf das zwei völlig unwichtige deutsche Touristen den TABLE DE JUGURTH für sich zu Fuß erforschen.
Der Berg, ein Brüller!
Kaum ist man kurz über die merkwürdigsten Steinstufen der Vergangenheit aufgestiegen (zum Glück mit einem neuzeitlichen Geländer versehen) steht man auf einer riesigen schräg abfallenden flachen Fläche auf über 1.200 Höhenmetern. Was sich der Erderbauer, so denn vorhanden, wohl dabei gedacht haben mag?
Wie immer in solchen Gegenden findet man Spuren längst vergangener Bewohner. Offenbar hier oben in Höhlen gelebt aber auch Steinhäuser und eine Kirche, na klar, gebaut. In der Kirche findet uns dann auch der örtliche selbsternannte Tourguide. Alter Mann mit weniger Zähnen im Mund als Finger an den Händen. Freut sich über 10 TDN und ist dann auch schnell wieder verschwunden. Die Kirche selbst ein schmutziges Drecksloch, hier scheinen tatsächlich auch Menschen zu leben?
Natürlich zieht es den Schreiberling in die Nähe des Rundum-Abgrundes, wie immer. Doch was anfangs wie eine flache Fläche aussah entpuppt sich schnell als schwierig zu begehender Fels Kuddel-Muddel. Vor allem muss man andauernd aufpassen das man nicht in eines der zahlreichen Löcher stapft. Hans-Guck-in-die-Luft ist nicht angesagt. Die aktuelle Beifahrerin treibt ein wenig zur Eile an, der aktuelle Fahrer versteht zwar ihre Motivation will aber nicht ohne hinreichende Bergbegehung schon wieder absteigen.
Und so, ohne viele Worte, verliert sich ungewollt die kleine Reisegruppe in der Weite. So eine Trennung ist selten dämlich denn es ist kein Treffpunkt vereinbart und wenn einer nun mit dem Fuß umknickt oder ein anderes Problem bekommt kann niemand helfen.
Na ja, unten warten ja drei Männer die wohl beim Suchen helfen würden?
Kaum ist der Schreiberling Ausflugstechnisch befriedigt nimmt er schnurstracks Kurs auf die merkwürdigen Steintreppen und hofft innig, seine lebenslange Begleitung am oberen Ende wieder zu finden. In der Landschaft scheint sie jedenfalls nicht herum zu streichen obwohl eben jene viel zu groß ist um sie vollständig zu überblicken. Siehe da, auf einem Mäuerchen bequem gemacht und in die Ferne blickend feiert sie kein freudiges Wiedersehen sondern treibt schlicht zur Eile, die Männer warten doch!
Ja, ja.
In der Tat wirkt der Jeepfahrer etwas ungehalten. Erst als der Schreiberling sich vielmals entschuldigt und die Landschaft in den höchsten Tönen glaubhaft lobt lächelt er wieder. Nun aber los!
So schnell wie die drei nun den Berg hinunter brettern könnte man meinen zu Hause steht schon das Abendessen auf dem Tisch? Kochen könnte man wohl auch auf KNAUSi´s Bremsscheiben, sind diese doch riechbar heiß. Nix gut. Nix änderbar.
Zurück im Dorf wartet schon ein weiteres Polizeiauto mit wieder zwei Mann Besatzung und es geht weiter, nun also direkt in Richtung EL KEF. Die nächste Staffette besteht aus einem Polizeimotorrad, der Fahrer mit Helm, der Sozius ohne eine solche Kopfsicherung was sicherlich nicht OK ist.
Erst südlichen Kreisverkehr von EL KEF kommt das Gespann wieder zum Stehen, denn hier muss wieder gewartet werden. Nach ca. 15 Minuten erscheint ein einzelner Zivilist in einem sehr gut aussehenden Jeep und versichert sich noch mal, das man tatsächlich EL KEF besuchen möchte.
Nach, wen wunderst, sehr zügiger aber kurzer Stadtfahrt wird der zentrale Parkplatz vor dem Rathaus erreicht, hier sollen wir parken und die Nacht verbringen. Die anderen beiden Autos sind schon längst da, „mussten“ allerdings eigenständig ihren Weg hierher finden.
Der kurze Rundgang durch die reine Transitstation EL KEF ist besser als gedacht, die Altstadt hat tatsächlich ein paar schöne alte Häuser. Das bisher gute Wetter macht sich mit Riesenschritten aus dem Staub, dabei muss doch dringend noch gekocht werden? Draußen natürlich, auf dem Rathausplatz von EL KEF. Gerade so mit den ersten Regentropfen wird der Außeneinsatz beendet und gemütlich beim nun richtigen Regen im Auto zu Abend gegessen.
Die Stimmung des Schreiberlings hellt sich allerdings an diesem Abend nicht mehr auf.
Was sollte das denn bloß?
Es gibt nur eine Erklärung:
Vor Jahren gab es in dieser Gegend mal Zwischenfälle mit überfallen Touristen. Offiziell verstecken sich „Terroristen“ in diesem bergigen Grenzgebiet zu ALGERIEN. Ob das nun wirklich Terroristen sind oder nur schwer bewaffnete Gangster ist wohl unerheblich. Wie auch immer: Irgendjemand der Verantwortung trägt hält diese Gegend für Ausländer offenbar für unsicher. Doch statt die Gegend einfach zu großräumig sperren schleust man mühsam jedes einzelne Touristenauto (wie wir später von Motorradfahrern hören auch jene) mit Polizeieskorten hunderte von Kilometern weit durchs Land.
Was für ein immenser Aufwand!
Was für eine Zeit, Material und Geldverschwendung!
Klar, das sagt man als Tourist jetzt, wo nix passiert ist. Irgendwie drängt sich eine Parallele zur neulich in DUISBURG geschlossenen Schule auf. Dort gab es eine Bedrohungslage und der Verantwortliche entschied die Schule zu schließen statt der Bedrohung mit sehr viel Aufwand zu widerstehen.
Das Gegenteil von dem heute erlebten.
Peter.