Raddrehzahlsensor, Abzocke

Was eigentlich als kleine Bastelei begann endete aus purer Neugier in einem echten Ärgernis.

Wenn man erst vier Jahre später feststellt, das man damals in einer Autowerkstatt so richtig abgezockt wurde, dann kann, dann darf einem ja durchaus mal kurz der Kragen platzen, oder?

Die Werkstatt hatte damals einen Raddrehzahlsensor an einem Hinterrad von unserer R-Klasse ersetzt und für das Ersatzteil 160 € berechnet, zuzüglich 70 € für den Arbeitslohn.

Nun, dieses Ersatzteil kann man auch für 13 € kaufen.

Mehr als das zehnfache zu berechnen muss man wohl als Wucher, Abzocke und/oder Verarsche betrachten. Nur gut das wir diese (freie) Autowerkstatt sowieso nicht mehr nutzten weil sie bei den letzten Jobs immer unzuverlässiger wurde.

Und sicher, das 13 € Teil hat keine original Mercedes Teilenummer, während das 160 € Teil ganz offensichtlich von Mercedes stammt. Aber ob in einem über 15 Jahre alten Auto wirklich super teure Originalersatzteile sinnvoll verbaut werden sollten muss man ja wohl ernsthaft bezweifeln?

Nun, fangen wir also sinnvoller Weise von vorne an:

Der Mercedes steht eigentlich nur noch die meiste Zeit nutzlos in der Garage herum und wird einmal die Woche zum Einkaufen oder für gelegentliche Fernfahrten, die nicht mit dem Wohnmobil erledigt werden, genutzt.

Radnabe hinten mit eingebauten Raddrehzahlsensor

Auf einer Fahrt nach Mannheim leuchtete mit einem Male auf der Autobahn bei Tempo 140 die ABS und ESP Warnleuchte auf und im Cockpit Display wurde man darüber informiert, dass die Reifendruckkontrolle und der Tempomat ebenfalls abgeschaltet worden sei. Wie blöd!

Radnabe hinten mit ausgebauten Raddrehzahlsensor, links Loch für Sensor, rechts Gewindebohung für Sicherungsschraube

Doch der Fehler verschwand immer von alleine wenn das Auto neu gestartet wurde und man anschließend nur im Stadtverkehr unterwegs war. Fuhr man hingegen „schnell“ auf der Autobahn kam zuverlässig der Fehler zurück.

OK, inspiriert durch die sommerliche Schrauberei an KNAUSi kann man sich dieses Problem ja erst mal selbst genauer ansehen. Selbstverständlich kann ein solcher Fehler an allem möglichen liegen, doch sind die zum Einsatz kommenden Raddrehzahlsensoren sicher eine erste Anlaufstelle.

Ausgebaute alte Raddrehzahlsensoren, hinten

In jedem Rad gibt es so einen Raddrehzahlsensor. Der misst einfach nur die tatsächliche Drehzahl des Rades und meldet die an den Bordcomputer. Macht man eine Vollbremsung und die Räder blockieren (gemessene Raddrehzahl gleich Null) dann weiß das ABS das es die Bremse an dem entsprechenden Rad wieder lösen muss, damit das Rad wieder dreht. Denn blockierende (rutschende) Räder bremsen ein Fahrzeug bekanntlich nicht ab.
Oder melden die vier Raddrehzahlsensoren unterschiedliche Werte, kommt das ESP auf den Gedanken das das Auto in einer Kurve ins schleudern geraten könnte und beschleunigt (?) oder bremst das entsprechende Rad etwas ab um das Fahrzeug auf der Fahrbahn wieder zu stabilisieren.

Wie so ein Raddrehzahlsensor bei Mercedes genau funktioniert weiß der Schreiberling selbstverständlich nicht! Aber hier bei NTN-SNR kann man mal nachlesen wie die funktionieren, wenn man denn will.

Stecker und Buchse im Radkasten, Sicherungsdraht entfernt

Am Ende ist so ein Raddrehzahlsensor ein Stück Kabel mit einem Stecker auf der einen und einem Sensorkopf auf der anderen Seite. Will man nun so einen Raddrehzahlsensor an seinem Auto selbst austauschen sind folgende Arbeitsschritte notwendig:

1) Radmuttern anlösen
2) Fahrzeug aufbocken
3) Radmuttern vollständig lösen und Rad abbauen
4) Stecker des Raddrehzalsensors lösen
5) Schraube vom Sensorkopf lösen
6) Sensorkopf irgendwie aus der Radnabe prökeln
7) Kabel aus den Halterungen lösen und alten Raddrehzahlsensor vollständig entnehmen
8) Neuen Raddrehzahlsensor einbauen (Stecker einstecken und sichern, Sensorkopf einstecken, mit Schraube sichern, Kabel in den Halterungen fixieren)
9) Rad anbauen
10) Fahrzeug wieder absenken
11) Radmuttern mit Drehmomentschlüssel fest anziehen

Hat man wie üblich von nichts eine Ahnung können die Schritte (4) und (6) zur Herausforderung werden. Bei der R-Klasse sind die Stecker (4) gut im Radkasten zugänglich, aber sie sind kaum sichtbar mit einem Sicherungsdraht versehen, damit sie durch Vibration nicht heraus fallen können. Diese Drahtsicherung muss man erst mal mit einem flachen Schraubendreher aus der Buchse heraus ziehen, dann kann man den Stecker ganz leicht abstecken.

Sicherungsdraht für Stecker des Raddrehzahlsensors

Noch etwas schwieriger ist es den Sensorkopf (6) aus der Radnabe heraus zu bekommen. Die Sicherungsschraube ist einfach, aber das ca. 2,5 cm lange Kunststoffteil steckt in der Regel superfest in der Radnabe aus Metall. Auch hier helfen flache Schraubendreher in verschiedenen Größen beim aushebelnden Ausbau. Doch zerstörungsfrei wird das nicht abgehen. Ein Sensorkopf am Vorderrad war völlig mürbe und ist quasi direkt nach lösen der Sicherungsschraube abgebrochen und steckte unerreichbar in der Radnabe. Zum Glück sind die Radkästen der R-Klasse riesig und man kommt sehr gut mit einem Akkubohrer an das Sensorloch. Mit kleinem Bohrer in den Kunststoff des Sensorkopfes vorbohren, dann mit einem größeren hinterher und dabei immer wieder versuchen, nicht durchzubohren sondern den Rest vom Sensorkopf vollständig heraus zu ziehen damit keine Rückstände in dem Sensorloch verbleiben.

Hat man für das erste Rad vielleicht eine knappe Stunde gebraucht, gehen die weiteren Räder wohl etwas schneller weil man mehr Übung bekommt

Würde man jetzt so ein tolles Diagnosegerät sein eigen nennen, hätte man vermutlich herausgefunden welcher Raddrehzahlsensor kaputt war. Aber so ein Teil kostet auch wieder ein paar hundert Kracher und ob die Diagnose dann wirklich treffsicher gewesen wäre, bleibt auch offen (?).

Reste des ausgebohrten Raddrehzahlsensors vorne

Während die hinteren Raddrehzahlsensoren für 13 € das Stück zu haben sind, kosten die vorderen 33 € das Stück: Dreimal so langes Kabel bei ansonsten identischen Aufbau. Jetzt sind alle vier Raddrehzahlsensoren für insgesammt unter 100 € also technisch auf einem Altersstand und der Fehler ist seit gut 2.000 Kilometern nicht mehr aufgetreten.

Auf die blöde Idee im Autoordner im heimischen Aktenschrank nach alten Rechnungen zu suchen ist der Schreiberling nur gekommen, weil ein Raddrehzahlsensor an einem Hinterrad so verdammt neu (im Vergleich zu den anderen) aussah. Der wurde tatsächlich 2021 für bannig viel Geld (siehe oben) getauscht.

Es ist eine Unsitte, das Autowerkstätten für Ersatzteile horrende Preise ohne Rücksprache aufrufen. Schon immer war das ja beim Motorölwechsel im Rahmen einer Inspektion so. Drei- oder vierfacher Ölpreis. Einige Werkstätten erlauben es, das man sein selbst gekauftes Motoröl mitbringt.

Bei dem Auto von einem unserer Kinder lief mit einem Male der Motor sehr schlecht und im Cockpit Display stand „Einspritzdüse defekt“. Ab in die Werkstatt. Die haben erst mal 90 € für die „Fehlersuche“ aufgerufen und dann satte 350 € für eine neue Originaleinspritzdüse berechnet. Plus 80 € für den Aus/Einbau. Bei einem Auto, das 150.000 Kilometer gelaufen hat. Eine aufgearbeitete Einspritzdüse mit Garantie ist für 60 € zu haben, eine passende neue von Bosch für 200 € und das Originalteil für 280 €. Wie zur Hölle kommt die (freie) Werkstatt auf 350 €?

Schon klar. Ist man berufstätig und hat keine Zeit sich um so was zu kümmern dann muss man wohl in den sauren Apfel beißen. Oder auf jeden Fall mal mit der Werkstatt reden, das Vorschläge für „alternative“ Ersatzteile sehr willkommen wären. Im übrigen ist es (noch?) nicht so, das der Schreiberling sich so ohne weiteres an eine solche Einspritzanlage heran trauen würde.

Es wäre transparenter und gerechter, wenn die Autowerkstätten an ehrlicher Arbeitszeit verdienen würden und nicht an völlig überteuerten Ersatzteilen.

Peter.


Ein Kommentar

  1. Eine nette und informative Website hier!

    Beim Material nehmen Kfz-Werkstätten 20-40% Aufschlag, die 350€/280€ sind also „normal“. Ist bei Handwerkern, wie Installateuren, Elektrikern, genauso und dient im Endeffekt dazu die hohen Lohnnebenkosten zu verschleiern. Außerdem werden Miete, Werkzeugkosten, Bürokraft, etc. auch auf die Arbeitsstunden der produktiv Tätigen umgelegt. Dazu noch die Lagerkosten und die Arbeitszeit für das Bestellen.

    Viele Werkstätten nehmen sich nicht die Zeit, eine aufgearbeitete oder baugleiche Einspritzdüse zu suchen, bzw. der Kunde will es nicht bezahlen.

    Die Raddrehzahlsensoren für 13 € sind vermutlich Kopien aus Fernost. Kann man Glück haben oder auch nicht. Ich bin bei Ultraschallsensoren für Parkpiepser schonmal reingefallen. Haben funktioniert, aber hatten eine gute Sekunde Verzögerung, und weniger Reichweite. Einparken konnte man damit nicht sinnvoll.

    Bei Luftmengenmessern (LMM) gibt es viele Fälschungen, die einfach eine Diode eingebaut haben und gar nichts messen. Der Spritverbrauch geht dadurch etwas hoch und die Leistung runter, aber die meisten merken das erstmal nicht, bis es besonders heiß oder kalt wird und der Motor unrund läuft oder schlecht anspringt.

    Und ich vermute, dass sind nur die Bauteile wo man es merkt. Wenn ein Klopfsensor nicht funktioniert, fällt das fast niemand auf.

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