HRH PROG XIV (2024) Abreise

Da die Abreise vom HRH Prog Festival in GREAT YARMOUTH ungefähr in der Hälfte der Zeit der Anreise erfolgte könnte dieser Beitrag ein sehr kurzer werden.

Könnte.

Schauen wir mal.

Die Fähre in HARWICH (UK) nach HOEK VAN HOLLAND (NL) geht erst gegen 2300, Zeit genug um 200 Straßenkilometer an einem Sonntag im Südwesten von England zurück zu legen. Gegen 1000 ist KNAUSi samt Fahrer Reisefertig. Noch ist das Wetter trocken, doch schon nach wenigen Kilometern horizontaler feiner Nieselregen.

Der Schreiberling wusste es ja schon immer:
Dieser miese Norddeutsche Nieselschmuddel ist keine deutsche Erfindung! Der kommt ganz bestimmt von der britischen Insel!

Great Yarmouth Caravan Park

Nun, ein Spaziergang am Meer bei DUNWICH sollte gleich mehrere Aufgaben erfüllen: Beine vertreten, Kopf freiblasen (lassen), Appetit auf Frühstück machen und sicher auch ein paar Stunden überflüssiger Zeit vernichten. Ob des Wetters mit einer menschenleeren Gegend gerechnet.
Von wegen!
Das, was der Schreiberling als mieses Wetter bezeichnet finden die Briten offenbar als spitzenmäßig und so Stapfen mit ihm, dem Schreiberling, viele andere im Starkwind und Nieselregen am Kieselstrand von DUNWICH umher.
Einige mehr, offenbar um ihren Hunden ein ordentliches Sonntagsprogramm zu bieten. Eine kühne, vielleicht eher leichtsinnige Dame steht in der Brandung und scheint tatsächlich zu überlegen, in die strömenden Fluten einzutauchen. Ihr ordentlicher Badeanzug entblößt ein paar wilde Tattoos vermutlich vergangener Jahre, diese reife Frau wird schon wissen, was sie da macht (?).
Der Wind unterstützt des Schreiberlings angestrengtes durch den Kies stapfen unbemerkt kräftig, auf dem Rückweg strengen Kies und Wind dann doch überraschend an.

Na, wenn da mal das nun anstehende Frühstück nicht besonders gut schmeckt?

Nach der Essensaufnahme kein Platz, besser kein Wetter in DUNWICH noch länger zu verweilen. Dann lieber in aller Ruhe zurück nach HARWICH kurven und sehen, was da so anliegt.

Kieselstrand bei DUNWUCH (UK) im Oktober

Gegen 1400 wird die fast menschenleere Wartezone der STENA LINE erreicht. Fast menschenleer. Fast, denn ein einzelner Motorradfahrer ist auch gerade angekommen. Rote Honda, der Namenszug „Red Baron“ ziert neide Seiten, drei schwarze Koffer am Heck für Gepäck montiert, auf dem mittleren Koffer sitzt ein rosa färbender Plüschoktopus. Klitschnass, natürlich. Dänisches Nummernschild.

Und wie das so ist, wenn zwei allein reisende Kerle verlassen von der Welt vor einem geschlossenen Fährterminal stehen. Woher, Wohin, Warum, Weshalb und vor allem Wieso?

Wieso zur Hölle fährt man in diesem übelsten Herbstwetter mit dem Motorrad? Von ESBJERG (DK) nach irgendwo in England und wieder zurück?

Ganz einfach: Familie!

Familie ist alles. Familie ist das Größte.

Der Motorradfahrer ist zur Hälfte Engländer, zur Hälfte Däne. Die Mutter lebt in England in einem Altenheim, musste sowieso mal wieder besucht werden und auch Papierkram wollte erledigt werden. Eigentlich rechnet er damit Montagabend wieder in ESBJERG sein zu können, aber die Wetteraussichten für Montag lassen seinen ursprünglichen Optimismus schwinden.

Mein Gott, mit dem MOTORRAD bei Kälte und Regen über viele, viele hundert Kilometer Autobahn. Elbtunnel inklusive.

Nun denn, zunächst geht jeder seiner Wege.

Der eine zu Fuß zurück zur Tankstelle um einen Kaffee zu organisieren, der andere in den kuscheligen Bus. Gerne hätte er den Motorradfahrer in seinen Bus eingeladen, aber so klitschnass, wie er  nun mal ausschaut hätte er danach ein Problem.
Als später der Wartesaal und damit die Toiletten geöffnet werden trifft der Schreiberling wieder auf den Motorradfahrer und setzt sich zu ihm. Wenn er denn aus ESBJERG komme dann arbeite er doch sicher in der Fischerei oder in der Ölindustrie?

KNAUSi am Strand von DUNWICH

Nun, auch allein reisende Motorradfahrer wollen sich mitteilen und so spannt der Mann, der wie sich später heraus stellt ebenfalls Peter heißt, den großen Bogen seines bisherigen beruflichen Werdegangs.
Sitzen da doch im Warteraum der STENA LINE zu HARWICH glatt zwei ehemalige Seeleute beieinander und erzählen sich ohne Punkt und Komma „Stories of the Sea“. Allerdings, das muss betont werden, der andere Peter ist ein echter Seemann, fast sein ganzes Leben lang. Klassische Ausbildung an Deck, Steuermannsschule, Patent, Nautischer Schiffsoffizier und schließlich sogar Kapitän. Auf großen und kleinen Schiffen. Auf Spezialschiffen. Irgendwann, im fortgeschrittenen Alter gingen ihm zwei Sachen gewaltig auf den Keks: Die Computerisierung der Schiffe und vor allem die Bevormundung der Reedereien.

Da hätten Leute im schön trockenen, beheizten und sicheren Büro gesessen, die ihn über Satelliten angerufen und haben wissen wollten, warum er denn da und dort längs fahre, die Route so und so wäre doch viel optimaler?

Na ja, so meinte der andere Peter: Wetter?

Mag sich für Landleute nach einer erfundenen Geschichte anhören, doch genau so eine hat der nicht so befahrene Peter ja auch selbst erlebt. Zwar als für nichts verantwortlicher Matrose, doch er war auf der Brücke der MS ASKANIA und steuerte den Dampfer per Hand im Sturm auf Anweisung des alles zu verantwortendem Kapitän als dieser einen ähnlichen Anruf unserer Reederei erhielt.

Irgendwann reichte es dem anderen Peter. Gewiss den Job für immer zu kündigen geht er noch mal ins Reedereibüro und will die Schreibtischbesserwisser zur Rede stellen, doch jede Kritik prallt an ihnen ab, sie machten ja nur den ihnen aufgetragen Job. Na klar.

Das dänische Arbeitsamt fand seine Entscheidung erst mal gar nicht lustig und bot ihm lediglich eine drei monatige Anstellung als Hausmeister in einer Schule an. Er hat damit kein Problem, nur die paar Jahre bis zur Rente.
Doof nur das die Schule immer nur mit so Dreimonatsverträgen arbeitet um niemanden fest anstellen zu müssen, schlecht für die Rente.

Überall das Gleiche. Überall die gleichen Tricksereien und Mogeleien. Unsere Welt ist auf Ausbeutung gebaut.

Mit Glück und Zufall hat er jetzt seit ein paar Jahren eine gute, dauerhafte Anstellung als Hausmeister in einem Museum in ESBJERG und ist, das ist wohl das wichtigste, glücklich damit. Noch zwei Jahre Arbeit, dann wird alles verkauft, eine kleine Wohnung als Homebase gemietet und ein Wohnmobil gekauft.

Dann soll es mit der langjährigen Freundin auf Reisen gehen.

STENA Terminal in HARWICH

„Sounds like a plan!“

Nicht darüber nachdenken.

Nicht vertiefen.

Nicht nachfragen.

Das ein gestandener Mann, ein erfahrener Kapitän zur See, ein echter, zweifelsloser Master Next God, am Ende seines Arbeitslebens seine Brötchen als Hausmeister verdienen muss?

In der Zwischenzeit ist es richtig dunkel geworden und der Warteplatz vor dem Terminalgebäude hat sich mit Autos, Wohnmobilen und einem Reisebus gefüllt. Pünktlich um 2000 beginnt der CheckIn und alle wartenden Reisenden ziehen eine Station weiter. Das Verladen geht auch hier (wie auch schon in HOEK VAN HOLLAND) erstaunlich schnell und effizient von der Hand.

Der Schreiberling landet irgendwann gewollt in der Schlange des Selfservice Restaurants an Bord der STENA HOLLANDICA.

Steht da so doof herum und beobachtet das Treiben vor ihm. Schon erstaunlich wie viele Leute erst unmittelbar am Bestelltresen überlegen, was sie eigentlich bestellen möchten. Sind die Bildschirme mit den angebotenen Speisen und deren Preisen doch weithin sichtbar?
Entsprechend „angespannt“ gibt der Schreiberling dann seine „Fish & Chips & Beer“ Bestellung auf, nur um dann nach dem bezahlen zu erfahren das dies nun noch 10 bis 15 Minuten dauern würde.

Der mitgegebene Piper würde Bescheid geben.

Nun, die sowieso schon langsame Dame hinter der Kasse gibt leicht verdaddert zurück, das wäre eben so, als der Schreiberling in garantiert normaler Lautstärke und garantiert nicht aggressivem Tonfall zu bedenken gibt, das man so eine Wartezeit in einem Selfservice Restaurant ja auch vor dem Bezahlen mitteilen könnte?

Nun, was soll der Schreiberling weitersagen? Die Wahrheit, wie immer, selbstverständlich!

Die ganze Aufregung war für den Hintern. Besser für den Arsch!

Denn das Restaurantkonzept der STENA HOLLANDICA sieht eben kein elendig lange warm gehaltenes und entsprechend pappiges Essen aus Blechtrögen vor, sondern jede Bestellung wird geschwind in der Küche frisch zubereitet und heiß zum Abholen auf dem Teller bereit gestellt, wenn der Piper erklingt.

Das waren denn mal ganz vorzügliche „Fish & Chips“, die sich der Schreiberling nach tatsächlich maximal 15 Minuten da abholen durfte!

Nur blöd, das mit Erscheinen der Mahlzeit das Bier natürlich schon wieder alle war.

Irgendwas ist ja immer, doch der Schreiberling findet es tatsächlich immer noch wichtig zu erkennen, wann er daneben liegt. So was von Mist!

Früh´ zu Bett in einer grandiosen Außenkabine mit einem riesigem Bulleye und Blick nach vorne! Das späte, aber pünktliche Auslaufen entsprechend nur im Halbschlaf erlebt.

Den anderen Peter erst am nächsten Morgen beim Frühstückskaffee kurz vor Einlaufen in HOEK VAN HOLLAND wiedergesehen und gesprochen. Beider Köpfe sind voll von Details der Weiterfahrt, entsprechend wenig wird geredet. Kurze Verabschiedung als die Borddurchsage verkündet, alle Fahrer mögen zu ihren Fahrzeugen gehen.

Die EU Grenzkontrolle im Hafen kostet 20 Minuten, die neu eingerichtete deutsche später weitere 10 Minuten. Hätte schlimmer kommen können und ist an anderen Tagen und zu anderen Tageszeiten bestimmt auch schlimmer.

STENA HOLLANDICA in HARWICH (UK)

Den anderen Peter nicht mehr gesehen, aber ob des Regens und des dichten Verkehrs immerzu an diesen wagemutigen Motorradfahrer, ehemaligen Kapitän zur See, der noch viele Kilometer mehr fressen muss als der Schreiberling selbst, gedacht. 

Oh, scheiße Mann. Jetzt denkt der Kerl auch noch an andere Mäner!

Irgendwie ergab es sich auf der langen Heimfahrt über diverse kontinental europäische Autobahnen das der Lautstärkeregler der eierlegenden Wollmilchsau immer weiter nach rechts wanderte. Der aktuelle KNAUSi Alleinfahrer wunderte sich mit einem Male, das nun bei deutlich erhöhter Lautstärke endlich mal die neuen Boxen und der Subwoofer akustisch Sinn zu machen scheinen?

Da haben wir es mal wieder: Alles eine Frage der EINSTELLUNG!

Noch nicht mal Stau am Elbtunnel. Macht offenbar schon Sinn, den schon vor 1500 zu passieren.

Tja, und dann zu Hause.

Tags darauf kommt die lebenslange Lebensgefährtin endlich wieder und weitere zwei Tage später geht es zusammen auf eine neue Reise. Hurra!

Weiter, immer weiter!

Ich bin mir sehr bewusst: Es gibt schlechtere Leben!

Peter.

P.S.: Ich kenne wirklich nicht viele Hardcore Biker. Unsere (männlichen) Nachbarn in ELMSHORN fangen jetzt, mit Beginn der Rente, damit an. Ich nicht. Aber ich kenne Jörg, dessen Herz, so glaube ich sehr, sehr an diesen gefährlichen, unkomfortablen und verrückten Fortbewegungsmitteln hängt. Jörg, Du bist verrückt!

2 Kommentare

  1. Auch wenn ich mich nicht unbedingt als Hardcore-Biker bezeichnen würde, hast Du ansonsten doch Recht mit Deiner Feststellung. Und ich fühle beim Lesen mit Deinem Namensvetter …

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