Steve Rothery Band, Köln, Tag 1

Eine bessere Stadt als Köln könnte Steve Rothery für sein ganz eigenes Fan-Weekend, abseits von MARILLION, in Deutschland wohl nicht wählen. Zumal eine Weltstadt im Spätsommer. Fan-Weekend mag ein wenig übertrieben sein, denn eigentlich ist es diesmal ja „nur“ ein Doppelkonzert (Freitag, 15/9 und Samstag, 16/9) mit zwei unterschiedlichen Konzerten ohne Rahmenprogramm.

Dinet Poortman, Frontfrau THE DAVE FOSTER BAND

Für den hier beschriebenen ersten Konzertabend besteht das Hauptprogramm aus dem vollständig aufgeführten MISPLACED CHILDHOOD Album. Das ist 1985 erschienen und seine „nur“ 10 Lieder bringen gerade mal eine Spielzeit von „nur“ 41 Minuten in die Ohren.

Damit alleine wird man also wohl keinen Abend füllen können.

Riccardo Romano (links), Dave Foster (rechts)

Und hier greift Steve Rothery teilweise brillant in die Trickkiste. Da alle Musiker der STEVE ROTHERY BAND auch in anderen Bands spielen, darf der zweite Gitarrist auf der Bühne, Herr Dave Foster mit seiner Band „THE DAVE FOSTER BAND“ das Vorprogramm bestreiten. Bis auf deren faszinierenden Sängerin Frau Dinet Poortman spielen alle anderen Musiker (Leon Parr – Schlagzeug, Riccardo Romano – Keyboards und Yatim Halimi – Bass) ihre Instrumente in beiden Bands. Echte Schwerstarbeiter, stehen die drei doch knapp drei Stunden auf der Bühne. Das kommt davon, wenn man in zwei Bands spielt!

Von links nach rechts: Yatim Halimi, Leon Parr (unsichtbar), Martin Jakubski, Steve Rothery, Riccardo Romano

Nun, zum Vorprogramm gibt es nicht viel zu sagen. Dave Foster ist zwar ein brillanter Gitarrist, Dinet Poortman eine coole Frontfrau, aber keines der aufgeführten Stücke wäre es wert, darüber zu schreiben. Auch nicht das eine mit dem kurzen Gastspiel von Steve Rothery. Zu platt, zu eintönig, zu langweilig. Gefühlt acht Stücke muss der   ungeduldig wartende aushalten, dem Publikum in der ausverkauften KANTINE zu Köln hingegen scheint es aber zu gefallen. Na denn.

Endlich legt der los, der hier los legen soll.

Steve Rothery mit Scheiß Mikrofonständer, der immer im Weg stand…

Zunächst spielt STEVE ROTHERY drei Instrumentalstücke von seinem 2015 erschienen Album THE GHOST OF PRIPYAT. Viele Harmonien und Melodien werden von beiden Gitarristen synchron gespielt. Dadurch ergibt sich ein sehr satter, selten gehörter und wunderbarer Gitarrensound. Ob Dave Foster im stillen manchmal darüber grübelt, warum er nicht selbst auf eine solche Musik kommt?

Nach gut einer Stunde aufwärmen kommt nun Martin Jakubski auf die Bühne. Der schottische Sänger ist Spezialist für die ersten vier MARILLION Platten, die damals vom selbstsüchtigen FISH eingesungen wurden.

Ohne viel Geschwafel erklingen die ersten Töne von PSEUDO SILK KIMONO, dem ersten Stück auf MISPLACED CHILDHOOD. Direkt danach kommt KAYLEIGH, das auch heute noch OK ist, aber eben nie MARILLION ausgemacht hat und auch nie ausmachen wird. Ja, das war der eine Welthit der Band, aber so untypisch für das Schaffen wie nur irgendwas.

Das Publikum tobt. Das besteht längst schon nicht mehr nur aus dicken alten Männern mit wenigen Haaren auf dem Kopf. Frauen, junge Erwachsene und Teenager mit ihren Eltern scheinen ebenso textsicher zu sein, wie die alten Kerle.

HEART OF LOTHIAN live. Fantastisch, könnte man das vielleicht noch mal spielen?

Die eigentlich schwächere zweite Seite von MISPLACED CHILDHOOD kommt live verdammt gut rüber, selbst das überflüssige Anhängsel WHITE FEATHER.

Jeden den diese Art Musik zum enthusiastisch unkontrollierten Zappeln bringt und der jenseits der fünfzig ist, ist zu diesem Zeitpunkt heiser, körperlich völlig erschöpft und von höchstem Glück beseelt.

Wo zum Teufel ist der Ruheraum?

Steve Rothery Band

Drei durchaus komplizierte Stücke vom zweiten MARILLION Album (FUGAZI, 1984) folgen und es ist bemerkenswert, wie einzelne Textzeilen allein durch die Musik ihren Weg aus dem tiefsten kollektiven Gedächtnis in hunderte begeisterte Münder finden. 

Und als ob der so freundlich daher kommende Steve Rothery eine geheime sadistische Ader besitzt, besteht die Zugabe aus GARDEN PARTY und MARQUET SEQUERE HEROS. Der Ruf nach einer weiteren Zugabe erstickt relativ schnell, denn eigentlich kann kaum noch einer mitsingen, mitzappeln oder auch nur aufrecht stehen. Dies mag eine unzulässige Verallgemeinerung aufgrund der eigenen körperlichen Versfassung sein, aber als die Saalbeleuchtung eingeschaltet wird, sieht man nur in grauenvoll erschöpfte, aber durchaus verzückt dreinblickende Gesichter.

Was für eine Show!

Was für eine Ungerechtigkeit!

Denn die Herren Musiker haben auch nicht nur im Ansatz eine körperliche Bewegung gezeigt. OK, die müssen mit ihren Kräften natürlich noch viel mehr Haushalten als ihr Publikum. Schließlich wollen ihre Instrumente fachgerecht bedient werden und der Sänger will jederzeit die richtigen Wörter ins Mikrofon bringen. Dennoch ist es vermutlich eine Überlegung Wert, ob man nicht auf das Vorspiel verzichten könnte und/oder irgendwo eine Pause einbaut. Wer zur Hölle kann nach über zwei Stunden wilder Rockmusik ein solches Finale ohne bleibende körperliche Schäden überstehen?

OK, kein Mitleid notwendig, weil selbstgewähltes Schicksal.

Wie soll das bloß am heute, am Samstag Abend werden?

CLUTCHING AT STRAWS steht auf dem Programm. Und das fängt bekanntlich direkt mit dem Bärenstarken HOTEL HOBBIES an.

Wäre ein Rollator ein Lösung?

Oder gar ein Rollstuhl?

Jetzt schon?

Peter.

P.S.: Setlist


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